Referentenentwürfe zur Änderung des Entsendegesetzes und des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes

Die vor wenigen Tagen vom Bundesarbeitsministerium vorgelegten Referentenentwürfe zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie zum sogen. Mindestarbeitsbedingungsgesetz sind die Ermächtigung zur Abschaffung der Tarifautonomie. Auf Grundlage beider Gesetze könnten flächendeckend bestehende tarifvertragliche Regelungen ausgeschaltet und durch staatliche Festsetzungen ersetzt werden.

I. Zum Referentenentwurf zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz

Der Referentenentwurf zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz (download hier) sieht ein völlig neues Gesetz vor, in dem der ursprüngliche Zweck des Entsendegesetzes - die Lösung einer so genannten Entsendeproblematik - völlig in den Hintergrund gerät. Das Gesetz wird in erster Linie zu einer Ermächtigung zur staatlichen Lohnfestsetzung.

Den schwerwiegendsten Eingriff in die Tarifautonomie soll das Gesetz dadurch ermöglichen, dass ein absoluter Vorrang für Tarifverträge vorgesehen ist, die durch Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung erstreckt worden sind. Konkurrierende Branchen- und Haustarifverträge können damit außer Kraft gesetzt werden. Im Koalitionskompromiss war dagegen verabredet worden, Kriterien vorzugeben, die im Fall konkurrierender Tarifverträge eine an den Sachgründen des Gesetzeszwecks ausgerichtete Entscheidung sicherstellen. Stattdessen regelt der Gesetzentwurf Vorrangkriterien lediglich für den Fall gleichzeitig gestellter Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung konkurrierender Tarifverträge. Die vorgesehenen Kriterien bevorzugen dabei Tarifverträge mit den höheren Entgelten bzw. mit großen Gewerkschaften abgeschlossene Tarifverträge.

Auch die Regelung eines regional begrenzten Tarifvertrages soll künftig über die Rechtsverordnung verbindlich auf in dieser Region tätigen in- und ausländische Arbeitgeber erstreckt werden können. Dies greift in die Rechte der für die Allgemeinverbindlicherklärung regionaler Tarifverträge zuständigen Tarifausschüsse der Länder ein. Mit dieser Ermächtigung können sogar Entscheidungen der Tarifausschüsse aufgehoben werden. Wenn von diesen beispielsweise die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags abgelehnt wurde, soll der Verordnungsgeber auf Bundesebene gleichwohl aktiv werden und dessen Regelungen erstrecken können.

Ohne zusätzliche Voraussetzungen soll das Bundesarbeitsministerium bereits auf Antrag einer Tarifvertragspartei ermächtigt werden, die Rechtsnormen eines Tarifvertrages durch Rechtsverordnung zu erstrecken und damit ggf. konkurrierende Tarifverträge zu verdrängen.

In dem Gesetzentwurf ist darüber hinaus vorgesehen, dass Verzicht, Verwirkung und die Geltung von Ausschlussfristen für Ansprüche auf Mindestentgelt unzulässig sind. Nach dem Gesetzentwurf soll darüber hinaus eine Verjährung von Ansprüchen auf Mindestlohn frühestens drei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich sein. Die damit verbunden Bürokratielasten sind für die Unternehmen erheblich: Um sich vor entsprechenden Forderungen zu schützen, sind sie gehalten, bis zum Ende der Verjährung und damit ggf. für sehr viele Jahre Lohnunterlagen aufzubewahren.


II. Referentenentwurf zur Änderung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes

Auch die vorgelegten Änderungen des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes (download hier), mit denen dieses Nachkriegsrelikt von 1952 aktiviert werden soll, sind fatal.

Während nach dem Koalitionskompromiss das Gesetz auf Mindestlöhne beschränkt werden sollte, ist nach dem Referentenentwurf die Festsetzung sämtlicher Mindestarbeitsbedingungen im Wege staatlicher Verordnung vorgesehen. In all diesen Bereichen können damit durch staatliche Festsetzungen tarifvertragliche Regelungen ausgeschaltet werden.

Nach dem Referentenentwurf soll eine Möglichkeit zum Eingriff in bestehende Tarifverträge geschaffen werden. Während das bisherige Mindestarbeitsbedingungsgesetz vorsieht, dass Tarifverträge immer vorgehen, sollen künftig staatliche Festsetzungen zwingend Vorrang vor bestehenden tarifvertraglichen Regelungen haben. Demgegenüber hatte die Koalition auch zu diesem Punkt zumindest vereinbart, durch Kriterien vorzugeben, wann Mindestarbeitsbedingungen vor konkurrierenden Tarifverträgen Anwendung finden. Der im Referentenentwurf vorgesehene Vorrang staatlicher Reglementierung vor geltenden Tarifverträgen ist ein eklatanter Angriff auf die Tarifautonomie.

Daran ändert nichts, dass im Hauptausschuss, der über die Festsetzungen von Mindestarbeitsbedingungen entscheidet, zukünftig sechs Mitglieder sitzen, die jeweils zur Hälfte von den Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorgeschlagen werden können. Zumindest über den Vorsitzenden des Ausschusses, der vom Bundesarbeitsministerium berufen wird, wenn sich die Mitglieder des Ausschusses nicht einigen können, bleibt sowohl im Haupt- als auch im Fachausschuss das Letztentscheidungsrecht des BMAS gesichert.

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