Unterrichtung und Widerspruch beim Betriebsübergang

Inseiner Entscheidung vom 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - hat sich das BAG erneut mit den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB und den Möglichkeiten zum Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses auseinandergesetzt.

Inseiner Entscheidung vom 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - hat sich das BAG erneut mit den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB und den Möglichkeiten zum Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses auseinandergesetzt.
  • Orientierungssätze
1. Nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung setzt die Widerspruchsfrist in Gang.
2. Die Unterrichtung ist nicht ordnungsgemäß, wenn eine Darstellung der begrenzten gesamtschuldnerischen Nachhaftung § 613a Abs. 2 BGB fehlt.
3. Das Widerspruchsrecht kann auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden. Es wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück.
4. Das Widerspruchsrecht ist verwirkt, wenn der Verpflichtete annehmen durfte, er werde nicht mehr in Anspruch genommen.
  • Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob infolge eines wirksamen Widerspruchs des Klägers nach § 613a Abs. 6 BGB gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses, zwischen ihnen ein Frühruhestandsverhältnis besteht.
Der Kläger war seit 1974 bei der Beklagten (A AG) im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig. Im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger betriebsbedingt zum 1. März 2005. Dabei wurden ihm zum Ausgleich der durch die Kündigung entstehenden Nachteile die Zahlung eines Nachteilsausgleichs in Höhe von monatlich 2.308,00 € brutto über 60 Monate sowie eine Einmalzahlung von 5.434,06 € zugesichert.
In der Folgezeit beschloss die Beklagte, den Geschäftsbereich CI auszugliedern und die dazugehörenden Betriebsstätten an eine Tochterfirma (A GmbH) zu übertragen. Im Oktober 2004 erhielt der Kläger ein Informationsschreiben, das auszugsweise wie folgt lautete: „Die A AG plant den Geschäftsbereich CI mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die A GmbH zu übertragen. (…) Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt die A GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. (…) Die bei der A AG verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei der A GmbH anerkannt. (…) Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis im gekündigten Zustand bei der A AG und geht nicht auf die A GmbH über (…) Sie müssen im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit einer Freistellung von der Arbeit durch die A AG rechnen. (…) Ihr Anspruch auf Arbeitsentgelt gegenüber der A AG [kann] um die Einkünfte gekürzt werden, die Sie für die verbleibende Dauer der Kündigungsfirst bei der A GmbH erzielen könnten“.
Nach dem Ausscheiden des Klägers bediente die A GmbH die Forderungen aus dem Nachteilsausgleich. Am 20. Mai 2005 stellte sie Insolvenzantrag und stellte daraufhin die Zahlung ein.
Am 15. Juni 2005 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH mit der Begründung, er sei nicht fehlerfrei über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs unterrichtet worden, weil ein Hinweis auf die Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Erwerber gefehlt hätte.
Der Kläger begehrt festzustellen, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Frühruhestandsvertragsverhältnis besteht, aus dem die Beklagte zur Zahlung des vereinbarten Nachteilsausgleichs verpflichtet ist. Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
  • Entscheidungsgründe
Das BAG hat sich dem angeschlossen und entschieden, dass das nicht verwirkte Widerspruchsrecht nicht verspätet ausgeübt worden sei, da nur eine fehlerfreie und vollständige Unterrichtung die einmonatige Widerspruchsfrist auslösen könne. Das vorliegende Informationsschreiben genüge den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht, so dass der Kläger auch noch acht Monate nach dem Betriebsübergang widersprechen konnte.
Zur Begründung führt das BAG im Einzelnen Folgendes aus: Der Kläger sei nicht umfassend über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs informiert worden. Die Auskunft, das Arbeitsverhältnis bleibe unverändert bestehen, reiche als Erläuterung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB nicht aus. Im Gegenteil, der Hinweis auf die Anerkennung bisheriger Dienstzeiten vermittele den Eindruck, es bedürfe einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Betriebsübergangsparteien und sei daher irreführend.
Weiter fehle es an einer Darstellung der gesamtschuldnerischen Nachhaftung nach § 613a Abs. 2 BGB. Auch wenn die Abfindungsansprüche erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht bereits bei Abschluss der Abwicklungsvereinbarung entstanden seien, müsse auf die fehlende Haftung der Beklagten hingewiesen werden. Aus Sicht des Betroffenen könne es nämlich für die Ausübung des Widerspruchsrechts von entscheidender Bedeutung sein, wer für bereits vereinbarte Abwicklungsansprüche haftet, besonders wenn wie vorliegend ein Erfüllungszeitraum von fünf Jahren vorgesehen wurde.
Ferner genüge auch die Unterrichtung über den Bestand und die Folgen des Widerspruchsrechts nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BG. Es fehle ein Hinweis auf das Schriftformerfordernis und die Dauer der Widerspruchsfrist, sowie auf die möglichen Widerspruchsadressaten. Als rechtlich unzutreffend erweise sich zudem die Auskunft, das Entgelt könne im Falle eines Widerspruchs gekürzt werden, da ein zulässiger Widerspruch allein kaum ausreichen dürfte, um ein pflichtwidriges Unterlassen im Sinne von § 615 S. 2 BGB zu bejahen.
Schlussendlich führt das BAG aus, dass das Widerspruchsrecht auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ausgeübt werden konnte und insbesondere nicht verwirkt war. Der Senat hält insoweit daran fest, dass die bloße Weiterarbeit beim Erwerber allein keinen Anknüpfungspunkt für ein schützenswertes Vertrauen des Veräußerers auf die Nichtausübung des Widerspruchs darstellen können soll.
  • Bewertung/ Folgen der Entscheidung
Das BAG knüpft mit dieser Entscheidung an seine bisherige Rechtsprechung zu § 613a Abs. 5 und 6 BGB an und stellt zudem klar, dass auch ein bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses noch widersprechen kann.
Nicht nachvollziehbar ist, wieso die Unterrichtung darüber, dass das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht, nicht ausreichen sollte. Hieran wird abermals deutlich, dass das BAG bei der Bewertung von Unterrichtungsschreiben sehr hohe Anforderungen an deren inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit, ja sogar an die Formulierung, stellt, zumal es daran festhält, dass es nicht darauf ankommt, ob der gerügte Fehler tatsächlich kausal für die Nichtausübung des Widerspruchsrechts geworden ist.
Die Erstellung eines korrekten Informationsschreibens nach § 613a Abs. 5 BGB stellt die Parteien damit vor eine beinahe unlösbare Aufgabe. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind auf professionelle Rechtsberatung angewiesen, um die Unterrichtung ordnungsgemäß durchführen zu können. Verzichten Unternehmen hierauf, kann dies zu zeitlich nicht eingrenzbaren Widerspruchsmöglichkeiten des Arbeitnehmers führen.

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