UPT 2008 in Istanbul rückt Türkei in ein „neues Licht“

TOP-Manager aus führenden Verbundgruppen verschiedener europäischer Länder holten vom 4. bis 9. September 2008 am Bosporus zum „Brückenschlag der Superlative“ aus.

Istanbul, 9. September 2008: Manch einer der Teilnehmer der diesjährigen Unternehmenspolitischen Tagung, besser bekannt unter dem Kürzel UPT, gestand freimütig seine Skepsis und Vorbehalte ein, die er gegenüber der Wahl des Standortes ursprünglich hatte.Durch politische Diskussionen über den EU-Beitritt der Türkei, Probleme bei der Integration türkischer Migranten nach Mitteleuropa, schockierende Nachrichten über radikaleund terroristische Gruppen, sowie den endlosen Debatten um Frauen- und Menschenrechte in den Medien, entsteht leicht ein Zerrbild der Realität.
Doch reisen bildet nicht nur, es ändert auch den Blickwinkel. Die mehr als 80 Repräsentanten führender Verbundgruppen in Europa erlebten diesvor der atemberaubenden Kulisse einer an der Nahtstelle zwischen Orient und Okzident gelegenen Weltstadt mit einer unvergleichlich bewegten und weit nach Westeuropa reichenden Kulturgeschichte.

Das Fundament der Brücke, die es bei der UPT weit zu spannen galt, legte deshalb auch niemand geringerer als Professor Dr. Ing. Ahmed Samsunlu.Dieser lehrt seit dem Erwerb seiner akademischen Grade in Hannover an der Technischen Universität Istanbul und warin den 80er Jahren sogar türkischer Minister für Bau- und Siedlungsfragen. Als Träger des Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland und vieler weiterer hoher Auszeichnungen ging er mit Blick auf die EU zunächst mit der Politik des eigenen Landes hart ins Gericht: „Den Zug nach Europa haben türkische Politiker bereits 1976 verpasst“. Im Gegensatz zu Griechenland etwa habe man das damalige Angebot zur Annäherung an die EU abgelehnt. Dies sei jetzt schwer zu revidieren undbleibedamit ein Fehler. Schließlich sei die Türkei von den 58 islamischen Ländern, die es auf der Welt gebe, das einzige demokratische Land. Anhand der Energienetze, Verkehrs- und Transportwege sowie der geopolitischen Verflechtung mit den Nachbarstaaten erläuterte Samsunlu die Bedeutung des über 70 Millionen Einwohner zählenden Landes für Europa.
Bereits heute seien 11.000 europäische Firmen in der Türkei präsent, davon allein 3.000 aus Deutschland. Viele dieser Firmen betrachteten die Türkei zugleich als „Sprungbrett“ zu den Märkten arabischer und fernöstlicher Länder. Für ihn gebe es dahernur eine einzige Schlussfolgerung: „Die Türkei ist nicht die Grenze, sie ist vielmehr die Brücke zu Europa“.

Dass angesichts dieser Voraussetzungen mittelständische Unternehmer aus anderen europäischen Ländern nicht vor einem geschäftlichen Engagement in der Türkei zurückschrecken sollten, unterstrich der in Aachen lebende Unternehmensberater Dr. Ing. Yalcin Edgü.
Er erläuterte die Entwicklungsziele und Förderprogramme der EU und einzelner nationaler Regierungen. Insgesamt stelle die EU für die derzeitdrei Beitrittskandidaten, unter denen die Türkei der größte sei, im Zeitraum von 2007 — 2013 die gewaltige Summe von 11,5 Milliarden Euro für Projekte und Maßnahmen zur Annäherung der gesellschaftlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bereit, die es auszuschöpfen gelte. Auch der Mittelstand könne von den Fördertöpfen profitieren. Empfehlenswert sei zudem die Beteiligung an den Privatisierungsprogrammen, die die Türkei etwa im Bereich der öffentlichen Infrastruktur seitsechs Jahren konsequent durchführe.

Die prosperierende Entwicklung des türkischen Marktes erlebten die Teilnehmer der Tagungbei der Präsentation des 1995 unter deutschem Management gegründeten Lebensmitteldiscounters BIM.
Als einstiger Chef von Aldi Niederlande zeichnete der Niederländer Jos Simons, heute Geschäftsführer und Mitglied des Vorstandes von BIM, die Erfolgstory des bereits 2110 Geschäfte in 20 eigenständigen Regionalbezirken umfassenden Unternehmens auf. Dessen Börsenkurs verfünfzehnfachte sich allein innerhalb der letztenfünf Jahre. Möglich wurde diese Entwicklung einerseitsdurch die konkurrenzlose Ausgangslage für das in der Türkei völlig neuartige Marktformat und andererseits durch die konsequente Reduzierung jedweder überflüssiger Verwaltungs- und Marketingkosten. Dabeihatten diekonzeptgenaue Gestaltung der Outlets und die Beschränkung auf ein schnell drehendes Sortiment immer höchste Priorität.

Simons gestand jedoch auch ein: „Keeping it simple is not so easy“. Über allem schwebe die aus dem Hause Aldi stammende Geschäftsphilosophie, immer die beste Qualität zum günstigsten Preis anbieten zu wollen.
Nächster strategischer Entwicklungsschritt sei die Erschließung des marokkanischen Marktes.

Für Teilnehmer, die nach eigenen Geschäftsmöglichkeiten in der Türkei suchten bot Nikolaus Bemberg, Leiter Markterkundung und Markterschließung der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer, Istanbul, die praktische Unterstützung seines Hauses und der gesamten Kammerorganisation an.

Als ein Beispiel für den gelungenen Markteintritt einer Verbundgruppe erläuterte Levent Gunor Yarcan, General Manager der INTERSPORT Türkei, die Herangehensweise und zeigte die besonderen Herausforderungen für den Sportmarkt auf. Den Einstieg habe der Umstand erschwert, dass das durchschnittliche jährliche Einkaufsvolumen für Sportartikel in der Türkei ganze 13,50 Euro betrage. In Deutschland liege der pro-Kopf-Einkauf im Vergleich bei 78 Euro.

Dass jedoch auch in Deutschland Erfolg im Sporthandel mit erheblichen Anstrengungen errungen werden muss, unterstrich Volker Gromer, Bereichsleiter Unternehmenskommunikation, Ariston-Nord-West-Ring eG, Mainhausen.
Gerade für selbstständige Unternehmer in der Verbundgruppe sei ein gemeinsames Vorgehen oft mit erheblichen Mühen verbunden. Das Geheimnis des Erfolges sei deshalb, Konzepte zu entwickeln, die die Verbindlichkeit zentraler Leistungen einer Verbundgruppe fördern. Hierzu hatte der ZGV im Frühjahr einen Kreativpreis ausgelobt, den unter zahlreichen Bewerbern Sport 2000 gewonnen hatte. Die Vorstellung des Siegerkonzeptes „V+5 und 6 aus 49“ gestaltete Gromer mit einer anschaulichen Präsentation zu einem beeindruckenden Highlight der Tagung.

Geradezu stürmische Begeisterung löste als Abschlussredner der Fachtagung Prof. Dr. Utho Creusen mit seinen Thesen aus der „Positiven Psychologie“ aus. Er zeigte Wege auf, mit denen man durch richtige Führung der Mitarbeiter deren optimale Zufriedenheit und höchste Motivation zum Nutzen des Unternehmens erreicht. Im Vordergrund stehe dabeidie Erkenntnis, dass der Versuch, Schwächen bei Mitarbeitern aufzudecken und auszubügeln, wenig zielführend sei. Vielmehr gelte es, Anlagen und Talente zu fördern und die Stärken des Einzelnen gezielt zu nutzen. Auf diese Weise entstehe optimale Zufriedenheit und höchstes Leistungsvermögen. Weil dabei die empfundene Zeit quasi wie im Fluge vergehe, bezeichneten die Vertreter der positiven Psychologie diesen Zustand als „Flow“. Als ehemaliger Präsident des Deutschen Franchise-Verbandes, einstiger Vorstand der OBI AG und bis vor kurzer Zeit Mitglied der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding GmbH konnte Creusen seine Thesen mit vielfältigen anschaulichen Beispielen aus der erlebten Unternehmenspraxis eindrucksvoll belegen.

ZGV-Hauptgeschäftsführer Dr. Ludwig Veltmann, der das Programm fachlich gestaltet hatte und die Tagung moderierte, ermunterte die Teilnehmer, die neuen Erkenntnisse nicht nur in den eigenen Verbundgruppen umzusetzen, sondern diese auch im Rahmen des speziellen Begleitprogramms mit anderen TOP-Managern zu diskutieren und zu vertiefen. Gerade dies habe sich bereits bei den UPTs der Vorjahre - so 2000 in Rom, 2001 in Toledo, 2002 in Amsterdam, 2003 in Montpellier, 2004 in Krakau, 2005 in Athen, 2006 in Moskau und 2007 in Dublin als besonders fruchtbar erwiesen.

An entsprechenden Gelegenheiten mit zusätzlichen inspirierenden Eindrücken ließ das „Kultur- und Kommunikationsprogramm“ keine Wünsche offen. Gemeinsame Busfahrten durch die pulsierende 16-Millionen-Metropole sind ebenso zu erwähnen, wie der Besuch der futuristischen Shopping-Mall Kanyon, die Besichtigung der Hagia Sophia und der Blauen Moschee, das Bummeln über die orientalischen Basare und die Einkehr in türkische Lokale mit atemberaubendem Blick über den Bosporus bei immer wieder wahren Grenzgängen kulinarischer Vollendung und außergewöhnlicher Gastfreundschaft.
Gemeinschaftserlebnisse dieser Art schaffen Netzwerke in der oft eher „dünnen Luft“ des TOP-Managements von weit höherer und belastbarerer Qualität, als dies für gewöhnlich bei geschäftlichen Veranstaltungen und dienstlichen Gesprächen möglich ist.

Eines stand zum Schluss des Ausflugs zum Brückenschlag in den Orient deshalb jedenfalls felsenfest: Es wird eine nächste Veranstaltung geben. Veltmann kündigte jedoch an, dass er mit der UGAL und seinem Veranstaltungsteam der UPT, zu denen seine Assistentin Claudia Gossow und ServiCon-Vorstand Jan Schmüser gehören, eine leichte konzeptionelle Änderung vorbereitet habe. Ziel sei es, die Internationalität der Tagung zu fördern. Unter Zugriff auf ein europaweites Netzwerk mit dem Namen „sme-groups europe“ werde dann einmal im Jahr ein zweitägiger „European Convent“in englischer Sprache veranstaltet.

Für 2009 habe man sich als Veranstaltungsort auf Bologna, Italien verständigt. Ein genauer Termin hierzu in den ersten Septemberwochen werde schnellstmöglich abgestimmt. Der italienische Verband CONAD habe dazu in Aussicht gestellt, bei der Organisation mitzuwirken und auch italienische Teilnehmer für die Veranstaltung zu mobilisieren. Veltmann ermunterte die Teilnehmer, auch eigene Kontakte zu ausländischen Partnern oder andere bekannte Gruppen für das europäische Netzwerk zu gewinnen.

Anregungen und Fragen hierzu bitte an l.veltmann@zgv-online.de .

Seite drucken

Zurück zur Übersicht
Weitere Artikel