Verdachtskündigung – Videoüberwachung – Beweisverwertung - Mitbestimmung

Das BAG hat sich in der Entscheidung vom 27.03.2003 – 2 AZR 51/02 – u. a. mit der Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung eines Arbeitnehmers befasst.

Das BAG hat sich in der Entscheidung vom 27.03.2003 – 2 AZR 51/02 – u. a. mit der Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung eines Arbeitnehmers befasst.

Die Klägerin war bei der Beklagten als Kassiererin tätig. Nach hohen Inventurdifferenzen installierte die Beklagte heimlich Überwachungskameras. Videoaufnahmen konkretisierten einen Verdacht gegen die Klägerin. Mit Zustimmung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin.

Das BAG hat die Wirksamkeit der Kündigung bestätigt.

Das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Ein gegen einen Arbeitnehmer gerichteter dringender Verdacht eines Eigentums- oder Vermögensdelikts zum Nachteil des Arbeitgebers stelle einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB dar. Erschwerend sei es, wenn die Straftat mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers zusammenhänge, er eine vertragliche Obhutspflicht verletze und das Delikt innerhalb seines konkreten Aufgabenbereiches bei Gelegenheit der Arbeitsleistung verübe.

Dem Beweis durch die Videoaufnahmen steht – so das BAG – kein Beweisverwertungsverbot entgegen. Heimliche Aufnahmen seien zwar ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG. Dieser rechtfertige sich jedoch durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers. Das Interesse an der Beweiserhebung sei schutzbedürftig, wenn ihr besondere Bedeutung für die Rechtsverwirklichung einer Partei zukomme. Heimliche Videoaufnahmen seien zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung zu Lasten des Arbeitgebers bestehe, weniger einschneidende Mittel ausgeschöpft seien und die verdeckte Überwachung insgesamt nicht verhältnismäßig sei. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Installation der Kameras stehe der Verwertung nicht entgegen. Zwar sei die Installation zur Überwachung des dienstlichen Verhaltens nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats könne im Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch zur Unwirksamkeit von arbeitnehmerbelastenden Maßnahmen führen.

Aber die unterbliebene Mitbestimmung gebe der Beweisverwertung keinen eigenen Unrechtsgehalt. Sie führe für sich genommen nicht zu einem Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Wenn die Verwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig sei, könne die Missachtung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nur zu einem Beweisverwertungsverbot führen, wenn die damit verbundene kollektivrechtliche Kompetenzüberschreitung für sich genommen eine solche Sanktion fordere. Das sei nicht der Fall, wenn der Betriebsrat den Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kenne und der Verwertung der so gewonnenen Beweismittel sowie der darauf gestützten Kündigung zustimme. Er gebe damit zu erkennen, dass er seine Rechte nicht für berührt halte und trotz der Kompetenzüberschreitung jedenfalls für den konkreten Fall die Beweisverwertung billige.

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