Binnenmarktstrategie: Kommission drückt aufs Gas

Die EU-Kommission will beim Ausbau des Europäischen Binnenmarktes auf die Tube drücken. Welche Maßnahmen sie dafür in die Wege leiten will, hat sie in einem Strategiepapier zusammengestellt. DER MITTELSTANDSVERBUND fordert eine konsequente Durchsetzung.

Brüssel, 06.11.2015 — "Die weitere Stärkung und Vertiefung des EU-Binnenmarktes ist die wichtigste Komponente der Investitionsoffensive für Europa. Wir müssen die Hindernisse für Investitionen beseitigen und neue Möglichkeiten für Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen schaffen. Und der Binnenmarkt muss Schritt halten mit der Entwicklung: Innovative Geschäftsmodelle müssen gefördert und in den Binnenmarkt integriert werden." Mit diesen Worten stellte der für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Jyrki Katainen, am 29. Oktober die neue Binnenmarktstrategie vor.

In dem Papier wird eine Reihe von Maßnahmen für die kommenden Jahre in Aussicht gestellt. Ziel ist dabei vor allem die Verbesserung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen, der Gewährleistung eines reibungslosen Handels zwischen den Mitgliedstaaten und damit eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des EU-Binnenmarktes insgesamt.

Digitale Wirtschaft

Der aktuelle EU-Rechtsrahmen passt nicht mehr auf die sich rasant entwickelnden Geschäftsmodelle im Rahmen der digitalen Wirtschaft - so der Befund der EU-Kommission. Zwar liegt vor allem in diesem Bereich ein hohes Innovationspotential, die Kommission befürchtet jedoch, dass durch Jahre entwickelte EU-Standards in der digitalen Wirtschaft unterschritten werden könnten. Gerade im Bereich des Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzes müsse gewährleistet werden, dass der europäische Besitzstand - der sogenannten Acquis Communautaire - unbedingt eingehalten wird. Die Kommission möchte deswegen weitergehende Informationen über die geltenden Regeln für diesen Wirtschaftszweig bereitstellen. Außerdem sollen Regelungslücken angegangen werden. So sieht die Kommission die Gefahr, dass die digitale Wirtschaft eine große Anzahl von unqualifizierten Mikrojobs hervorbringen könnte.

Wachstumsförderung im Mittelstand

Die Kommission sieht gerade für den Mittelstand eine Reihe von Hürden, die eine Expansion in den Binnenmarkt verhindern. So würden KMU über:
  • das komplexe Mehrwertsteuerrecht,
  • das unklare Unternehmensrecht,
  • die schwere Verständlichkeit und Einhaltung von Vorschriften,
  • den mangelnder Zugang zu Finanzmitteln,
  • die Angst vor zu strengem Konkursrecht
  • sowie Innovationshemmnisse klagen.
Auch die Hochrangige Expertengruppe für die Wettbewerbsfähigkeit des Einzelhandels, die hatte in ihrem Abschlussbericht (LINK) ein ambitioniertes Vorgehen der Kommission in vielen der benannten Bereiche angemahnt.

Die EU-Kommission kündigte deswegen bereits in der Strategie für den Digitalen Binnenmarkt an, das System der Mehrwertsteuern, welches im grenzüberschreitenden Handel gerade wegen den unterschiedlichen Berichtspflichten immer wieder für Unsicherheiten bei den Unternehmen führt, zu verbessern.

Darüber hinaus will Brüssel einen neuen Vorschlag zur Unternehmensinsolvenz vorlegen. Darin soll eindeutig geregelt werden, wie eine Entschuldung bzw. Restschuldbefreiung von Unternehmen erfolgen soll. Auch wenn dieser Ansatz grundsätzlich zu begrüßen ist, hatte DER MITTELSTANDSVERBUND schon in der Vergangenheit gefordert, dass eine Entschuldung von Unternehmen - vor allem, wenn dies bereits nach einem Jahr erfolgen soll - von objektiven und nachvollziehbaren Kriterien abhängig gemacht werden muss. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass einige Unternehmer diese Möglichkeit als Geschäftsidee entdecken und damit die Liquidität innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette gefährden.

Gegen Beschränkungen im Einzelhandel vorgehen

Die Kommission hat auch den Einzelhandel auf ihrer Agenda. So stellt sie in ihrem Strategiepapier fest, dass restriktive nationale Vorschriften den Markteintritt von Einzelhändlern aus dem EU-Ausland erheblich erschweren würden. Ohne zunächst den bestehenden Rechtsrahmen zu verändern, will sie versuchen, Best Practices zur Erleichterung der Gründung von Einzelhandelsunternehmen und zum Abbau von Beschränkungen für deren Betrieb im Binnenmarkt festzulegen. Es müsse klargestellt werden, dass ausländischen Unternehmen der Markteintritt nur aus Gründen des Gemeinwohls, wie z.B. Umweltschutz, Stadt- und Raumplanung oder Verbraucherschutz gerechtfertigter Weise verwehrt werden kann.

Lieblingthema Geoblocking

Auch in der neuen Binnenmarkstrategie taucht das Thema "Geoblocking" auf. Wie bereits an anderer Stelle angekündigt, will die Kommission gerade im Online-Handel stärker gegen territoriale Beschränkungen von Angeboten vorgehen. Dazu hat sie bereits eine Konsultation gestartet. Aufbauend auf den Ergebnissen wird die Kommission danach weitere Schritte festlegen.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird in dieser Konsultation wie auch in der darauf folgenden politischen Diskussion eine Einhaltung des Grundsatzes der Vertragsautonomie einfordern. "Unternehmen sollen eben nicht gezwungen werden können, ihre Waren und Dienstleistungen überall im Binnenmarkt anbieten zu müssen", sagt Tim Geier, Leiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel.

Insgesamt scheint die Kommission in ihrer Strategie eher auf eine bessere Durchsetzung des bestehenden Rechts als auf die Vorstellung neuer Initiativen zu setzen. DER MITTELSTANDSVERUND unterstützt einen solchen Ansatz. Es geht darum, den bestehenden Rechtsrahmen weiterzuentwickeln und die gesammelten Erfahrungen intelligent zu verarbeiten.


Weitere Informstionen:

Günter Althaus: "Die EU muss die Belange des Mittelstandes berücksichtigen"Kommission veröffentlicht Empfehlungen zur Wettbewerbsfähigkeit des Einzelhandels

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