Das sind die Pläne der EU für 2017

Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament sind sich einig. Doch viele Überraschungen halten die Vorhaben für das neue Jahr kaum bereit.

Brüssel, 16.12.2016 - Flüchtlingskrise, Ukraine-Konflikt, Brexit: Das Jahr 2016 hat die Europäische Union auf die Bewährungsprobe gestellt. Auch das kommende Jahr wird vom Schatten der zurückliegenden Ereignisse geprägt sein. Dennoch versucht die Union Geschlossenheit zu demonstrieren. In einer gemeinsamen Erklärung haben Kommission und Parlament nun erstmals in der Geschichte der EU gemeinsame Pläne für 2017 veröffentlicht. Das Papier ist Ausdruck der Selbstverpflichtung der EU-Institutionen zur besseren Rechtsetzung. So sollen zukünftige Maßnahmen beider Häuser besser koordiniert werden.

Finanzen: Mehr Investitionen

Das Wachstum in der EU bleibt nach den Plänen der Institutionen weiterhin wichtigstes Ziel. Das soll vor allem durch die Stärkung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) erreicht werden. Der EFSI ist das Herzstück der seit 2015 laufenden europäischen Investitionsoffensive. Er wurde mit dem Ziel der Beseitigung von Investitionshindernissen, der Unterstützung von Investitionsvorhaben durch Öffentlichkeitsarbeit und technische Hilfe sowie der intelligenteren Nutzung neuer und bestehender finanzieller Ressourcen ins Leben gerufen.

Unterstützt werden vor allem Infrastruktur- und Innovationsprojekte sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Midcap-Unternehmen. Zunächst galt der EFSI für einen Zeitraum von drei Jahren. Er sollte mindestens 315 Mrd. EUR an Investitionen unter möglichst umfassender Beteiligung des Privatsektors mobilisieren. Die Pläne der EU sehen vor, das Finanzinstrument monetär aufzustocken und zeitlich zu verlängern. Die EU erhofft sich dadurch mehr Vertrauen in den Fond.

Aus Sicht des kooperierenden Mittelstandes sind die Investitionspläne nach wie vor keine Hilfe für Verbundgruppen. Der Fond arbeitet grundsätzlich über die Bereitstellung von EU-Garantien. „Eine Ausweitung der Bezuschussung von Digitalisierungs-Prozessen, gerade bei mittelständischen Kooperationen, wäre an dieser Stelle hilfreicher“, so Tim Geier, Leiter des MITTELSTANDSVERBUND-Büros in Brüssel. Der Spitzenverband werde sich deshalb auch 2017 weiterhin dafür stark machen, die europäischen Gesetzgeber für das Thema Kooperationsarbeit zu sensibilisieren.

Soziales: Barrierefreiheit in der EU

Neben der Ankündigung von Beschäftigungsinitiativen betonen die Institutionen vor allem ein Thema: den Abschluss des EU-Gesetzesaktes zur Barrierefreiheit. Demnach sollen digitale Dienste, darunter auch der gesamte Online-Handel, für ältere Menschen oder Personen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich sein. Offen bleibt jedoch, wie die Barrierefreiheits-Verpflichtung konkret aussehen soll. Auch die Schaffung von Schnittstellen zur Aufarbeitung von Informationen wäre in diesem Zusammenhang denkbar. DER MITTELSTANDSVERBUND warnt davor, das zaghafte Wachstum im Online-Segment durch regide Regelungen zu dämpfen.

Sicherheit: Terrorabwehr zum Schutz der EU-Bürger

Die jüngsten Ereignisse in Frankreich und Belgien stellen die EU vor neue sicherheitspolitische Anforderungen. Im Fokus der Debatten steht die Frage, mit welchen Systemen die Grenzkontrollen effektiv ausgeweitet werden und wie die EU-Bürger langfristig vor Terror geschützt werden können. Aber auch die Themen „Geldwäsche“ und „Terrorismusfinanzierung“ sollen im kommenden Jahr weiter vorangetrieben werden.

DER MITTELSTANDSVERBUND warnt vor unverhältnismäßigen Schnellschüssen. „Die Erfahrungen des kooperierenden Handels bspw. bei der Pflicht zur Identitätsfeststellung ab einer Barzahlung von 15.000 Euro zeigen, dass die daraus resultierenden hohen, administrativen Belastungen häufig nicht im Verhältnis zu den Zielen der Maßnahmen stehen“, erklärt der EU-Experte des Spitzenverbandes. Die EU müsse deshalb darauf achten, dass die Verpflichtungen einen wirklichen Nutzen hätten.

Digitalisierung: Binnenmarkt bleibt Top-Thema

Wenig Überraschend bleibt die Schaffung eines digitalen EU-Binnenmarkts eines der Hauptbestrebungen der EU-Gesetzgeber. Im Fokus bleibt der Vorschlag über Geoblocking. Der Rat der EU hatte kürzlich klargestellt, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit auch in der digitalen Welt beachtet werden muss. Völlig offen bleiben aber die Diskussionen im Europäischen Parlament.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird im kommenden Jahr dafür Sorge tragen, dass auch die Europaparlamentarier Verbraucherschutz richtig verstehen und nicht voreilig einen EU-weiten Kontrahierungszwang fordern.

Büroleiter Brüssel Tim GeierAuch das Thema Datenschutz und die damit verbundene Datenschutzgrundverordnung bleibt auf der Agenda der EU. „Da das Gesetzespaket auf EU-Ebene nun zum Abschluss kam, gilt es nunmehr, den Umsetzungsprozess in Deutschland weiter zu begleiten“, so Tim Geier. An vielen Stellen haben die europäischen Gesetzgeber Spielräume für die Mitgliedstaaten belassen. Diese sind von zentraler Bedeutung, um einfache Lösungen eines umfassenden Datenschutzes zu finden, die den kooperierenden Mittelstand entgegen kommen.

Enttäuscht zeigt sich der Spitzenverband über den Vorschlag zum Verbrauchervertragsrecht. Zwar ist eine Einigung des Europäischen Parlaments Anfang 2017 abzusehen. Die Diskussion mit dem Rat dürfte sich jedoch in die Länge ziehen. DER MITTELSTANDSVEBRUND hatte bereits frühzeitig für handhabbare Lösungen plädiert. Er wird sich auch weiterhin dafür stark machen.

Offen bleibt auch die Frage zum Umgang mit den vorläufigen Ergebnissen der Sektoruntersuchung E-Commerce. DER MITTELSTANDSVERBUND hatte dieses Dossier bereits 2015 thematisch begleitet und an vielen Stellen die Belange der Verbundgruppen - allen voran die Öffnung der Möglichkeiten im Bereich Preispolitik - gegenüber der Kommission verdeutlicht. Die Pläne der EU für das kommende Jahr lassen allerdings offen, in welcher Art und Weise die gefundenen Ergebnisse bewertet werden und welche Konsequenzen daraus gezogen werden.

Steuern: Mehrwertsteuer im Fokus

Nach den Plänen der EU soll das Thema Steuern im neuen Jahr an Bedeutung gewinnen. Bereits im Dezember lies die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Modernisierung der Mehrwertsteuer für den grenzübergreifenden elektronischen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) erarbeiten.

Die Reform sieht vor, Mehrwertsteuer-Regeln für den Online-Handel zu erleichtern und Steuerverluste der Mitgliedstaaten zu senken. Dieser zunächst begrüßenswerte Ansatz wird Gegenstand weiterer Diskussionen mit den EU-Gesetzgebern werden. Als Mitglied der von der Kommission einberufenen Umsatzsteuer-Expertengruppe („VAT Expert Group) wird sich DER MITTELSTANDSVERBUND auch 2017 rege an der Diskussion im Sinne des kooperierenden Mittelstandes beteiligen.

Fazit

Die Pläne der EU für das Jahr 2017 sehen auch für den kooperierenden Mittelstand zahlreiche Veränderungen und Entwicklungen vor. Spannend bleibt, welche Entscheidungen die EU-Gesetzgeber im kommenden Jahr auf den Weg bringen werden.

„Grundsätzlich wird es darum gehen, die richtige Balance zwischen den Interessen von Verbrauchern und der Wirtschaft zu finden“, erklärt EU-Experte Geier. Viele Maßnahmen seien oftmals nur vordergründig verbraucherfeindlich.

Kritik übt DER MITTELSTANDSVERBUND am europäischen Gesetzgeber im Umgang mit den Digitalisierungsprozessen in Verbundgruppen. „Die Institutionen scheinen noch nicht die Relevanz dieses Themas für die Mittelstandskooperationen verstanden zu haben“, so Geier. Es bestehe viel Nachholbedarf am alten Projekt „Binnenmarkt“, bevor ein einheitlicher, digitaler Raum geschaffen werden könne.

Seite drucken

Zurück zur Übersicht