Energielabel: Brüssel ist sich uneinig

Weitere Mehrbelastungen durch das neue Energielabel sind für den Handel vorerst nicht zu erwarten. Das zeigt ein Bericht des Europäischen Parlaments. DER MITTELSTANDSVERBUND sieht dennoch Handlungsbedarf.

Berlin, 14.06.2016 – Wie viel Bürokratie erwartet den kooperierenden Mittelstand bei neuen Energiekennzeichnungspflichten aus Brüssel? Wie lange haben Händler Zeit, das Energielabel auf Produkten zu ändern? Mit diesen Fragen hat sich der Ausschuss für Industrie und Forschung des Europäischen Parlaments (ITRE) in seinem Bericht zur Energiekennzeichnungspflicht am 14. Juni in Brüssel beschäftigt. Bereits im Vorfeld der Abstimmung zeichneten sich einige Kontroversen zum Thema ab. Viele der von der Europäischen Kommission ursprünglich vorgeschlagenen Mehrbelastungen für den Handel konnten in der jetzigen Abstimmung abgewendet werden - vorerst zumindest.

Hintergrund

Die bisherige Kennzeichnung der Energieeffizienz auf Produkten ist unzureichend und bildet nicht den technischen Fortschritt ab. Der Verbraucher hat deshalbkeine klare Entscheidungsgrundlage für den Kauf energierelevanter Produkte, so der Ansatz der Europäischen Kommission. Sie hatte bereits im letzten Jahr den Vorschlag zur Überarbeitung der bestehenden Regeln zur Energieeffizienz-Kennzeichnung vorgestellt.

Nach diesem Vorschlag sollen alle bestehenden Energieeffizienz-Kennzeichnungen erneuert werden. Besonders hat es die Kommission auf das Energielabel abgesehen. Das Label, dass in einigen Produktklassen bereits eine Skalierung bis A+++ erreicht hat, soll nach dem Willen der Kommission wieder auf eine Skala von A bis G zurückgeführt werden.

Für den Einzelhandel heißt das: Wenn die Energieeffizienzklassen einmal neu festgelegt wurden, müssen Produkte mit einem alten Label neu etikettiert werden – jedes Einzelne und im Zweifel händisch. Für diesen Austausch plant die Kommission in ihrem Vorschlag eine Frist von einer Woche.

Kommission nimmt Händler unrechtmäßig in die Pflicht

Hier hatte sich DER MITTELSTANDSVERBUND bereits im Vorfeld skeptisch gezeigt. Der Verband setzte sich in zahlreichen Gesprächen mit Europaabgeordneten für eine längere Frist ein. Da viele Einzelhändler nicht in der Lage sind, innerhalb des kurzen Zeitraums Produkte umzulabeln, würden die Unternehmen vor die Wahl gestellt, entweder das Produkt aus dem Verkauf zu nehmen, oder das Produkt unrechtmäßig weiter zu veräußern. Bei der in Deutschland bestehenden Abmahnmentalität wäre letzteres allerdings keine echte Option.

Auch auf die Verschiebung der Pflichten von den Herstellern auf die Händler wies DER MITTELSTANDSVERBUND in seinen Gesprächen mehrfach hin. Eigentlich sind Hersteller als In-Verkehr-Bringer eines Produkts auch für dessen Verkehrsfähigkeit verantwortlich. Mit den jetzigen Vorschlägen hingegen wird der Händler nunmehr voll in die Verantwortung des Aufbringens eines richtigen Labels genommen.

Was bringt der Bericht des Europaparlaments?

In seinem Bericht sieht der Industrie- und Forschungsausschuss einige Verbesserungen gegenüber der Kommission vor. So stellt der Bericht zunächst klar, dass Hersteller verpflichtet sind, auf Anforderung der Händler ein physisches Label zu liefern. Die Lieferung dieser Labels muss dann innerhalb von fünf Tagen, gerechnet ab der Anfrage, erfolgen. Der Kommissionsentwurf sah noch vor, dass Hersteller bezüglich des Energie-Labels auch auf Datenbanken oder ihre Internetpräsenz verweisen dürfen.

DER MITTELSTANDSVERBUND hatte sich klar gegen eine solche Vorgehensweise ausgesprochen. „Hersteller verweisen Händler nach aktueller Rechtslage schon heute darauf, sich das Label selber auszudrucken“, erklärt Tim Geier, MITTELSTANDSVERBUND-Büroleiter in Brüssel. Das habe in der Vergangenheit zu einer Vielzahl von Abmahnungen geführt, sollte dieses Label entweder zu klein ausgedruckt worden sein oder in einer falschen Farbe. „Wichtig war daher, im Sinne des kooperierenden Mittelstands, für eine praxistaugliche Lösung einzustehen“, so Geier. Nur so könne gewährleistet werden, dass die neuen Regeln auch für die Händler einen Mehrwert beinhalten.

Drei Wochen Zeit zum umlabeln

Die Händler sollen nach dem Willen der Europaabgeordneten drei Wochen Zeit haben, die neuen Labels anzubringen. Zudem enthält der Bericht eine Klarstellung, dass Produkte, deren Hersteller aus dem Markt ausgetreten sind, kein neues Label erhalten müssen. Der Kommissionsvorschlag hatte diesen Fall glatt übersehen, sodass DER MITTELSTANDSVERBUND auf diesen Missstand hinweisen musste. Nur so bleiben diese Produkte weiterhin verkehrsfähig und müssen nicht abgeschrieben werden.

Ein Wehrmutstropfen bleiben hingegen die Regelungen über die Energiekennzeichung in der Werbung. Zwar ist auch aus Sicht des Parlaments ein Hinweis auf Energieeffizienzklassen in jeglicher Art von Werbung sinnvoll. Ein solcher Hinweis kann jedoch bei einer Radiowerbung unterbleiben – anders als dies die Kommission vorgeschlagen hat.

Fazit

Der Bericht bleibt hinter den Erwartungen des MITTELSTANDSVERBUNDES zurück. "Vor allem mittelständische Kooperationen werden Mehrbelastungen durch die neuen Regeln erfahren", warnt Geier. Verloren ist aber noch nichts. Anders als vorgesehen, wird der Bericht im Plenum des Parlaments abgestimmt werden.

Normalerweise stellt der Bericht bereits das Mandat für die Verhandlungen mit dem Ministerrat der EU dar. Da das Thema „Energiekennzeichnung“ aber bei vielen Europaabgeordneten weiterhin für Diskussion sorgt, soll das Mandat erst nach einer Klärung im EP-Plenum erteilt werden. DER MITTELSTANDSVERBUND wird sich deshalb weiterhin für eine Eindämmung der geplanten Händlerpflichten einsetzen.

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