EU: Nun will auch das Parlament eine neue Umsatzsteuer

Das europäische Umsatzsteuersystem soll sich ändern. Nun hat sich auch das Europäische Parlament eingeschaltet. DER MITTELSTANDSVERBUND sieht weiterhin Verbesserungsbedarf.

Brüssel, 01.06.2016 – Nachdem bereits die Europäische Kommission ihre Pläne für eine Überarbeitung des Umsatzsteuersystems vorgestellt hat, mischt sich nun auch das Europäische Parlament in die Diskussion ein. Federführend für die Antwort des Parlaments auf den Kommissionsvorschlag ist hier der Europaabgeordnete Werner Langen, der als Berichterstatter im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) tätig ist.

Zum Hintergrund

Das System der Umsatzsteuer, so wie wir es kennen, besteht seit 1993. Damals einigten sich die Mitgliedstaaten auf einen Minimalkonsens. So wurden Mindestsätze für den normalen und reduzierten Mehrwertsteuersatz festgelegt. Alles andere wurde jedoch weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen. So finden wir im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen. Reduzierte und normale Mehrwertsteuersätze werden von den Mitgliedstaaten auf unterschiedlichen Produktgruppen angewendet.

Ein Unternehmer hat damit bereits alle Mühen, herauszufinden, welcher Steuersatz maßgeblich ist. Weiterhin ist in vielen Fällen unklar, ob die Steuer dem Herkunftsland des Unternehmers oder dem seines Vertragspartners zusteht. Hier besteht ein bunter Flickenteppich an Regeln und Ausnahmen, die je nach Verkaufskanal oder Warenwert unterschiedliche Konsequenzen auslösen.

DER MITTELSTANDSVERBUND hatte daher bereits seit langer Zeit eine Vereinfachung der Regeln gefordert. Dabei stellt der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes nicht auf die Höhe der Sätze, sondern vielmehr auf eine einfache Handhabung ab. Wenn Waren verkauft werden, spielt die Höhe der Umsatzsteuer zunächst eine sekundäre Rolle. Für den Unternehmer ist in erster Linie wichtig, welche Sätze er anzuwenden und bei welcher nationalen Steuerbehörde er zu deklarieren und abzuführen hat.

Kommission legt Aktionsplan vor

Die Kommission hat daraufhin den Aktionsplan für die Modernisierung des Umsatzsteuersystems vorgelegt. Demnach sieht der Plan vor, die Steuersysteme mit einer Reihe von Möglichkeiten zukünftig effizienter und unbürokratischer zu gestalten. Bis Ende 2017 sollen dann konkrete Maßnahmen folgen.

Nun hat sich auch das Europäische Parlament in die Diskussion eingeschalten. Der Europaabgeordnete Werner Langen äußerte sich im Ausschuss für Wirtschaft und Währung zu den Plänen der Kommission in seinem Berichtsentwurf. Sein Credo: das System ist veraltet und bedarf einer grundlegenden Neuerung, um Bürokratielasten gerade für den Mittelstand zu verringern. Soweit durchaus zustimmungsbedürftig.

Langen fordert einheitliche Mehrwertsteuersätze

EU-Abgeordneter Werner LangenWas folgt, sind Ausführungen zu der genauen Ausgestaltung eines zukünftigen Systems der Umsatzsteuer. Allen voran stellt Langen die Forderung nach einer uneingeschränkten Anwendung des Bestimmungslands-Prinzip. Demnach soll also der Mehrwertsteuersatz des Bestimmungslands einheitlich – unabhängig davon, ob Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht werden – angewandt werden.

Um Unternehmern die Bestimmung des geltenden Satzes zu erleichtern, sollte eine abschließende und begrenzte Liste an Waren und Dienstleistungen, auf die der reduzierte Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist, erstellt werden. Dies geht bereits in die Richtung, die auch DER MITTELSTANDSVERBUND in einem Gespräch mit dem Europaabgeordneten vorgestellt hat. Dennoch macht der Berichterstatter keine qualitativen oder quantitativen Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung einer solchen Liste. Hier wünscht sich der Spitzenverband mehr Mut. Denn nur mit klaren Vorgaben kann ein Informationssystem entstehen, welches Unternehmern wirklich hilft.

Digitale Umsatzsteuer

In diese Richtung geht vielleicht eine weitere Forderung im Berichtsentwurf. Nach den Vorstellungen des Berichterstatters soll nämlich ein Internetportal erstellt werden, welches die Bestimmung des geltenden Mehrwertsteuersatzes – und systems klar ermöglicht. Das ist zwar nur als Zwischenlösung angedacht. Ein zentrales Online-Portal mit einfacher Suchmaske wäre in Zeiten der Digitalisierung aber wahrscheinlich der gangbarste und einfachste Weg.

Wichtig ist weiterhin die Forderung nach einer einheitlichen Anlaufstelle für die Registrierung und Abführung der Mehrwertsteuer. Diese sollte im besten Fall im Herkunftsstaat des Unternehmers gelegen sein, um eine wirkliche Entlastung darzustellen. Hierfür wäre jedoch eine engere Zusammenarbeit der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten notwendig. Offen lässt der Berichterstatter zudem die dafür notwendigen Kenntnisse der Finanzbeamten. Diese müssten danach in den Steuerrechten aller Mitgliedstaaten „fit“ sein. Dies mag zwar nach Zukunftsmusik klingen, wäre jedoch eine Grundvoraussetzung für eine wirkliche Entlastung der Unternehmen, die dann alle Transaktionen über die Steuerbehörde ihres Herkunftsstaates abwickeln könnten.

Parlament widerspricht Kommissionsplänen

Die wohl größte Unruhe stiftet der Ausschuss allerdings beim Thema Erhebungsverfahren. Während die Kommission das Quellenbesteuerungsverfahren auch für den innergemeinschaftlichen Bereich ausweiten will, plädiert der Berichtsentwurf für das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren. Demnach würden Unternehmen die Umsatzsteuer nur dann einziehen, wenn der Abnehmer nicht umsatzsteuerpflichtig, also zum Beispiel ein Verbraucher, ist. Seine Vorschläge begründet der Ausschuss in seinem Papier damit, dass mit dem Reverse-Charge-Verfahren potentiellem Missbrauch sowie Steuerausfällen bei Insolvenzen vorgebeugt werden könne. In der Tat findet das Reverse-Charge-Verfahren zu diesem Zweck in Einzelfällen auch bei Inlandssachverhalten Anwendung.

Inwieweit die allgemeine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens das Steueraufkommen besser sichern könnte und noch dazu die Bürokratie vereinfacht, bleibt der Berichtsentwurf schuldig. Denn wie soll ein Verkäufer verlässlich ermitteln, ob der tatsächliche Erwerber ein Unternehmer oder ein Verbraucher ist? Vor allem im innereuropäischen Geschäftsverkehr ergaben sich bei dieser Fragestellung bereits heute umfangreiche Möglichkeiten zur Steuerverkürzung. In jedem Fall ist also eine Kooperation der nationalen Steuerverwaltungen, wie von der Kommission ausdrücklich gefordert, unerlässlich. Andernfalls können bei beiden Erhebungsverfahren Wettbewerbsverzerrungen auftreten. Wie eine solche Zusammenarbeit aus Sicht des Ausschusses aussehen soll, lässt der Bericht allerdings offen.

MITTELSTANDSVERBUND sieht weiter Diskussionsbedarf

Alles in allem greift der Berichtsentwurf viele gute Aspekte auf, die DER MITTELSTANDSVERBUND bereits gefordert hat. Verbesserungsbedürftig ist das Papier vor allem in der konkreten Ausgestaltung der Vorschläge. Der Spitzenverbandwird sich daher weiter für praxisnahe Lösungen im Sinne des kooperierenden Mittelstandes einsetzen.

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