EU-Ratspräsidentschaft wechselt in die Niederlande

Seit dem 1. Januar hat die niederländische Regierung die halbjährliche EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Die Impulse, die in den nächsten sechs Monaten gesetzt werden sollen, sind aber eher mager.

Brüssel, 15.01.2016 — Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union, auch Ministerrat genannt, rotiert in fortlaufender Reihenfolge alle sechs Monate zwischen den EU-Mitgliedsländern. Während dem Halbjahr leitet der Vorsitz die Sitzungen und Tagungen auf allen Ebenen des Rates. Seit dem 1. Januar sitzen die Vertreter der niederländischen Regierung ein halbes Jahr lang dem Rat der Europäischen Union vor. Doch das Programm verspricht wenig Impulse. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert, was für den kooperierenden Mittelstand wichtig ist.

Rats-Trio Niederlande, Slowakai und Malta

Die Mitgliedstaaten, die den Vorsitz innehaben, arbeiten in Dreiergruppen als sogenannter Dreiervorsitz eng zusammen. Grundlage dieser Zusammenarbeit ist der 2009 geschlossene Vertrag von Lissabon. Der Dreiervorsitz formuliert langfristige Ziele und erarbeitet ein gemeinsames Programm mit den Themen und den wichtigsten Fragen, mit denen sich der Rat in den betreffenden 18 Monaten befassen wird. Auf der Basis dieser Vereinbarung stellt jedes der drei Länder sein eigenes sechsmonatiges Programm auf.

Der aktuelle Dreiervorsitz besteht aus dem niederländischen, dem slowakischen und dem maltesischen Vorsitz.

Die Niederländer

Den Anfang der aktuellen Dreiergruppe übernehmen die Niederländer. Welche EU-Projekte in den kommenden sechs Monaten besonders vorangetrieben werden sollen, stellt das nunmehr veröffentlichte Arbeitsprogramm der niederländischen Ratspräsidentschaft dar.

Das Arbeitsprogramm orientiert sich vor allem an der von der Europäischen Kommission gesetzten Agenda und kann verkürzt mit folgenden Punkten abgehandelt werden:

  • Wie nach der Doktrin des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker soll sich die EU auf das Wesentliche konzentrieren und Fragen, die besser auf nationaler Ebene geregelt werden sollten, den Mitgliedstaaten überlassen.
  • Zudem wird sich die niederländische Ratspräsidentschaft an den Hauptzielen der neuen Kommission orientieren – der Schaffung von Wachstum und Arbeit.
  • Außerdem soll ein engerer Dialog mit der Zivilgesellschaft aufgebaut werden.
Neben diesen Punkten strebt die niederländische Ratspräsidentschaft vor allem Aktivitäten im Bereich Arbeitnehmermobilität an. Hauptzielsetzung soll vor allem die Schaffung gleicher sozialer und arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen in allen Mitgliedstaaten sein. Damit greifen die Niederländer Ankündigungen der Europäischen Kommission auf.

Auch wenn die Mobilität von Arbeitnehmern kein Kernthema für den kooperierenden Mittelstand ist, könnten die dort besprochenen Themen auch Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt haben. Letztendlich möchte die Kommission vermeiden, dass die Mitgliedstaaten in Sachen Arbeitnehmerbedingungen in einen "Wettlauf nach unten" geraten. Deshalb soll verhindert werden, dass die Länder ihre Sozialstandards senken, um als Standort wettbewerbsfähiger als andere Mitgliedstaaten zu sein. Da Deutschland einen durchaus hohen sozialen Standard hat und auch der kooperierende Mittelstand an einer fairen und gerechten Behandlung von Arbeitnehmern mitwirkt, sollten diese Standards in keinem Fall unterschritten werden. Andernfalls könnte ein weitestgehend einheitlicher Standard dazu beitragen, Deutschland als Standort attraktiver zu machen.

Weit aus interessanter ist hingegen das Programm, auf das sich das Rats-Trio Niederlande, Slowakei und Malta für die kommenden 18 Monate geeinigt haben.

KMU in den Vordergrund stellen

"Die Förderung eines für KMU günstigen Klimas hilft der Union auch dabei, die Potenziale für weiteres Wachstum und mehr Arbeitsplätze zu erschließen", heißt es im Arbeitsprogramm der Dreier-Ratspräsidentschaft.  Das Vorhaben klingt vielversprechend. Aber welche konkreten Vorhaben sollen hier umgesetzt werden?

Wie auch vom MITTELSTANDSVERBUND in vielen Positionen gefordert, sollen Verwaltungslasten abgebaut werden. Hier prüft die Europäische Kommission bereits seit zwei Jahren systematisch jeden EU-Rechtsakt auf den möglichen Abbau bürokratischer Kosten hin. Bereits im letzten Jahr konnten dadurch einige Vorschriften zurückgenommen werden. Das Vorgehen wird auch in diesem Jahr fortgesetzt.

Abzuwarten bleibt aber, was die angekündigte "Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen" bedeuten soll.

Steuern steuern

Interessant ist, dass das Rats-Trio auch auf eine niedrigere Besteuerung des Faktors Arbeit hinarbeiten möchte. Wie das ausgestaltet sein soll, bleibt offen. Sicherlich könnte eine Angleichung der Steuersätze zu einer Veränderung des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten beitragen. Welchen Erfolg das verspricht, ist allerdings fraglich, da die Mitgliedsstaaten im Rat in Steuerfragen einstimmig handeln müssen. Da einige Länder niedrige Steuersätze als Modell zur Verbesserung der Attraktivität des eigenen Standorts entdeckt haben, wird es schwierig sein, die entsprechenden Mehrheiten im Rat zu organisieren.

Entschlossen will das Trio auch weiter gegen Steuerdumping einiger EU-Staaten vorgehen. Auch hier stellt sich die gleiche Frage nach den Erfolgsaussichten eines solchen Projektes. Gerade in diesem Bereich kann der Ministerrat auch auf die Unterstützung des MITTELSTANDSVERBUNDES zählen. Der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes setzt sich seit Jahren gegen eine vorlaufende Verzerrung des Wettbewerbs im EU-Binnenmarkt ein.

Innovationsförderung

Ein weiterer Punkt auf der Agenda der Dreiergruppe wird auch die Innovationsförderung von Unternehmen sein. Die bestehenden vielfältigen Fördermöglichkeiten von Unternehmen sollen erweitert werden. Außerdem soll auch die Kooperation von Wirtschaft und Forschung vorangetrieben werden.

Der Grundgedanke eines Ausbaus der Fördermöglichkeiten für Unternehmen ist zunächst zu begrüßen. Wie DER MITTELSTANDSVERBUND jedoch jüngst festgestellt hat, ist nur ein kleiner Teil der mittelständischen Kooperationen an der Produktion von Produkten - als Hauptfokus europäischer aber auch nationaler Fördertätigkeit - involviert. Die "klassische" Sichtweise auf die Förderfähigkeit mittelständischer Kooperationen greift daher zu kurz. Vielmehr sollte der Begriff "Innovation" auch auf die Optimierung unternehmensinterner Prozesse ausgeweitet werden, sodass Förderungen in diesem Bereich möglich bzw. einfacher würden.

Positiv zu bewerten ist jedoch der Ansatz des Rats-Trios, für einen klaren, berechenbaren und stabilen Regelungsrahmen für Investitionen auf europäischer und nationaler Ebene vor allem für langfristige Investitionsprojekte sorgen zu wollen.

Fazit

"Die Ankündigungen sind insgesamt kein großer Wurf. Vielmehr arbeitet er sich an den Programmen der Kommission ab", bewertet Tim Geier, MITTELSTANDSVERBUND-Büroleiter in Brüssel das Vorhaben des Rats-Trios. Das magere Programm sei nicht verwunderlich, schließlich könne der Ministerrat nicht als Initiator neuer Gesetzgebungen agieren. Dennoch interessant dürfte werden, wie die drei Mitgliedstaaten auf die Diskussion zur Steuergerechtigkeit Einfluss nehmen werden.

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