EU stoppt PKW-Maut: Dobrindt verschiebt Projekt

Die EU-Kommission hält die PKW-Maut für Ausländer für unvereinbar mit EU-Recht. Deswegen hat sie am 18. Juni ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Verkehrsminister Dobrindt hat den Start erst einmal verschoben.

Brüssel, 18.06.2015 — "Eine Straßennutzungsgebühr ist nur dann EU-rechtskonform, wenn sie nicht auf Grund der Staatsangehörigkeit diskriminiert. Wir haben erhebliche Zweifel, ob die einschlägigen deutschen Gesetze diesem Grundsatz entsprechen. Deshalb sind wir umgehend tätig geworden und räumen diese Zweifel im Interesse der EU-Bürger im Vertragsverletzungsverfahren aus". Mit diesen Worten kommentierte Verkehrskommissarin, Violetta Bulc die Entscheidung der EU- Kommission, gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Mit diesem scharfen Schwert kann die "Hüterin der Verträge" Mitgliedstaaten dazu zwingen, EU-Recht einzuhalten.

Vorwurf: PKW-Maut verstößt gegen EU-Recht

Gegenstand des Verfahrens sind das Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen sowie das zweite Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes und des Versicherungssteuergesetzes, die am 11. Juni im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden. Beide Gesetze sollen gegen Europarecht verstoßen.

Nach dem Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe sollen ab Januar 2016 Halter von im Inland und im Ausland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen eine Infrastrukturabgabe für die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen entrichten.

Halter von in Deutschland Kfz-pflichtigen Pkw müssen dabei eine Jahresvignette erwerben. Der Preis bestimmt sich für Pkw nach dem Hubraum und den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge. Die Erhebung der Infrastrukturabgabe erfolgt mittels einer elektronischen Vignette (E-Vignette).
Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw und Wohnmobilen sind lediglich bei der Nutzung von Bundesautobahnen abgabenpflichtig. Sie können eine Vignette für 10 Tage, zwei Monate und ein Jahr erwerben. Diese soll online buchbar oder an deutschen Tankstellen erhältlich sein.

EU-Kommission: Gebühren für Ausländer sind unzulässig

Bereits an der Rechtmäßigkeit dieses Teils der Regelungen hat die Kommission erhebliche Zweifel. Zwar befürwortet sie grundsätzlich die Einführung von Straßennutzungsgebühren in den EU-Mitgliedstaaten. Diese sollen aber im Verhältnis zu der Intensität der Nutzung stehen. Die festzulegenden Gebühren sollen sich an der zurückgelegten Entfernung bemessen. Es ist fraglich, ob dem Prinzip einer pauschalen Gebühr, die in den Schritten 10, 60 und 365 berechnet wird, Rechnung getragen wird.

Auch der zweite Teil des Gesetzespakets ist Bulc ein Dorn im Auge: Nach § 9 des geänderten Kraftfahrzeugsteuergesetzes soll die steuerliche Belastung deutscher Pkw-halter um den Betrag der anfallenden Maut-Gebühr gesenkt werden. Da nur die Halter deutscher Pkw von dieser Vergünstigung profitieren würden, sieht die Verkehrskommissarin eine indirekte Diskriminierung in dieser Regelung.

Dobrindt legt Projekt auf Eis

Zwei Monate hat die Bundesregierung Zeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Wird der Vorwurf der EU-Kommission nicht ausgeräumt, landet die PKW-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Für Deutschland könnte es aus diesem Grund schnell sehr teuer werden, sollte an dem Vorhaben einer PKW-Maut festgehalten werden.

Obwohl er sich zunächst unbeeindruckt zeigte, beugte sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt am 18. Juni dem Druck aus Brüssel – und zog seine PKW-Maut vorläufig zurück. Konkret starten soll diese nun erst nach einem positiven Urteil des EuGH. Auf der Pressekonferenz zeigte er sich dennoch kämpferisch: "Wir werden unser gutes Recht gegen Brüssel verteidigen."

MITTELSTANDSVERBUND lehnt Maut ab

Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES ist die beschlossene PKW-Maut völlig ungeeignet, den bestehenden Investitionsstau im Verkehrsinfrastrukturbereich aufzulösen. Allein der Finanzbedarf für die notwendige Sanierung der Verkehrsinfrastruktur beläuft sich auf über sieben Mrd. Euro jährlich.

Der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes schlägt stattdessen vor, das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag in Form eines "Infrastrukturzuschlags" befristet für 15 Jahre für die gesamte Infrastrukturfinanzierung einzusetzen. So würde pro Jahr eine Summe von 15 Mrd. Euro für die Infrastruktur zur Verfügung stehen.

Weitere Informationen:

Soli befristet für Infrastrukturfinanzierung nutzen
MITTELSTANDSVERBUND lehnt PKW-Maut ab
Download: Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen
Download: Zweites Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes und des Versicherungssteuergesetzes

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