EU: Warum es für Unternehmer auf die AGB ankommt

Bei einem Rechtsstreit sind die AGBs entscheidend – gerade in Europa. Doch wie müssen die Bedingungen grenzüberschreitend formuliert sein? Das hat sich auch der Europäische Gerichtshof gefragt.

Brüssel, 03.08.2016 - Der Verkauf von Waren an Verbraucher im EU-Ausland gehört heute zum alltäglichen Geschäft. Aber welches Recht ist hier gültig? Die Rechtslage lässt das bisher ungeklärt: Das Recht des Verbraucher-Mitgliedstaats, das Recht des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer sitzt oder ein ganz anderes Recht? Und welche Rolle spielen dabei die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)?

Das hat sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) gefragt. In seiner jüngsten Entscheidung beschäftigt er sich deshalb mit der Frage, ob AGB-Klauseln, die in grenzüberschreitenden Sachverhalten die Wahl des anzuwendenden Rechts bestimmen, zulässig sind.

Die Sachlage

Bereits mit der Verordnung aus dem Jahre 2008 – der sogenannten Rom-I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008) hatte der Europäische Gesetzgeber versucht, Klarheit in dieser Sache zu schaffen – mit mäßigen Erfolg, wie der der EuGH- Entscheidung zugrunde liegende Fall bestätigt. Die Rom-I-Verordnung bestimmt, dass das anzuwendende Recht zwischen Vertragsparteien grundsätzlich frei wählbar ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Vertragspartner ein Verbraucher ist. In diesem Fall bestimmt die Rom-I-Verordnung, dass das Recht des Mitgliedstaates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Doch wie gießt man diese Rechtslage in eine wirksame AGB-Klausel?

Der Fall Amazon

Im Ausgangsfall ging es um die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon im Verhältnis zum österreichischen Markt. Der Online-Versandhändler bestimmte in seinen AGBs, dass ausschließlich luxemburgisches Recht zur Anwendung kommt. Gegen diese Klausel wandte sich ein in Österreich ansässiger Verbraucherverband. Die Streitigkeit ging über zwei Instanzen. Das mit der Sache zuletzt befasste Gericht rief schließlich den EuGH mit der Frage an, ob eine Klausel im oben beschriebenen Sinne missbräuchlich ist und zu deren Unwirksamkeit führt.

Der EuGH bestätigte nunmehr in seinem Urteil (vom 28.07.2016, Az. C-191/15), dass in Verbraucherverträgen zwingend das Recht des Mitgliedstaates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher ansässig ist. Klauseln, die dem Verbraucher einen solchen Schutz verwehren, sind grundsätzlich missbräuchlich und damit unwirksam. Es gehe vor allem darum, dem Verbraucher nicht den Schutz zu entziehen, dem ihn die Rechtsordnung seines Mitgliedstaates zusichert. Weiterhin seien Vertragsklausel so zu formulieren, dass sie klar und verständlich für den Verbraucher sind. Dieser habe im Allgemeinen einen geringen Informationsstand. Diese Tatsache müsse bei der Auslegung der entsprechenden Rechtsvorschriften berücksichtigt werden.

Ein rechtssicherer Formulierungsvorschlag bleibt aber aus. Das liegt vor allem an der begrenzten Kompetenz des EuGH, der nur über Auslegungsfragen der europäischen Gesetzgebung entscheiden darf.

Auf die AGBs kommt es an

Die Rechtslage lässt also weiter offen, wie und in welchem Umfang Rechtswahlklauseln wirksam zwischen Verbrauchern und Unternehmern vereinbart werden können. „Rechtswahlvereinbarungen dürfen im Ergebnis getroffen werden. Die Unternehmen müssen aber darauf achten, dass das Verbraucherrecht des Verbraucher-Mitgliedstaates zwingend berücksichtigt werden muss“, erklärt Tim Geier, der das MITTELSTANDSVERBUND-Büro in Brüssel leitet. „Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen daher genau geprüft werden“, so Geier. Es sei davon auszugehen, dass es weitere Rechtsstreitigkeiten geben wird, wie die Vereinbarungen zwischen Verbraucher und Unternehmer wirksam getroffen werden können.

DER MITTELSTANDSVERBUND kennt die Probleme der AGB-Formulierung. „Unternehmen sind personell oft schmal aufgestellt“, so der Europaexperte des Verbandes. „Oft ist es deshalb nicht möglich, die Rechtslage umfänglich zu kennen“. Um seinen Mitgliedern dennoch Rechtsstreitigkeiten zu ersparen, unterstützt der Spitzenverband mit seinem Anwaltsnetz interessierte Verbundgruppen bei der Erstellung neuer Allgemeiner Geschäftsbedingungen.

Europaweiter Handel? Fehlanzeige!

Insgesamt besteht für viele Händler dennoch kein besonderer Anreiz, ihren Tätigkeitsbereich in andere Mitgliedstaaten auszuweiten – auch wenn dies im Zuge der Erweiterung der Omni-Channel Konzepte vieler Verbundgruppen durchaus sinnvoll erscheint. „Die Abgleichung der Händler-AGB mit allen 28 Verbraucherrechten in der EU ist oftmals zu aufwendig und mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden“, so Geier. Es bleibt bei der langjährigen Feststellung, dass die unterschiedlichen Verbraucherrechte der EU-Mitgliedstaaten weiterhin eines der Haupthindernisse im Europäischen Binnenmarkt bleiben.

DER MITTELSTANDSVERBUND kritisiert deshalb die im letzten Jahr vorgestellten Pläne der Europäischen Kommission. Die Pläne sehen vor, die Verbraucherrechte weiter anzugleichen. „Das greift zu kurz“, mahnt Geier. „Wichtige Regelungen, wie z.B. die der Warensicherungsrechte, fehlen weiterhin in den Plänen der Kommission“. Es bleibt abzuwarten, wie die Kommission die Hindernisse im Europäischen Binnenmarkt abbauen wird.

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