EuGH zur Rücknahme von EU-Rechtsakten

Als der Präsident der EU-Kommission sein Amt antrat, sollte alles anders, alles besser werden. Besonders die Rechtsetzung will Jean-Claude Juncker verbessern. Welche Voraussetzungen er dabei zu beachten hat, hat der Europäische Gerichtshof geklärt.

Brüssel, 11.05.2015 — Schaut man sich das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das Jahr 2015 an, fällt sofort auf, dass nach der Vorstellung Junckers mehr europäische Rechtsakte zurückgenommen als neu vorgestellt werden sollen. Die Kommission ging dabei stets davon aus, auch eine entsprechende Kompetenz zu besitzen.

Im vorliegenden Fall ging es um die Rücknahme eines Gesetzesvorschlags (Verordnung über allgemeine Bestimmungen über Makrofinanzhilfen), der seit mehr als zwei Jahren im Trilogverfahren hing. In den Verhandlungen misslang der Kommission der Versuch eines Kompromisses, sodass sie den Rechtsakt durch Beschluss zurücknahm.

Gegen den Rücknahmebeschluss haben sich der Rat sowie mehrere Mitgliedstaaten (D, CZ, Es, F, It, NL, UK, Sl, Fi, SE) gewandt.

Die Kläger bemängelten, dass der Beschluss den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 13 EUV), dem Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts (Art. 13 EUV) sowie der Begründungspflicht der Kommission aus Art. 296 II AEUV widerspreche.

Insbesondere sei der Rat über das Vorhaben nicht ausreichend informiert worden. Die grundsätzliche Möglichkeit der Kommission, "hängende" Rechtsakte zurückzunehmen, komme zudem nach Auffassung der Kläger einem faktischen Vetorecht der Kommission gleich.

In seinem Urteil stellt der EuGH zunächst fest, dass ein Rücknahmebeschluss der Europäischen Kommission durch Rat und EP vor dem EuGH anfechtbar ist.

Es ist zudem das Recht der Kommission, ihren Vorschlag zu ändern und bei Bedarf auch zurückzunehmen, solange kein Beschluss des Rats ergangen ist.

Ob eine Rücknahme im Einzelfall zulässig ist, bemisst sich nach folgenden Kriterien:
  • Hat die Kommission ihren Willen, einen Rechtsakt zurückzunehmen, ausreichend gegenüber Rat und EP kommuniziert?
  • Sind diese Gründe ausreichend, um eine Rücknahme zu rechtfertigen? Ein grundsätzliches Vetorecht der Kommission verneint auch der EuGH. Ein Rücknahmerecht der Kommission besteht, wenn die durch Rat und EP beabsichtigten Änderungen den Vorschlag in einer Weise verfälscht, die der Verwirklichung der mit ihm verfolgen Ziele entgegensteht und ihm deshalb die Daseinsberechtigung nimmt.
  • Wurden die Bedenken von Rat und EP ausreichend in dem Entscheidungsprozess der Kommission berücksichtigt?
Der EuGH sah die Voraussetzungen im vorliegenden Fall als erfüllt an und wies die Klage der Mitgliedstaaten aus diesem Grund ab.

Das vorliegende Urteil ist zweischneidig. Auf der einen Seite stützt der EuGH das Vorgehen der Kommission, Rechtskate zurückzunehmen, die in den interinstitutionellen Verhandlungen keine Aussicht auf Erfolg haben. Auf der anderen Seite wird der Ermessenspielraum der Kommission eingeschränkt. Welche Auswirkungen diese Entscheidung in der Praxis haben wird, hängt auch von dem zukünftigen Verhalten der beiden anderen Institutionen ab, gegen Rücknahmeentscheidungen der Kommission vorzugehen.


Weitere Informationen:

Juncker ist neuer EU-Kommissionschef
REFIT: EU-Kommission baut Bürokratie ab

Seite drucken

Ansprechpartner

Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht