Investitionsschutz in TTIP: Fair und gerecht?

Kaum ein anderer Aspekt wurde bei der Diskussion über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) so heftig diskutiert wie der geplante Investitionsschutz. Der Rat der EU hat der EU-Kommission deswegen beauftragt, auch diese Verhandlungen zu führen.

Brüssel, 19.11.2015 Bereits das Verhandlungsmandat der EU-Kommission für TTIP sah vor, dass Aspekte des Investitionsschutzes teil des Freihandelsabkommens werden sollten. Wie bereits in anderen Freihandelsabkommen geregelt, soll Unternehmen damit die Möglichkeit gegeben werden, durch staatliche Enteignung oder bei enteignungsgleichen Eingriffen Schadensersatz vor einem Schiedsgericht außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit des betroffenen Vertragsstaats geltend zu machen.

Wenn ein US-Unternehmen seine Investition gefährdet sieht, könnte damit die Möglichkeit bestehen, vor einem Schiedsgericht von einem EU-Mitgliedstaat Schadensersatz einzufordern. Dies hatte von Anfang an den delikaten Beigeschmack; weder war klar, welche Personen in ein solches Schiedsgericht eingesetzt werden können, noch, in welchen Fällen eine vermeintliche staatliche Enteignung gerechtfertigt sein könnte. In der darauf in 2014 entbrannte öffentlichen Diskussion befürchteten viele Beteiligte, dass staatliche Maßnahmen, die dem Schutz eines öffentlichen Gutes dienen, durch amerikanische Investoren angreifbar würden. Im schlimmsten Fall könnte dies zu einem Stillstand "risikobehafteter" Gesetzgebung kommen — so die Kritiker des Investitionsschutzes.

Daraufhin hatte die EU-Kommission dem Rat der EU im September einen neuen Vorschlag vorgestellt, wie ein Investitionsschutz interessengerecht ausgestaltet werden könnte.

Der Rat der EU hat diesem Vorschlag nunmehr mit einigen Änderungen zugestimmt. Die vorläufig auf Eis gelegten Verhandlungen zwischen EU und den USA über den Investitionsschutz in TTIP können damit wieder aufgenommen werden.

Staatliches Recht auf Regulierung

Zu beginn der Vorschriften über den Investitionsschutz soll klargestellt werden, dass Staaten auch für Investoren negative Maßnahmen ergreifen können, wenn diese zum Schutzes eines öffentlichen Gutes notwendig sind. Zu den schützenswerten Gütern zählen:

  • Öffentliche Gesundheit,
  • Umweltschutz,
  • Öffentliche Ordnung oder Sicherheit,
  • Schutz sozialer Interessen oder
  • Schutz der kulturellen Vielfalt.

Weiterhin wird im Verhandlungstext klargestellt, dass die Vorschriften zum Investitionsschutz in keinem Fall eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten darstellen sollen, ihre Rechtssysteme zukünftig investorenfreundlich zu gestalten.

Auch wenn beide Aspekte zum Grundverständnis des internationalen Handels gehören, ist die explizite Nennung wichtig, um unbegründete oder sogar böswillige Klagen von Investoren von vornherein auszuschließen.

Schutzbereich

Die geplanten Regeln sollen immer dann Anwendung finden, wenn ein Investor —gleich ob aus den USA oder einem EU-Mitgliedstaat — in dem Gebiet der jeweils anderen Vertragspartei eine Investition tätigt. Der Begriff "Investition" ist dabei sehr weit gefasst und kann die Niederlassung in einem anderen Land oder der Transfer von Werten dorthin umfassen.

Faire und gerechte Behandlung

Wie von der Kommission bereits vorgeschlagen, soll es bei dem Grundsatz einer fairen und gerechten Behandlung eines Investors durch den betroffenen Mitgliedstaat bleiben.

Danach soll ein Verstoß gegen den Grundsatz der fairen und gerechten Behandlung etwa in diesen Fällen vorliegen:

  • Verweigerung des rechtlichen Gehörs, unabhängig vom Rechtsweg (Strafrecht, öffentliches Recht, Zivilrecht),
  • Verstoß gegen allgemeine Verfahrensgrundsätze,
  • Willkür,
  • gezielte Diskriminierung,
  • unrechtmäßige Ausübung staatlichen Zwangs.

Dies entspricht dem Grundsatz des internationalen Handels, dass den Unternehmen einer Vertragspartei in dem jeweils anderen Hoheitsgebiet der gleiche Schutz zusteht, wie nationalen Unternehmen.

Enteignung

Enteignungen sollen nach dem neuen Verhandlungsmandat nur rechtmäßig sein, wenn sie:
  • einen öffentlichen Zweck verfolgen,
  • das entsprechende Verfahren eingehalten wurde,
  • nicht-diskriminierend erfolgte und
  • eine prompte und angemessene Entschädigung gezahlt wurde.

Die Entschädigung muss dem üblichen Marktwert zum Zeitpunkt der Enteignung entsprechen.

Das Schiedsverfahren

Fälle von unfairer oder ungerechterBehandlung sollen vor ein Schiedsgericht gebracht werden können. Anders, als noch im letzten Jahr diskutiert, soll ein festes Schiedsgericht über Investor-Staat-Streitigkeiten entscheiden müssen. Dieses soll durch Berufsrichter besetzt sein.

Richter können nur Personen werden, die eine entsprechende Befähigung zum Richteramt besitzen, Praxiserfahrungen in diesem Bereich nachweisen können und in völliger Unabhängigkeit agieren. Zusätzlich sieht das jetzige Verhandlungsmandat der Kommission ein festes Vergütungssystem der Berufsrichter vor. Die Richter sollen auf sechs Jahre bestellt werden.

Eine weitere Neuerung stellt auch die Zweiteilung des Schiedsgerichts in eine erste Instanz und eine Berufungsinstanz dar.

Die Richter sollen in beiden Kammern von den Vertragsparteien besetzt werden. Bei dem Gericht erster Instanz sollen die fünf Richter aus den USA, fünf aus der EU und fünf aus Drittstaaten kommen. Das Berufungsgericht soll mit sechs Richtern durch einen entsprechenden Verteilungsschlüssel besetzt werden.

Wie in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten sollen die Richter vorab auf eine gütliche Einigung hinwirken. Nur, wenn eine solche nicht gewollt oder gescheitert ist, soll in das Hauptverfahren eingestiegen werden. Wichtig hierbei: Ein Investor soll keine Klage einreichen können, wenn er bereits ein Verfahren bei einem anderen Gericht — gleichviel ob national oder international — angestrebt hat. In einem solchen Fall muss der Investor seine Klage bei einem anderen Gericht zurücknehmen, wenn er eine Entscheidung durch das TTIP-Schiedsgericht anstrebt. Nicht geklärt ist hingegen die Frage, wie im Falle letztinstanzlicher Entscheidungen nationaler Gerichte vorzugehen ist. Nach dem reinen Wortlaut des Verhandlungstextes könnte auch im Falle abschließender BGH-Entscheidungen das TTIP-Schiedsgericht angerufen werden.

Das Urteil kann immer nur auf Wertersatz gerichtet sein. Die Mitgliedstaaten können mithin nicht zu einer Handlung oder Unterlassung gezwungen werden. Die Kosten des Verfahrens hat die unterliegende Partei zu tragen.

Erleichterung für KMU

Um kleinen und mittlerenUnternehmen einen leichten Zugang zum Verfahren zu ermöglichen, wurden einige Spezialregelungen in das Verhandlungsmandat aufgenommen. Zur Senkung des Prozesskostenrisikos sollen die möglichen Verfahrenskosten (bei einer Niederlage im Verfahren) für KMU gedeckelt werden. Wie hoch der Deckelungsbetrag ausfallen wird, ist noch offen.

Zudem soll für KMU die Möglichkeit bestehen, ein Verfahren vor einem Einzelrichter anzustreben (normalerweise soll ein Fall vor einem Gremium von drei Richtern geführt werden). Dadurch erhofft sich die Kommission kürzere Verfahren und damit eine besseren Rechtsschutz von KMU.

Fazit

Die vergangene Diskussion über die Ausgestaltung von Schiedsgerichten scheint nunmehr Früchte zu tragen. Auch DERMITTELSTANDSVERBUND hatte vor den Folgen einer allzu weiten Klagemöglichkeit für Investoren gewarnt. Der nunmehr vorgeschlagene Plan, einen festen Gerichtshof einzurichten, könnte für eine bessere Qualität durch unabhängige und fest angestellte Berufsrichter sorgen. Durch die Begrenzung der Klagemöglichkeiten von Investoren behalten die Mitgliedstaaten den notwendigen Ermessensspielraum, zukünftige Sachverhalte zum Schutz öffentlicher Interessen zu regeln, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Gleichzeitig würden Unternehmen durch den Vorschlag eine Möglichkeit erhalten, schnellen Rechtsschutz in einer fremden Rechtsordnung in Anspruch nehmen zu können.

Ob sich der Vorschlag in den weiteren Verhandlungen durchsetzen wird, bleibt hingegen abzuwarten. Die US-Verhandlungsseite hat sich bisher noch bedeckt gehalten. DER MITTELSTANDSVERBUND wird über den Ausgang dieses wichtigen Aspekts von TTIP weiter berichten.

Weitere Informationen:

Merkel sagt "Ja zu TTIP!"
Neuer Vorschlag zum TTIP-Investorenschutz: Wird jetzt alles gut?

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