Kampf gegen Mehrwertsteuerbetrug: EU setzt bei Mehrwertsteuerreform auf Digitalisierung von Rechnungen und Meldesystemen

Unternehmen sollen künftig besser von harmonisierten Rechnungs- und Meldesystemen profitieren. Ziel hierbei ist nicht nur die verbesserte grenzüberschreitende Zusammenarbeit von EU-Mitgliedsstaaten bei der Mehrwertsteuererhebung, sondern auch die Förderung des Handels und der Flexibilität bei der Festsetzung der Mehrwertsteuersätze. Die Vorschläge der Kommission weisen erfreuliche Neuerungen auf, dennoch müssen einige Punkte skeptisch betrachtet werden.

Brüssel, 23.01.2023 – Die EU hat im Dezember 2022 den Ausbau eines digitalen Mehrwertsteuersystems angesichts aktueller Herausforderungen vorgeschlagen. So soll europaweit und innerstaatlich für mehr Transparenz gesorgt und Unternehmen widerstandsfähiger gegen Betrug gemacht werden. Digitales Reporting für die Mehrwertsteuer soll, basierend auf der E-Rechnung und einem digitalen Meldesystem, Mehrwertsteuerbetrug um mehrere Millionen Euro pro Jahr verhindern und Verwaltungs- und Compliancekosten für Unternehmen vermindern.

Mehrwertsteuerreform in mehreren Stufen

Bereits 2021 wurde die Versandhandelsregelung durch Fernverkaufsregelungen abgelöst, die Lieferschwelle für Fernverkäufe in andere Mitgliedsstaaten liegt seitdem einheitlich bei 10.000 Euro. Außerdem bietet der One-Stop-Shop (OSS) ein Vereinfachungssystem für alle Fernverkäufe durch zentrale Stellen in jedem EU-Mitgliedsstaat. Einzige Anlaufstelle in Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern zur Abführung ausländischer Umsatzsteuer. Händler müssen sich über ein Online-Portal registrieren. Außerdem erfolgt der Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Betreiber elektronischer Märkte (Reverse-Charge-Verfahren).

Die nun vorgeschlagenen Regeln zur Verwendung einer E-Rechnung und eines digitalen Meldesystems sollen final ab 2028 gelten: Ab dann muss zwingend eine E-Rechnung ausgestellt werden. Innerhalb von zwei Tagen nach Entstehen des Geschäftsvorfalls muss eine Rechnungsstellung erfolgen. Diese E-Rechnung ist mit dem europäischen zentralen Meldesystem VIES (VAT Information Exchange System) verbunden. Die Meldung im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer erfolgt dann in Echtzeit.

Der bisherige Artikel 232 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie soll nach der Vorstellung der Kommission insgesamt entfallen. Der Rechnungsempfänger soll daher nicht mehr der Übermittlung elektronischer Rechnungen zustimmen müssen, um eine Meldepflicht auszulösen. Zudem soll der Rechnungsinhalt erweitert werden. So sollen die Kontodaten, auf dem die Zahlung gutgeschrieben wird, der Fälligkeitszeitpunkt der Zahlung sowie ein eventueller Storno in der Rechnung ausgeführt werden.

Die Mitgliedsstaaten können nach der europaweiten Harmonisierung innerhalb des inländischen Mehrwertsteuermeldesystems eigene Meldesysteme für den inländischen Handel einrichten, die beispielsweise andere Rechnungsformate zulassen.

Hohe Relevanz der Mehrwertsteuer

Die Mehrwertsteuerlücke in Deutschland – also die entgangenen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer – betrug im Jahr 2020 über 11 Milliarden Euro. Die Mitgliedstaaten haben daher ein großes Interesse, diese vielfach durch Steuervermeidung entgangenen Einnahmen zu verringern. Der Vorschlag der Kommission eröffnet aber auch Chancen für die Unternehmen. Denn durch die breite Vereinheitlichung der Rechnungs- und Meldesysteme und somit der Mehrwertsteuererhebung wird die grenzüberschreitende unternehmerische Kooperation und ein EU-weiter Absatz erleichtert. Zudem könnte darüber die Digitalisierung in den Unternehmen gefördert werden.

Bewertung

Die Anpassung der unterschiedlichen Meldesysteme in den Mitgliedstaaten ist grundsätzlich zu begrüßen. Insbesondere die Frist zur Rechnungsstellung sowie die damit verbundene Frist zur Meldung scheint hingegen äußerst ambitioniert und wird viele Mittelständler vor neue Herausforderungen stellen. Nach unserer bisherigen Lesart der Vorschläge würde damit zudem die Möglichkeit entfallen, Sammelrechnungen für laufende Geschäftsbeziehungen zu stellen. Dies passt schlichtweg nicht in viele Abrechnungssysteme im Rahmen der Zentralregulierung bzw. -fakturierung.

Weiterhin bleibt fraglich, inwieweit Rechnungskorrekturen frist- und formgerecht in das neue Meldesystem eingefügt werden können. Der geplante Wegfall der Zustimmungsplicht des Rechnungsempfängers wirft zudem die Frage auf, wie zukünftig mit streitigen Rechnungsposten umzugehen ist. Schließlich bestehen noch Unklarheiten im Zusammenhang mit Rechnungsstandards sowie den Aufbewahrungsfristen der Rechnungen.

Insgesamt stellt sich damit die Frage, ob die geplanten Maßnahmen tatsächlich zu einer Erleichterung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs gerade für kleine und mittlere Unternehmen führen werden.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird das weitere Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene und die potenziellen Auswirkungen auf das deutsche Steuerrecht aufmerksam begleiten. Einschätzungen zur Harmonisierung der Rechnungs- und Meldesysteme aus der Mitgliedschaft sind hierbei sehr willkommen.

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