Kartellrecht: EU-Kommission knöpft sich Online-Handel vor

Weil bestimmte Praktiken im Online-Handel den grenzüberschreitenden Warenverkehr behindern könnten, hat die EU-Kommission nun drei Kartellrechtsuntersuchungen eingeleitet. Das Geoblocking gerät ins Visier der Prüfer.

Brüssel, 08.02.2017 – Der Traum, Waren und Dienstleistungen europaweit über das Internet anzubieten, bleibt wohl vorerst nur ein Vorhaben. Denn das emsige Ziel der Europäischen Kommission, den digitalen Binnenmarkt auch über die Grenzen der Mitgliedstaaten auszubauen, scheint nur schleppend voranzugehen. So jedenfalls das Fazit der zuständigen EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am 2. Februar in Brüssel.

Kommission sieht Kartellrechtsverstöße

Es gebe Hinweise darauf, dass Unternehmen selbst Hindernisse für den grenzüberschreitenden Online-Handel errichten, um so den EU-Binnenmarkt entlang nationaler Grenzen aufzuteilen und Wettbewerb zu verhindern. Eine Praxis, die aus Sicht der Kommission gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen.

Als Konsequenz leitete Vestager nun drei getrennte Untersuchungen ein, die genau das prüfen sollen. Konkret gehe es um den Online-Handel der Unterhaltungselektronik, von Videospielen und bei Hotelübernachtungen. „Wir werden prüfen, ob die betroffenen Unternehmen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen, indem sie die Einzelhandelspreise in unlauterer Weise beschränken oder Kunden aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Standortes bestimmte Angebote vorenthalten“, erklärte die EU-Kommissarin ihre Entscheidung.

Damit geht die Kommission gegen Einzelhandelspreisbeschränkungen sowie gegen die Diskriminierung auf der Grundlage des Standortes und Geoblocking vor. Dass derartige Beschränkungen europaweit verbreitet sind, wurde zuletzt auch in den vorläufigen Ergebnissen der Sektoruntersuchung E-Commerce deutlich, die von der Kommission selbst durchgeführt wurde.

Unterhaltungselektronik: Automatische Preisanpassung

Aus der Unterhaltungselektronik konkret betroffen sind die Hersteller Asus, Denon & Marantz, Philips und Pioneer. Ihnen wird vorgeworfen, die Möglichkeit der Online-Einzelhändler, eigene Preise für weit verbreitete Produkte der Unterhaltungselektronik wie Notebooks und Fi-Fi-Produkte festzulegen, eingeschränkt zu haben.

Die Auswirkungen dieser mutmaßlichen Preisbeschränkungen könnten noch dadurch verstärkt werden, dass viele Online-Einzelhändler Software zur Preisfestsetzung einsetzen, die die Einzelhandelspreise automatisch an jene führender Wettbewerber anpasst. Infolgedessen könnten die fraglichen Verhaltensweisen weitreichende Auswirkungen auf die Online-Preise der betreffenden Unterhaltungselektronik gehabt haben.

Videospiele: Geblocking gerät ins Visier

Auch bei Videospielen prüft die Kommission nun wettbewerbswidriges Verhalten. Hier stehen bilaterale Vereinbarungen zwischen der Valve Corporation, der Eigentümerin der Spiele-Vertriebsplattform Steam, und den fünf Videospiel-Herausgebern Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax im Fokus der Untersuchung.

Konkret geht es dabei um Praktiken des Geoblocking, dass ausländische Konsumenten daran hindert, PC-Videospiele zu erwerben. Nach dem Kauf bestimmter PC-Videospiele müssen die Nutzer vor der Verwendung des Spiels bestätigen, dass es sich nicht um eine Raubkopie handelt. Dies geschieht über einen „Aktivierungsschlüssel“ auf der Vertriebsplattform Steam. Diese Vorgehensweise kommt bei einer breiten Palette von Spielen zum Einsatz, unter anderem bei Sport-, Simulations- und Actionspielen.

Die Untersuchung konzentriert sich auf die Frage, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen den Einsatz von Aktivierungsschlüsseln zum Zwecke des Geoblockings vorschreiben bzw. vorgeschrieben haben. Ein „Aktivierungsschlüssel“ kann nur den Verbrauchern in einem bestimmten EU-Mitgliedstaat Zugang zu einem gekauften Spiel gewähren. Damit würden die Betreiber gegen EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen, da Verbraucher daran gehindert werden, Spiele zu günstigeren Preisen aus anderen Mitgliedstaaten zu beziehen.

Hotelbuchung: Preise hängen vom Standort ab

Ein ähnliches Verhalten sieht die Kommission auch bei Hotelbuchungen im Internet. Nach Beschwerden von Kunden prüft sie nun Vereinbarungen in der Hotellerie zwischen den größten europäischen Reiseveranstaltern einerseits und Hotels andererseits.

Die Kommission begrüßt zwar, dass Hotels innovative Preissetzungsmechanismen entwickeln und einführen, um ihre Zimmerauslastung zu maximieren, allerdings dürfen Hotels und Reiseveranstalter ihre Kunden nicht aufgrund ihres Standorts diskriminieren. Die in Rede stehenden Vereinbarungen könnten Bestimmungen enthalten, die zu einer Diskriminierung der Kunden aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Wohnsitzes führen.

Die Folge: Nicht alle verfügbaren Hotelzimmer sind für den Kunden im Internet sihtbar. Somit bleibt dem Reisenden der günstigste Preis aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seines Wohnsitzes verwehrt. Eine Praxis, die laut Kommission zur Fragmentierung des Binnenmarktes führen könnte.

Kommission zieht Konsequenzen

Mit den drei eingeleiteten Untersuchungen zieht die Europäische Kommission erstmals Konsequenzen aus den bisherigen Ergebnissen der Sektoruntersuchung E-Commerce. Wie lange die kartellrechtlichen Untersuchungen dauern, ist jedoch unklar. Die Prüfung hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der Komplexität des Falls, der Bereitschaft des betroffenen Unternehmens zur Zusammenarbeit mit der Kommission sowie der Ausübung der Rechte auf Verteidigung.

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