Kommission will weniger Regeln für Dienstleistungsberufe

Strenge nationale Regeln für Handwerker und freie Berufe sind der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Mit einem Maßnahmenpaket will Brüssel die Dienstleistungsfreiheit in Europa stärken und Zugangs- oder Ausübungsvorschriften abbauen.

Brüssel, 12.01.2017 – In den meisten Mitgliedstaaten gibt es Berufe, deren Ausübung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist: So muss ein Rechtsanwalt in Deutschland zwei Staatsexamina ablegen, einer Rechtsanwaltskammer angehören und unterliegt einem strikten Berufs-Code.

Auch für Handwerker besteht eine Pflichtmitgliedschaft in den regionalen Kammern. Zudem mindestens ein Meister im Handwerksbetrieb vorhanden sein (zumindest in den meisten Gewerken). Diese oder andere Berufszugangs- und Ausübungsvoraussetzungen sind zunächst rechtliche unbedenklich - jedenfalls solange es sich um rein inländische Sachverhalte handelt. "Europäisch" wird die Sache in den Fällen, in denen eine Person aus einem anderen EU-Mitgliedstaat einen sogenannten "reglementierten Beruf" in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte. Grundsätzlich muss diese Person dann die Voraussetzungen erfüllen, denen ein "Inländer" unterliegen würde. Europäische Vorschriften - allen voran die Dienstleistungsrichtlinie sowie die Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen – legen dabei die Rahmenbedingungen fest. Zielsetzung ist dabei ein möglichst freier Verkehr von qualifizierten Arbeitskräften in der EU.

Da dieser nach Ansicht der Kommission jedoch immer noch nicht reibungslos funktioniert, hatte die Kommission bereits letztes Jahr ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs angekündigt. Bereits in jüngerer Vergangenheit hatte die Kommission in ihrer sogenannten Tranzparenzinitiative eine Landkarte der reglementierten Berufe in Europa erstellt. Ergänzend weist die Kommission die Mitgliedstaaten regelmäßig auf ihrer Ansicht nach zu strenge Berufsreglementierungen in den sogenannten Länderspezifischen Empfehlungen hin - bislang mit wenig Erfolg. Das soll sich nunmehr ändern.

Hausaufgaben für einige Berufsbilder

Die Kommission weist nunmehr die Mitgliedstaaten erneut auf Missstände in den reglementierten Berufen hin. Betroffen hiervon sind unter anderem Architekten, Rechtsanwälte und Steuerberater. Gegenstand der Kritik sind vor allem die oftmals vagen Berufsbilder, die von den entsprechenden Mitgliedstaaten äußerst eng ausgelegt werden und damit einen Ausübung durch Personen aus anderen EU-Mitgliedstaaten verhindern könnten. Weiterhin sollten die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen der Zusammenarbeit von Angehörigen einer Berufsgruppe mit „berufsfremden“ Personen ermöglichen (In Deutschland können Rechtsanwälte beispielsweise nur mit bestimmten anderen Berufen in Sozietät gehen).

Strengere Verhältnismäßigkeit

In einem weitern Vorschlag stellt die Kommission ein neues Konzept hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit von nationalen Regelungen hinsichtlich der Berufsreglementierung vor. Zwar müssen nationale Berufsregeln auch bislang gewisse Voraussetzungen erfüllen, das Korsett der Rechtfertigungstatbestände würde jedoch mit den neuen Regeln spürbar enger geschnallt werden. Die Prüfung der neuen Verhältnismäßigkeitsgrundätze soll immer dann erfolgen, wenn die Mitgliedstaaten neue Berufsregeln erarbeiten. Die Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass damit auch Regeln hinsichtlich der Pflichtmitgliedschaft in Kammern gemeint ist.

Weiterhin sollen die Mitgliedstaaten der Kommission zukünftig rechtzeitiger neue Berufsregeln kommunizieren. Die Kommission könnte dadurch schneller auf nach ihrer Ansicht nach unzulässige Regeln reagieren.

Dienstleistungskarte

Die Kommission schlägt die Einführung der sogenannten Dienstleistungskarte in bestimmten Berufsgruppen vor (Unternehmens- und Bauleistungen). Damit soll die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen erleichtert werden. Kern des Vorschlags ist eine Vereinfachung der Anerkennung von Berufsqualifikationen - denn die Ausübung einer Dienstleistung muss weiterhin den Anforderungen des Ziellandes entsprechen. Die Karte soll im Herkunftsland beantragt werden können. Die Zuständigen Behörden sollen sich dann über eine Europäische Plattform austauschen. Um das Verfahren (deutlich) zu beschleunigen, soll eine Karte ausgestellt werden müssen, wenn der Aufnahmemitgliedstaat nicht innerhalb von 4 bis 6 Wochen reagiert.

Was heißt das jetzt?

Viele der neu vorgeschlagenen Regeln basieren auf alten bekannten Ansätzen. Diese sollen jedoch nunmehr in Recht gegossen und damit durchsetzbarer werden. Zudem wurde an vielen Stellen nachgeschärft. Das Aufstellen von Vorrausetzungen von Berufszugangs- und Ausübungsregeln in Europa ist damit für die Mitgliedstaaten schwieriger geworden. Weitere Liberalisierungen gerade in den freien Berufen (Rechtsanwälte, Architekten, Steuerberater etc.) könnte die Folge dieser neuen Ansätze sein. Auch das in Deutschland bestehende System der selbstverwaltenden Berufskammern ist erneut unter Beschuss der EU.

Die Kommission verfolgt das legitime Ziel, Dienstleistern aus anderen Mitgliedstaaten eine Niederlassung und Berufsausübung auch in anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern. Dennoch sollte der hinter vielen Berufsregeln liegende Grund einer hohen Qualität der Dienstleistung, welches auch im Interesse des Verbrauchers liegt, niemals aus den Augen verloren werden.

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