Schlechte Noten für deutsche Investitionen

Mehr Investitionen in Bildung, Forschung, Infrastruktur und Innovation: Erneut schneidet Deutschland im Europavergleich schlecht ab. Ein Überblick.

Brüssel, 01.06.2016 - Das Urteil hätte nicht schlechter ausfallen können. Erneut mahnt die Europäische Kommission Deutschland zu mehr Investitionen. Das geht aus den jährlichen länderspezifischen Empfehlungen hervor, die die Kommission am 18. Mai für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht hat. Die Schwerpunkte sollen dabei auf der Belebung der Investitionstätigkeit, der Durchführung von Strukturreformen und der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte liegen.

In den empfohlenen Leitlinien zur Wirtschaftspolitik in den kommenden 12 bis 18 Monaten wird dabei eines deutlich: Noch immer steht es düster um die deutsche Investitionslandschaft. Denn der öffentliche Sektor aber auch die Unternehmen, so der Bericht der Kommission, würden nach wie vor zu wenig investieren. Deutschland gerate so in eine gefährliche Abhängigkeit von der Nachfrage aus dem europäischen Binnenmarkt und von Drittstaaten. Zwar habe die Bundesregierung im vergangenen Jahr einige Maßnahmen zur Förderung der Investitionstätigkeit getroffen. Die Wirkungen bleiben aber bisher aus. Gerade für die Förderung von Bildung und Forschung könne noch einiges getan werden – auch nach Durchsicht der „Bücher“ konstatiert die Kommission in diesem Zusammenhang noch „Spiel“ im Bundeshaushalt.

Deutschland droht Fachkräftemangel

Auch die unübersichtliche Unternehmensbesteuerung hemmt das Wachstum. Angefangen von der Ertragssteuer, über die kommunale Gewerbesteuer bis hin zum Solidaritätszuschlag. Gerade bei der Gewerbesteuer würden Ineffizienzen durch die Einbeziehung ertragsunabhängiger Komponenten entstehen.

Insgesamt bestehe ein ausreichendes Angebot für Unternehmer, sich auf dem Markt zu finanzieren. Allein der Sektor des Risikokapitals sei im internationalen Vergleich äußerst unterentwickelt. Andererseits erwähnt die Kommission erst gar nicht das gut funktionierende System der Hausbankenfinanzierung – ein mögliches Indiz für die relative Abwesenheit von Risikokapital.

Eine wichtige (wenn auch nicht neue) Feststellung: Deutschland droht ein erheblicher Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel. Es sei zwingend notwendig, mehr Anreize zum späteren Renteneintritt zu schaffen.

Weibliche Arbeitskräfte sind kaum gefragt

Und auch das Potential der Frauen für den Arbeitsmarkt kommt in Deutschland bisher kaum zum Tragen. Noch immer würden die falschen Impulse im System der Besteuerung und Krankenversicherung gesetzt. Das Modell „Zweitverdiener“ lohne sich deshalb für viele Frauen einfach nicht. Auch für Frauen in Teilzeit würden keine ausreichenden Anreize geschaffen, diese auf eine Vollzeitstelle auszubauen. Hier muss nach Ansicht der Kommission endlich ein Einlenken der Bundesregierung erfolgen. Deutschland ist, was die durchschnittliche Arbeitszeit von Frauen anbelangt, einer der letzten Mitgliedsstaaten. Das ist erstaunlich, da die Erwerbsquote von Frauen insgesamt über dem EU-Durchschnitt liegt.

Jetzt ist Handeln gefragt

Das Fazit der Kommission? Der Faktor Arbeit ist noch immer zu hoch belastet. Viele positive Effekte, die durch in den letzten Jahren geschaffene Freibeträge entstanden, würden somit wieder „eingedampft“.

Insgesamt steht es allerdings nicht schlecht um Deutschland. Viele strukturelle Probleme müssten jedoch jetzt angegangen werden, um negative Entwicklungen für die Zukunft zu vermeiden.

Deutschland ist an die Empfehlungen nicht gebunden, wird sich aber die aus den länderspezifischen Empfehlungen in der Diskussion mit den anderen Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission zukünftig vorhalten lassen müssen.

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