Signale für einen (warmen?) Winter – Energieminister bestimmen Richtung für weiteres gemeinsames Vorgehen

Wenn auch nicht in einer Nacht- und Nebelaktion, so haben die Mitgliedstaaten doch an diesem Freitag eine vorläufige einheitliche Linie im Umgang mit steigenden Energie- und Strompreisen gefunden. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Maßnahmen für den kooperierenden Mittelstand auswirken.

Brüssel, 09.09.2022 – „Europa wird seine Bürger und Unternehmen nicht im Stich lassen. Der Europäische Binnenmarkt muss weiterhin gewährleistet werden.“, so Jozef Síkela, Minister für Industrie und Handel, Tschechische Republik die Ergebnisse der außerordentlichen Sitzung der Energieminister an diesem Freitag.

In der Tat ist Brüssel in diesem Jahr wieder das geworden, was es eigentlich sein sollte: Schaltstelle und Plattform für alle relevanten Fragen und Ausrichtungen im europäischen Binnenmarkt. Jüngst hatten die Energieministerinnen und -minister der EU am 26. Juli 2022 eine politische Einigung zur freiwilligen Senkung des Erdgasverbrauchs in diesem Winter um 15 % senken erreichen können. Der Erfolg zeigt sich bereits jetzt: So verfügt Europa nunmehr über Gasreserven, die rund 85% der Speicherkapazität der Mitgliedstaaten betragen.

Auch die Abhängigkeit der europäischen Mitgliedstaaten von russischem Gas hat sich in den letzten sechs Monaten signifikant verringert: Die Gas-Importe sind in den letzten Monaten von ursprünglich 40% auf rund 9% gesunken.

Dennoch steigen die Gas- und Energiepreise fast täglich in bislang unbekannte Höhen. Nicht nur in Deutschland ist der Druck der Verbraucher und Unternehmen aus allen Branchen erheblich in den vergangenen Wochen gestiegen. Auch DER MITTELSTANDSVERBUND hatte sich jüngst für weitere Unterstützungsmaßnahmen insbesondere für mittelständische Unternehmen ausgesprochen.

Die Vorarbeit der EU-Kommission

Der heutigen Sitzung der Energieminister gingen bereits einige Abstimmungsrunden zur Energielage in Europa vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine voraus. Ferner gab es bereits einen Gedankenaustausch über die nationalen Maßnahmen und Notfallpläne sowie über weitere kurzfristige Maßnahmen zur Erhöhung der Energieversorgungssicherheit der EU. In Deutschland konkretisierten sich diese Ansätze bereits in Form der Beschlüsse, die auf der Kabinettsklausur der Bundesregierung am letzten Wochenende angenommen wurden. 

Im Vorfeld der Sitzung hatte auch die Europäische Kommission Vorschläge zur Bewältigung der Gas- und Energiemarktkrise vorgestellt. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Kluges Stromsparen: Die EU-Kommission schlägt weitere Reduktionsziele insbesondere zu Spitzenzeiten des Energieverbrauchs vor.
  • Obergrenzen für Gewinnmargen: Diese Maßnahme zielt auf die Großhändler von Energiequellen ab, die aktuell auf Grundlage ihrer geringen Grenzkosten enorme Gewinne einfahren (Erneuerbare aber auch Atomkraftwerke). Die Kommission schlägt ein Instrument analog der in Deutschland diskutierten Übergewinnsteuer vor. Die daraus resultierenden Gelder sollen Verbraucher aber auch Unternehmen zugutekommen.
  • Abschöpfung von Zufallsgewinnen von Unternehmen mit fossilen Brennstoffen: Auch Öl- und Gasunternehmen fahren aktuell enorme Gewinne ein. Mit einer Art Solidaritätszuschlag sollen sich diese Unternehmen sollen wiederum Verbrauchern zugeteilt werden und zudem den Ausbau nachhaltiger Energiequellen dienen.
  • Hilfen für Energieversorgungsunternehmen: Aufgrund der äußerst volatilen Strombörsen müssen Energieversorger aktuell über hohe Liquiditätsreserven verfügen. Die Kommission schlägt daher eine Anpassung des Beihilfenrechts vor, damit Mitgliedstaaten gezielte Hilfen für diese Unternehmen geben können. Darunter könnte auch das deutsche System der Gasumlage fallen.
  • Preisdeckel für russisches Gas: Die Kommission schlägt vor, den Gaspreis auf einen bestimmten Satz zu begrenzen. Viele Mitgliedstaaten fürchten diesen Schritt, könnte damit die Versorgungssicherheit mit russischem Gas insgesamt gefährdet werden. Weiterhin könnte damit eine – zumindest temporäre – Veränderung des europäischen Strommarkts einhergehen – mit unvorhersehbaren Folgen für die Versorgungssicherheit insgesamt. 

Deutschland hatte sich im Vorfeld der heutigen Diskussionen insbesondere für Mechanismen der Gewinnabschöpfung und Umverteilung der Gewinne ausgesprochen. 

Bedingungslose Annahme

Die Mitgliedstaaten stimmten mit der Einschätzung der Europäischen Kommission überein. Aus diesem Grund soll die Europäische Kommission entsprechend den oben genannten Punkten Vorschläge unterbreiten. 

Offene Punkte

Erwartungsgemäß war der Diskussionspunkt „temporärer Preisdeckel für Gas“ der meist diskutierte. Insofern wurde nur die grundsätzliche Einschätzung angenommen, dass an dieser Stelle etwas getan werden muss. Ob der Preisdeckel tatsächlich nur den Import russischen Gases betrifft oder der Großhandelspreis insgesamt angegangen werden soll, ist bislang noch unklar. Zudem bleibt fraglich, inwieweit in den aktuellen Marktmechanismus des Energiemarktes eingegriffen werden muss.

Die tschechische Ratspräsidentschaft machte zudem klar, dass – aufgrund der aktuell sehr geringen Importmengen russischen Gases – die Preissprünge größtenteils durch psychologische Effekte induziert seien. Unklar ist auch, wie der Preisdeckel konkret umgesetzt werden soll. Eine Option scheint in der Tat die direkte Verhandlung mit Russland diesbezüglich zu sein.

Hinsichtlich der Stromeinspar-Ziele hielten sich die EU-Gesetzgeber weiterhin alle Optionen offen. Gerade die Mitgliedstaaten werden eher eine freiwillige Lösung bevorzugen, denn klaren Vorgaben aus Brüssel folgen. 

Nächste Schritte

Die Europäische Kommission wird auf Grundlage der heutigen Beschlüsse Vorschläge für einen temporären Rechtsrahmen entwerfen. Mit einer Vorstellung dieser Entwürfe ist bereits in der nächsten Woche zu rechnen.

Klar scheint zu sein, dass die Europäische Kommission die entsprechenden Beihilferegeln überarbeiten und den Mitgliedstaaten diesbezüglich mehr Freiheiten einräumen wird.

Die Mitgliedstaaten versprachen uneingeschränkte Zusammenarbeit und schnelle Umsetzung der Maßnahmen. Aus diesem Grund wird ein weiterer Sondergipfel der Energieminister Ende September stattfinden. 

Konsequenzen für den Mittelstand 

Die heutige Sitzung ist noch keinesfalls ausdiskutiert und in jedem Detail feststehend. Klar scheint hingegen zu sein, dass gerade im Bereich der Beihilfen weitaus mehr Unternehmen einbezogen werden, als dies aktuell der Fall ist. Ob Deutschland von diesen möglichen Freiheiten in den Beihilfen Gebrauch machen wird, scheint mit Blick auf die Beschlüsse der letzten Kabinettsklausur wahrscheinlich. 

DER MITTELSTANDSVERBUND wird weiterhin auf umfassende Hilfen für mittelständische Unternehmen drängen, um weitere negative Effekte zu verhindern. 

Seite drucken

Ansprechpartner

Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht