Verbraucherschutz: Mehr Befugnisse für Verwaltungen

Die Verwaltungszusammenarbeit beim Verbraucherschutz soll neu geregelt werden. Das hat vor allem Konsequenzen für die Struktur der Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften.

Brüssel, 27.09.2016 - Seit 2004 besteht mit der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (Consumer Protection Cooperation – CPC-Verordnung) eine Grundlage zum Schutz der kollektiven wirtschaftlichen Interessen von Verbrauchern. Auf Grundlage dieser Verordnung wurde das Netzwerk von Verbraucherschutzbehörden (CPC) eingerichtet. Bereits heute verfügt das CPC über Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnisse bei grenzüberschreitenden Verstößen von Unternehmen gegen Verbraucherschutzvorschriften.

Nun hat die Europäische Kommission neue Pläne vorgestellt. Demnach sollen die bestehenden Regeln zur Verwaltungszusammenarbeit im Bereich des Verbraucherschutzes überarbeitet werden. DER MITTELSTANDSVERBUND warnt vor den Plänen. Denn was als harmlose Überarbeitung daherkommt, könnte weitreichende Konsequenzen für die Struktur der Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften haben.

In Deutschland sind verschiedene Behörden zur Überwachung der einzelnen verbraucherschützenden Vorschriften zuständig:

  • Das Luftfahrt-Bundesamt ist die Durchsetzungs- und Beschwerdestelle für die Rechte der Fluggäste bei Annullierung, Verspätung und Nichtbeförderung.
  • Das Eisenbahn-Bundesamt ist Durchsetzungs- und Beschwerdestelle für die Rechte der Fahrgäste in Bezug auf Bus-, Bahn- und Schiffsreisen.
  • Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist für die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung bei innergemeinschaftlichen Verstößen von Versicherungsunternehmen sowie bei Verstößen von Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituten verantwortlich.

Verbraucherverbände nehmen in Deutschland die Tätigkeit einer Anlaufstelle wahr. In einigen Fällen können sie auch im Namen der Verbraucher Rechte für diese einklagen. Grundsätzlich muss jedoch jeder Verbraucher seine Rechte eigenständig einklagen. Nur in einzelnen Fällen werden Verstöße gegen das Verbraucherrecht als Ordnungswidrigkeit eingestuft und von den Behörden entsprechend verfolgt. Doch nach den Plänen der Kommission könnte sich das bald erheblich verändern.

Online-Handel im Visier

Nach Ansicht der Kommission führten die derzeit geltenden Bestimmungen der CPC-Verordnung zwar zu Verbesserungen. Dennoch gebe es weiterhin ein hohes Maß an Verstößen von Unternehmern gegen grundlegende Verbrauchergesetze. Diese beträfen vor allem den Online-Handel. Das gehe aus einer 2012 begonnenen externen Bewertung und aus einer öffentlichen Konsultation hervor.

Zur Verbesserung der Durchsetzung verbraucherschützender Vorschriften sollen die Verwaltungsverfahren der Mitgliedstaaten angepasst und die Behörden mit einem „Grundstock“ an Durchsetzungsbefugnissen ausgestaltet werden. Es bleibt allerdings unklar, wann die neuen Rechte der zuständigen Behörden greifen. Spricht die bestehende CPS-Verordnung noch eindeutig von grenzüberschreitenden Sachverhalten, so sollen zukünftig bereits „weitverbreitete“ Verstöße ausreichend sein.

Neue Grundausstattung der Behörden

Zur besseren Rechtsdurchsetzung sollen Behörden ein neues Mindestmaß an Kompetenzen erhalten. Neben weitreichenden Informations- und Informationsbeschaffungsrechten – der Zugang zu den Geschäftsräumen sei hier beispielhaft genannt – sollen die Behörden umfassende Rechte erhalten, Verstöße von Unternehmen zu unterbinden.

Der Katalog ist lang: Bußgelder, Sperrung von Internetauftritten und Gewinnabschöpfungen sind nur einige der geplanten Rechte der Behörden. Zudem sollen sie die Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften auch gerichtlich einklagen können.

Insgesamt würden diese neuen Regelungen einen Systembruch in Deutschland darstellen; Momentan sind Behörden über das Ordnungswidrigkeitenrecht ermächtigt, Maßnahmen gegen Unternehmen zu erlassen. Abhängig vom Umfang des Verstoßes können heute bereits Maßnahmen im eben beschrieben Umfang erlassen werden.

Momentan obliegt es hingegen hauptsächlich dem Verbraucher, Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften und den daraus entstehenden Schaden gerichtlich einzuklagen. Dahinter steht die Einsicht des Gesetzgebers, dass behördliches Einschreiten in der eben beschriebenen Intensität nur in begrenzten Fällen geboten erscheint – ein staatliches Handeln also immer auch verhältnismäßig und angemessen sein muss. Mit dem jetzigen Kommissionsvorschlag könnte dieses ausgewogene System kippen.

Benannte Stellen: Privatisierung staatlicher Aufgaben

Die Verordnung sieht außerdem die Möglichkeit vor, dass die Mitgliedstaaten private Stellen benennen können. Diese müssen ein berechtigtes Interesse an der Einstellung oder dem Verbot der Verstöße haben – in Deutschland kämen also die Verbraucherschutzverbände in Frage. Die Behörden können sich danach dieser Stellen bedienen, um die erforderlichen Informationen zu sammeln und die erforderlichen und ihnen nach nationalem Recht zur Verfügung stehenden Durchsetzungsmaßnahmen im Interesse einer ersuchten zuständigen Behörde aus einem anderen Mitgliedstaat zu ergreifen. Diskutiert wird also nichts anderes, als staatliche Gewalt in Form umfassender Informationsrechte und Durchsetzungsrechte an private Stellen gleichsam auszulagern – ein aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES rechtstaatlich äußerst bedenklicher Ansatz.

Fazit

Was könnten diese neuen Regeln in der Praxis nun bewirken? Im Zweifel müssen Händler, die Waren nicht oder falsch geliefert haben, mit der Durchsuchung von Geschäftsräumen oder den Zugang und die Speicherung aller Dokumente eines Unternehmens bis hin zur zwangsweisen Sperrung von Internetseiten rechnen. Bereits „kleine“ Verstöße gegen das Verbraucherrecht können, soweit sie eine europaweite Komponente aufweisen, zukünftig mit empfindlichen Ordnungsgeldern und Zwangsmaßnahmen geahndet werden. Inwieweit ein solches Vorgehen noch verhältnismäßig ist, lässt die Kommission offen.

Zudem wird ein einem erheblichen Maße in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten eingegriffen. Diesen obliegt grundsätzlich die Durchsetzung bestehenden – auch europäischen Rechts. Auch wenn Mechanismen zum Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedstaaten eingerichtet wurden, obliegt es jedoch grundsätzlich weiterhin jedem einzelnen Mitgliedstaat, wie er europäisches Recht durchsetzt. Mit dem jetzigen Vorschlag muss sich die Kommission die Frage gefallen lassen, inwieweit dieser noch dem Prinzip der Subsidiarität der EU gerecht wird.

DER MITTELSTANDSVEBRUND wird im Dialog mit den europäischen Gesetzgebern auf diese Punkte hinweisen und im Sinne eines ausgewogenen Konzepts des Verbraucherschutzes argumentieren, um unverhältnismäßige Belastungen für den kooperierenden Mittelstand zu vermeiden.

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