Wo stoßen Händler im Binnenmarkt an ihre Grenzen?

Grenzüberschreitender Handel in der EU ist noch Zukunftsmusik. DER MITTELSTANDSVERBUND bittet seine Mitglieder aufzuzeigen, welche Hindernisse im EU-Binnenmarkt den Handel weiter einschränken.

Brüssel, 11.03.2016 — Der grenzüberschreitende Handel innerhalb Europas ist Teil der Binnenmarktstrategie, die zuletzt von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde. Doch viel davon ist noch nicht zu sehen. Nationale Regelungen hindern Händler weiterhin daran, Produkte über die Landesgrenzen hinaus anzubieten.  

Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments (IMCO) hat sich dieser Sache nun angenommen. In einem Bericht über nicht-tarifäre Handelshemmnisse (NTH) im EU-Binnenmarkt sollen weitere Beispiele gefunden werden, so der Berichterstatter und Europaabgeordnete, Daniel Dalton.

Die Beispiele könnten dem Parlament und der Kommission helfen, problematische Vorschriften in den Mitgliedstaaten, die sich auf Ihr Unternehmen auswirken, zu ermitteln. Im Anschluss könnte die Kommission Folgemaßnahmen ergreifen, um diese Hindernisse im Binnenmarkt abzubauen.

Hintergrund

"Der Binnenmarkt der Europäischen Union (EU) ist ein einheitlicher Markt, in dem der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen gewährleistet ist und in dem die europäischen Bürgerinnen und Bürger ihren Wohnsitz frei wählen sowie ungehindert einer Arbeit, Ausbildung oder unternehmerischen Tätigkeit nachgehen können", so jedenfalls steht es in der offiziellen Beschreibung der Europäischen Kommission.

Obwohl Zölle im innergemeinschaftlichen Handel vor Jahrzehnten abgeschafft wurden, bestehen allerdings gerade außerhalb des Zoll-Bereiches Hindernisse, die die eben genannten Grundfreiheiten der EU behindern. Viele dieser Vorschriften beruhen auf nationalen aber auch europäischen Regeln und den sich daraus ergebenden bürokratischen Auflagen.

Die Vorschriften stehen oftmals im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren oder dem Angebot von Dienstleistungen und verlangen beispielsweise bestimmte Produkt- oder Dienstleistungseigenschaften oder Herstellungsverfahren.

Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen, Anforderungen an die Verpackung und Etikettierung oder auch Geschäftsgrößen als Voraussetzung der Niederlassung stellen dabei Faktoren dar, die es Unternehmen erschweren, Waren oder Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anzubieten – von der Niederlassung im EU-Ausland ganz zu schweigen. 

Nationale Grenzen beschränken grenzenlosen Handel

Immer noch sind Groß- und Einzelhandel mit folgenden Hauptproblemen konfrontiert:
  • Falsche oder unvollständige Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in den Mitgliedstaaten, wodurch die Niederlassungsfreiheit, der freie Dienstleistungsverkehr und die Dienstleistungsfreiheit behindert werden.
  • Nationale Anforderungen, die den freien Warenverkehr behindern. Oftmals bestehen hierbei auch einfach Informationsdefizite der Europäischen Kommission, die ein koordiniertes politisches Vorgehen auf EU-Ebene erschweren.
  • Schließlich belassen es viele Mitgliedstaaten oftmals nicht bei der reinen Umsetzung von EU-Recht. Die daraus folgenden rein nationalen Regeln stellen einen Mehraufwand für Unternehmen dar und benachteiligen diese im Europäischen Wettbewerb gegenüber Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten (die diese Sonderregeln in ihrem Sitzland nicht beachten müssen). Dieses Thema wird  in Brüssel vor allem unter dem Begriff „Goldplating“ diskutiert.

Independent Retail Europe identifiziert Top-3 Probleme

Der Europäische Dachverband von Gruppen selbstständiger Einzelhändler, Independent Retail Europe, dem auch DER MITTELSTANDSVERBUND angehört, hat bereits angefangen, problematische nationale Regelungen zu identifizieren.

Die Top-3 Beispiele sind hierbei die folgenden:
  • In Ungarn wird eine Rechtsvermutung eingeführt, wonach alle Einzelhändler mit einem Nettoumsatz von über 100 Mrd. HUF (ca. 333 Mio. Euro) eine marktbeherrschende Stellung haben. Ein Unternehmen in einer marktbeherrschenden Stellung ist in seinen Handlungen auf den Märkten und in seinen Verhandlungen mit seinen Wettbewerbern stark eingeschränkt.
  • Gemäß dem slowakischen Lebensmittelgesetz sind Einzelhändler mit einem Umsatz von über 10 Mio. Euro verpflichtet, den slowakischen Staat über den prozentualen Anteil der Produkte slowakischen und ausländischen Ursprungs in einem Halbjahresbericht zu informieren, der auf der Website des Einzelhändlers und am Geschäftseingang zu veröffentlichen ist. Seinerseits sieht das slowakische Gesetz über Unangemessene Bedingungen in Geschäftsbeziehungen zwischen Käufern und Lebensmittelanbietern exzessive Regelungen vor, die als unlautere Handelspraktiken angesehen werden.
  • In Polen hat die Regierung die Einführung einer Steuer für Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von über 250 Quadratmeter bekanntgegeben. In der Praxis wären hauptsächlich große ausländische Einzelhandelsunternehmen von dieser Steuer betroffen, durch die Marktakteure mit großen Geschäften Wettbewerbsnachteile gegenüber Einzelhändlern mit kleineren Geschäften hätten.

Nächste Schritte

DER MITTELSTANDSVERBUND bittet die Verbundgruppenzentralen und auch die Anschlusshäuser um  weitere problematische Beispiele, die auf EU-Ebene präsentiert werden können. Kernfragen sind dabei:
  • Durch welche nationalen Vorschriften fühlen Sie sich in Ihrer Geschäftstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat behindert?
  • Sind Ihnen exzessive Vorschriften in Ihrem eigenen Mitgliedstaat bekannt, die ein Hemmnis für Ihre Geschäftstätigkeit sind und gleichzeitig ein Hemmnis für neue Marktteilnehmer darstellen könnten?

Ihre Beispiele sammelt DER MITTELSTANDSVERBUND noch bis zum 06. April, um diese im Anschluss an das Europäischen Parlament zu kommunizieren. 

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