Zahlungsverzug: Europaabgeordnete gefährden Liquidität mittelständischer Unternehmen

Das Europäische Parlament hat in seiner heutigen Plenumssitzung für verbindliche und über Gebühr kurze Zahlungsziele gestimmt. Die Mehrheit der Abgeordneten nahm den entsprechenden Bericht des EP-Binnenmarktausschusses an. Die Grundannahmen für diese Entscheidung sind dabei in fast allen Bereichen falsch. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert.

Brüssel, 23.04.2024 – Am heutigen Tag nahm die Mehrheit der Europaabgeordneten den Verordnungsentwurf zur Bekämpfung von Zahlungsverzug an.  

Dieser Rechtsakt stellt die Antwort auf eine seit langen formulierten Forderung kleiner und mittlerer Unternehmen dar, so in etwa formulierte die für den Verordnungsentwurf zuständige Berichterstatterin die Notwendigkeit einer Änderung der aktuellen Gesetzeslage.   

Die Abgeordneten einigten sich dabei auf folgende Kompromisse:  

Zahlungsziele:  

  • Im unternehmerischen Verkehr soll eine fixe Zahlungsfrist von 30 Tagen gelten.  
  • Diese Frist kann zwischen den Parteien durch Vertrag auf 60 Tage angehoben werden.  
  • Bei „Slow moving goods“ sowie Saisonwaren soll die Frist 120 Tage betragen.  
  • Die Europäische Kommission soll Leitlinien zu der Auslegungfrage, welche Warengruppen diesen Begriff fallen, erlassen.  
  • Dem Empfänger der Leistung soll das Recht zugestanden werden, die Ware innerhalb von 30 Tagen abzunehmen. Die o.g. Fristen würden dann faktisch um 30 Tage verlängert, wären jedoch auf maximal 120 Tage gedeckelt.  

Strafzinsen:  

  • Weiterhin verpflichtend ab dem ersten Verzugstag zu erheben.  
  • Die Höhe der Zinsen soll 8% über dem Basiszinssatz betragen.  
  • Diese Verzugszinsen sind von dem Gläubiger verpflichtend zu erheben und können nicht ihrer Höhe oder Berechnung geändert werden.  
  • Eine Ausnahme soll nur bei KMU als Schuldner bestehen: Hier soll der Gläubiger frei in seiner Entscheidung sein, solche Strafzinsen zu erheben.   

Behörden:  

  • Die Mitgliedstaaten sollen Behörden einrichten, die für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften verantwortlich sind.  
  • Ansätze, dass jeder Vertrag an diese Behörde zur Prüfung & Registrierung geschickt werden muss, wurde nicht gefolgt.  

Vor diesem Hintergrund hat DER MITTELSTANDSVERBUND die für die Rechtfertigung der Verordnung vorgebrachten Argumente auf den Prüfstand gestellt und kommt dabei zu folgendem Ergebnis:   

Verbindlichen Zahlungsziele werden zu einer Verbesserung der Liquidität mittelständischer Unternehmen führen.  

  • Gerade in Situationen, in denen mittelständische Unternehmen auf der Schuldnerseite stehen, gefährden starre Zahlungsziele die wirtschaftliche Stabilität.  
  • Verbundgruppen müssten neue Modelle finden, um ihre mittelständischen Anschlusshäuser weiterhin unterstützen zu können.  

Die neuen Regeln reduzieren bürokratische Hürden.  

  • Die freie Festlegung von Zahlungszielen wird in der mittelständischen Wirtschaft nicht als Hürde wahrgenommen.  
  • Vielmehr ist sie Ausdruck freier unternehmerischer Aktivität.  
  • Sollten die neuen Regeln zum Zahlungsverzug tatsächlich in Kraft treten, müssten viele Unternehmensprozesse angepasst werden; Der Vorschlag zur Bekämpfung von Zahlungsverzug spielt in viele Bereiche vertraglicher Gestaltung hinein. Die Anpassung aller vertraglichen Faktoren würde einen erheblichen Mehraufwand mit sich bringen.   

Die vereinbarten Fristen reagieren auf individuelle Bedarfe in Vertragsbeziehungen.  

  • Der nunmehr gefundene Kompromiss sieht starre Zahlungsfrist von 30 Tagen vor, die bilateral auf 60 verlängert werden kann.  
  • Insbesondere in Fällen, in denen KMU Schuldner:innen sind, werden aktuell weitaus höhere Zahlungsziele vereinbart.  
  • Auch wenn für Saisonwaren und langsam drehende Artikel eine Verlängerung der Frist vorgesehen ist, bleibt unklar, welche Waren davon erfasst werden.  
  • Die Ermächtigung der Europäischen Kommission, Leitlinien zum Umfang der eben beschriebenen Ausnahmen zu verfassen, kann diese Rechtsunsicherheit nur unzureichend beheben.  
  • Einzig für Buchhändler werden zukünftig nicht von dem Anwendungsbereich der Verordnung erfasst sein. Es zeigt sich: Auch die Abgeordneten verstehen, dass starre Fristen nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen (da ansonsten kein Ausnahmetatbestand eingeführt worden wäre). Leider wurde es unterlassen, die Konsequenzen aus dieser Annahme zu ziehen und den Vorschlag insgesamt abzulehnen.   

Insgesamt wurde damit ein Kompromiss gefunden, der in vielen Fällen Anpassung von Geschäftsbeziehungen und eine Gefährdung der wirtschaftlichen Stabilität gerade von mittelständischen Unternehmen mit sich bringen würde.  

Die Mitgliedstaaten sollten die nunmehr anstehenden Diskussionen im Rat zum Anlass nehmen, den gewählten Ansatz zu überdenken, um nicht ungewollt massiv in Geschäftsverhältnisse einzugreifen und damit die wirtschaftliche Lage gerade mittelständischer Unternehmen zu gefährden.  

Seite drucken

Ansprechpartner

Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht