Steuervermeidung: Keine Bürokratie trotz geringer Risiken

Die EU und Deutschland drücken bei der Bekämpfung der Steuerflucht aufs Tempo. DER MITTELSTANDSVERBUND unterstützt das Vorgehen, warnt aber auch vor unnötigen Bürokratielasten.

Berlin, 22.06.2016 - Die Europäische Union hat den ersten Schritt getan, nun sind die nationalen Gesetzgeber gefragt. Mit dem "Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Steuervermeidung“, das der Europäische Rat in Kürze beschließen wird, ist ein Anfang gemacht.

Zukünftig sollen in der Europäischen Union Steuervermeidungspraktiken durch internationale Konzerne erschwert werden. Damit setzt die EU erste Teile der OECD-Vorschläge aus dem letzten Jahr um. Im Zentrum der beschlossenen Maßnahmen steht das sogenannte "Country-by-Country Reporting" (CbCR). Dabei sollen Konzerne u.a. Erträge, Ertragssteuern, Jahresergebnis, Eigenkapital, materielle Vermögenswerte und Zahlen der Beschäftigten nach Ländern aufgliedern. Diese Informationen wollen die Finanzämter international untereinander austauschen, um so unerwünschte steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zügig zu identifizieren. Auch der deutsche Gesetzgeber zieht bereits nach. Das Bundesfinanzministerium hat einen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Vorgaben vorgelegt. Darin geht es vorwiegend um technische Einzelheiten.

Berichtserfordernisse treffen auch den Mittelstand

Doch gerade in den technischen Details schlummern die Probleme. Deswegen hat DER MITTELSTANDSVERBUND zu dem Referentenentwurf Stellung bezogen. Grundsätzlich macht sich der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes schon seit längerem stark für eine gerechtere Besteuerung zwischen internationalen Konzernen einerseits und kleinen und mittleren Betrieben andererseits. Steuerliche Transparenz ist hierfür unabdingbar. Doch von den Dokumentationspflichten sind auch Steuerzahler betroffen, die eigentlich ein nur geringes Risiko für Steuervermeidung aufweisen. Mit dabei: Der deutsche Mittelstand.

Zum Beispiel wurde international vereinbart, dass Unternehmen mit einem Umsatz ab 750 Mio. Euro und einer Auslandsniederlassung im Rahmen des CbCR berichtspflichtig sind. DER MITTELSTANDSVERBUND fordert die Bundesregierung dazu auf, sich zukünftig stärker für den Mittelstand einzusetzen. Denn diese Schwelle ist für Industrieunternehmen in der Tat sehr hoch. Bei vergleichbaren Erträgen fallen die Umsätze im Handel üblicherweise jedoch erheblich höher aus. Somit werden auch mittelständische Handelsunternehmen von den CbCR-Pflichten erfasst - obwohl diese grundsätzlich nicht im Verdacht stehen, Steuern zu hinterziehen.

Bürokratie trotz geringer Risiken

Hinzu kommt, dass sich der Erfüllungsaufwand sich stark unterscheiden dürfte. Nach Expertenmeinungen sind die erforderlichen betriebswirtschaftlichen Eckdaten für kapitalmarktorientierte Unternehmen relativ leicht zusammengestellt, da bereits ähnliche Berichtspflichten bestehen. Teurer dürfte es dagegen für den Mittelstand werden. Gerade dort, wo das Risiko am geringsten scheint, muss also ein Zahlenwerk erst mühsam zusammengestellt werden. Um wenigstens diesen Teil zu erleichtern, hat DER MITTELSTANDSVERBUND vorgeschlagen, eine im Entwurf geforderte Darstellung der "wichtigsten Geschäftstätigkeiten" eines Konzerns und eine "Auflistung" aller Unternehmen und Betriebsstätten zusammenzuführen, wenn das Unternehmen dies als zweckmäßig erachtet.

Informationelle Selbstbestimmung sicherstellen

Bedenken hat der Verband auch bei dem geplanten Verfahren zur Datenübermittlung zwischen den Finanzbehörden weltweit. Laut Referentenentwurf ist vorgesehen, dass Beteiligte vor der Datenübermittlung nicht angehört werden sollen. Auch diesen Aspekt sieht DER MITTELSTANDSVERBUND kritisch. Schließlich muss sichergestellt werden, dass die Daten auch im Empfängerland mit einer angemessenen Vertraulichkeit behandelt werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Konkurrenten oder Geschäftspartner im Ausland bei Verhandlungen über einen entscheidenden Informationsvorteil verfügen.

Außerdem müssen die Angaben ausländischer Finanzbehörden nachvollziehbar sein, damit Steuerzahler ihre Rechte dort durchsetzen können. Was würde zum Beispiel passieren, wenn das Bundeszentralamt für Steuern versehentlich fehlerhafte Angaben übermittelt? Daher muss die deutsche Finanzverwaltung auch gegenüber dem Steuerpflichtigen Transparenz walten lassen. DER MITTELSTANDSVERBUND fordert eine einmonatige Anhörungsfrist vor der Datenübermittlung, damit solchen Konflikten vorgebeugt werden kann.

Fazit

Die EU und die OECD-Staaten nehmen beim Thema "Maßnahmen gegen Steuervermeidung" endlich Fahrt auf. Es ist zu begrüßen, dass eine Vielzahl von Staaten jetzt Maßnahmen ergreift, um unfairen Steuerpraktiken endlich Einhalt zu gebieten. Kreative Steuergestaltungsmöglichkeiten gehen oftmals auf Kosten des Mittelstands, der letztlich die ausgefallenen Steuern zusätzlich mittragen muss. Die Gefahr, dass die neuen Maßnahmen zu Doppelbesteuerung führen können, ist zwar real - für den Mittelstand aber eher überschaubar. Auch wenn die EU-Kommission und die Bundesregierung darauf achten müssen, dass es keine Alleingänge gibt, die letztlich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und Europa gefährden: Eine mögliche Doppelbesteuerung darf kein Argument gegen die jetzt umzusetzenden Maßnahmen sein.

Allerdings entstehen durch die nun verabschiedeten und in Planung befindlichen Gesetze neue administrative Anforderungen für die Wirtschaft - und zwar insbesondere ausgerechnet bei denjenigen, denen Steuervermeidungspraktiken von vornherein kaum zur Verfügung stehen. Im weiteren Umsetzungsprozess gilt es, diese Lasten zu minimieren. DER MITTELSTANDSVERBUND wird die Verfahren aktiv begleiten.

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