Boris Hedde: Starke Händler für starke Standorte

E-Commerce setzt den stationären innerstädtischen Handel unter Druck. Noch kann der Strukturwandel aktiv gestaltet werden, doch es muss ein Umdenken erfolgen, sagt IFH-Geschäftsführer Boris Hedde.

SynergienNews: Sie nehmen an der vom Bundeswirtschaftminister Sigmar Gabriel initiierten "Dialogplattform Einzelhandel" teil. Wie geht die Arbeit voran?

Boris Hedde: ZunBoris Hedde, Geschäftsführer des IFH Institut für Handelsforschung GmbH Köln.ächst einmal freue ich mich sehr, dass das Thema Handel von Minister Gabriel angegangen wurde. Es wird dem Thema Einzelhandel damit sowohl personell als auch von der Stellung her Priorität verschafft. Jetzt haben wir ein Projekt, bei dem der Handel die Möglichkeit hat, Themen auf ein Tableau zu hieven und mit dem BMW intensiv zu diskutieren. Das ist meines Erachtens ein erster, aber sehr wichtiger Schritt.

SN: Was ist von der Dialogplattform zu erwarten?


Hedde: Vor dem Hintergrund des digitalen Wandels erarbeitet die Plattform in insgesamt 16 Workshops Strategien und Konzepte zu verschiedenen Themen, darunter Digitalisierung, Wettbewerbspolitik, Auswirkungen des Strukturwandels auf die Städte und den ländlichen Raum. Durch Einbindung möglichst vieler Stakeholder-Gruppen sollen Lösungsvorschläge entwickelt werden, die breite Unterstützung erfahren. Die Ergebnisse sollen Anfang 2017 vorliegen.

SN: Reichlich spät angesichts der Dynamik des digitalen Wandels.

Hedde: Sicherlich sollte keine Zeit verloren werden. Wir veröffentlichen daher auf der Webseite www.dialogplattform-einzelhandel.de auch die Zwischenergebnisse der einzelnen Workshops. Sie können dort bereits jetzt vielerlei Empfehlungen nachlesen.

SN: Stichwort Innenstädte: Welche Fragen stellt sich die Dialogplattform?

Hedde: Die lebendige Stadt ist sicherlich für den mittelständischen Handel das zentrale Thema. Die Digitalisierung treibt den Strukturwandel massiv voran. Die Frage ist: Wie geht der Handel eigentlich damit um? Der ist ja in starkem Maße stationär verankert und vielfach in den Innenstädten zu finden. Somit ist das Thema Innenstadt selbstredend sehr zentral. Wir diskutieren, wie sich unsere Städte, unser Zusammenleben und unsere Art des Einkaufens entwickeln werden.

SN: Ihr Haus hat hierzu schon diverse Studien vorgelegt, mit teilweise alarmierenden Ergebnissen.

Hedde: Das ist richtig. Eine IFH-Modellrechnung geht für das Jahr 2020 von einem Online-Umsatzanteil am Einzelhandel insgesamt zwischen 11,9 und 15,3 Prozent aus – ohne Güter des täglichen Bedarfs liegt dieser 2020 sogar bei bis zu 25,3 Prozent. Durch die dadurch entstehenden Kannibalisierungseffekte könnten in den nächsten fünf Jahren rund 45.000 stationäre Geschäfte vor dem Aus stehen. Das bedeutet: Bis 2020 droht mehr als jedem zehnten Ladengeschäft die Schließung. Das betrifft nicht nur, aber in starkem Maße auch die innerstädtischen Einkaufszonen.

SN: Wie können Städte und städtischer Handel gegensteuern?

Hedde: Attraktive Innenstädte punkten mit Gestaltung, Ambiente, Erlebnischarakter und Angebots- bzw. Sortimentsvielfalt. Während in Sachen Erlebnis und Ambiente vor allem positive Akzente gesetzt werden können, führen Defizite im Warenangebot aus Konsumentensicht zu drastischen Einbußen der Attraktivität. Vor allem kleinere Städte haben hier vielfach Handlungsbedarf. Damit sich auch kleinere Städte für die Zukunft attraktiv aufstellen können, muss ein Umdenken erfolgen. Noch kann der Wandel aktiv gestaltet werden. Auch Kooperationen von Standorten oder ein strategisch angelegter prozessualer Rückbau können eine Chance sein.

SN: Nahezu überall gibt es Vereine oder Institutionen, die sich um Stadtentwicklung und Stadtmarketing kümmern.

Hedde: Die aber häufig auf zu wenig Unterstützung, auf zu wenig Kooperationsbereitschaft stoßen. Umgekehrt gibt es einige Beispiele von Projekten, die unter Einbindung aller relevanten Stakeholder hervorragende Konzepte zur Stadtentwicklung verfolgen. Dazu gehören unter anderem die Initiativen in Karlsruhe, Bochum, Wuppertal oder Münster.

SN: Was können die Verbundgruppen tun, um die häufig innerstädtischen Standorte ihrer Mitgliedsunternehmen zu sichern?

Hedde: In erster Linie können sie für ihre Handelspartner die Initiatoren, Begleiter, Helfer, vielleicht auch Anführer bei der Bewältigung des digitalen Wandels sein. E-Arbeit leisten die Verbundgruppen-Zentralen schon heute in vielfältiger Weise, indem sie die Online-Kanäle für die Mitglieder erschließen und indem sie sie bei der Migration zu integrierten Multichannel-Händlern unterstützen. Solche starken Multichannel-Händler braucht der Standort, solche Händler sichern den Standort.

Boris Hedde ist seit Ende 2009 Geschäftsführer der IFH Institut für Handelsforschung GmbH Köln.

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