Gastbeitrag: Hans Peter Wollseifer

Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) sagt "Nein!" zu einem einheitlichen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Warum, erklärt er in einem exklusiven Gastbeitrag für die SynergienNews.

Berlin, 11.04.2014 — Das Thema "Lohnfindung" ist und bleibt für uns keine Frage, deren Regelung in Deutschland dem Staat obliegt. Als Ausdruck der gelebten Sozial- und Tarifpartnerschaft im Handwerk bewährt es sich seit Jahrzehnten, dass die Verhandlung und Vereinbarung von Löhnen und Arbeitsbedingungen autonome Aufgabe der Tarifvertragsparteien der jeweiligen Branche in der jeweiligen Region ist. Sie können am besten einschätzen, welcher Lohn für welche Branche angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen passgenau und am Markt durchsetzbar ist. Denn die so ermittelten Löhne müssen die Unternehmen gegenüber ihren Kunden und Auftraggebern erwirtschaften.

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen HandwerksGerade weil das Handwerk auch der Wirtschaftszweig mit der längsten Erfahrung bei tariflichen Mindestlöhnen ist, sagen wir zu einem einheitlichen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn: "Nein!".

Niemand kann dem Handwerk "Lohndumping" unterstellen. Das Gegenteil ist richtig. Wie kaum ein anderer Wirtschaftsverband unterstützt der Zentralverband des Deutschen Handwerks mit seinen Mitgliedsverbänden vor Ort seit Jahren den Abschluss von Mindestlohntarifverträgen und setzt sich für deren Allgemeinverbindlichkeitserklärung (und damit Gültigkeit für alle Unternehmen der jeweiligen Branche) durch die zuständigen staatlichen Stellen ein.

Der gesetzliche Mindestlohn wird jedoch viele Verlierer produzieren. Die Gefahr von Arbeitsplatzvernichtung besteht bei einer undifferenzierten gesetzlichen Regelung überall dort, wo steigende Lohnkosten die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe bedrohen. Dazu kommt, dass bereits jetzt beispielsweise durch Scheinselbständigkeit Mindestlöhne unterlaufen werden, wenn nicht genügend kontrolliert wird.

Ein halbes Jahr Karenzzeit für Langzeitarbeitslose in einem neuen Arbeitsverhältnis reicht nicht aus - wirkungsvoller wäre eine Ausnahme für ein Jahr. Und die geplanten Lohnsubventionen sind nicht nur ein teures Instrument, das oft Mitnahmeeffekte provoziert, sie sind auch gerade für kleine Betriebe sehr aufwändig zu verwalten.

Nicht zu verstehen ist jedoch, dass der Mindestlohn für alle Jugendlichen ab einer Altersgrenze von 18 Jahren gelten soll. Heute sind die Jugendlichen im Schnitt bereits über 18 Jahre alt, wenn sie eine Ausbildung beginnen. Es ist fatal, wenn gerade bildungsschwächeren jungen Menschen negative Anreize durch den gesetzlichen Mindestlohn gesetzt werden. Immerhin können sie so Bruttolöhne von rund 1.500 Euro erzielen. Das ist ein vergifteter Köder. Die Reue kommt oft zu spät, wenn diese jungen Menschen merken, dass sie in einer beruflichen Sackgasse gelandet sind.

Die duale Berufsausbildung muss erste Wahl sein. Schon heute finden wir in Deutschland zu viele junge Menschen ohne Ausbildung, die nur mit aufwändigen Fördermaßnahmen in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Um nur ein Beispiel zu nennen: Handwerk und Bundesagentur für Arbeit arbeiten bereits jetzt in einem gemeinsamen Projekt daran, über 25-jährigen eine zweite Chance zu eröffnen und den Weg zu einer Erstausbildung zu ebnen.

Es ist aus Sicht des Handwerks daher sehr wichtig, dass der Mindestlohn erst für junge Menschen ab 25 Jahren greift. Das darf natürlich nur für diejenigen gelten, die noch keinen beruflichen oder akademischen Abschluss haben.

Die Bundesregierung kann mit einer solchen Regelung die duale Ausbildung stärken. Das ist wichtig, denn sie ist bereits jetzt unter Druck - durch die demografische Entwicklung, die die Zahl der Schulabgänger sinken lässt, und durch den Trend zu Abitur und Studium. Die Wirtschaft erwartet, dass die Bundesregierung nicht sehenden Auges auf eine Situation zusteuert, die letztlich die Wirtschaft schwächt, eine höhere Jugendarbeitslosigkeit begünstigt und das Heer der Arbeitslosen ohne Qualifikation in Krisenzeiten anschwellen lässt.

Hans Peter Wollseifer ist Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

Der Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder.

Seite drucken

Zurück zur Übersicht