Wie das Elektroauto Deutschlands Straßen erobern will

Lange stand es nicht gut um die Elektromobilität in Deutschland. Das soll sich nun ändern. Gemeinsam mit Fachexperten diskutierte die Bundesregierung am 6./7. Juni neue Strategien in Berlin.

Berlin, 10.06.2016 – "Das Elektroauto – Extravaganz oder automobile Normalität der Zukunft?" Unter diesem Motto stand die Nationale Fach- und Ideenkonferenz der Bundesregierung, die am 6. und 7. Juni rund 700 Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zum Thema Elektromobilität in Berlin zusammenbrachte. Auf der zweitätigen Veranstaltung stand nicht nur das private Elektroauto im Fokus. Auch Ideen für den Einsatz von anderen Elektrofahrzeugen im öffentlichen Nahverkehr wie Busse, Car-Sharing-Angebote und weitere Dienste wurden thematisiert.

Elektromobilität braucht Emotionen

Das Thema ist nicht neu. Einige namenhafte Unternehmen arbeiten schon jetzt an eigenen Ideen für den Einsatz von Elektrofahrzeugen. So auch die Deutsche Post. Der Zulieferer verfolgt das ambitionierte Ziel, alle 50.000 Flottenfahrzeuge durch elektrische Modelle zu ersetzen – vom Zweirad bis zum Lieferwagen.

Wie wichtig dabei Emotionen sind, erklärte Achim Kampker, der bei der Post den Geschäftsbereich Elektromobilität leitet. „Die Erfahrung zeigt, dass Fahrzeuge emotional aufgeladen sein müssen, um einen breiten Markt zu finden“, so Kampker. Unternehmen wie Tesla zeigten eindrucksvoll, wie das funktioniert. Sowohl das Design als auch die hohe Leistung stehe bei Tesla im Fokus der Entwicklung. Dagegen werden E-Fahrzeuge in Deutschland bislang ausschließlich als "Vernunft-Variante" wahrgenommen. Ohne Emotionen werde die grüne Antriebsform auch im wirtschaftlich sinnvollen Stadtverkehr keine wirkliche Chance haben.

Dass nur Emotionen zum Erfolg der E-Mobilität fehlen, sahen zahlreiche Konferenzteilnehmer anders. So argumentierten kritische Stimmen, dass die Antriebsform ohne ein vernünftiges Mobilitätskonzept und ohne Zusatzantriebe für Elektroautos keine Zukunft haben werde. „Warum passt das, was es auf dem Markt gibt, noch nicht zu unserem Nutzungsverhalten?“, brachte es Barbara Lenz, Verkehrsforscherin am Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt, auf den Punkt.

Das Fazit aus der Diskussion: Um E-Autos auf dem Markt noch stärker etablieren zu können, müssen intelligente Informationstechnologien eingesetzt, die Kunden emotional angesprochen werden und es muss ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden. Keine leichte Aufgabe also.

Die Konkurrenz schläft nicht

Für einen nachhaltigen Erfolg sei aber auch das noch nicht ausreichend, meinte Günther Oettinger. Der EU-Kommissar für die Digitale Wirtschaft und Gesellschaft warb in seiner Rede für eine gemeinsame europäische Strategie zur Elektromobilität. Voraussetzung sei zunächst ein konsequenter Ausbau der digitalen Infrastruktur. „Akzeptieren Sie im Zweifel eher Schlaglöcher, als Funklöcher“, formulierte er überspitzt.

Denn die Konkurrenz schläft nicht. „Tesla, Uber, Google und Apple traue ich einiges zu“, so Oettinger. Deutschland müsse bei den Zukunftsthemen "Vernetzung von Fahrzeugen" und "automatisiertes Fahren" aufs Gaspedal drücken, um im Wettbewerb mit us-amerikanischen IT-Unternehmen nicht den Anschluss zu verlieren. 

15.000 Ladesäulen: Neue Elektrifizierungswelle kommt

Rund 700 Experten nahmen an der Nationalen Fach- und Ideenkonferenz der Bundesregierung am 6. und 7. Juni 2016 in Berlin teil. Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, zeigte sich überzeugt, dass die E-Mobilität einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leiste. "Das Einhalten der Emissionsvorschriften ist langfristig nur möglich, wenn sich Elektromobilität durchsetzt", so der Verkehrspolitiker. „Deutschland ist mehr als Standort Diesel – auch wir sollten ein Zeichen setzen für mehr Nachhaltigkeit“, ergänzte er. Um neue Dynamik bei der Elektromobilität zu entfachen, plane sein Ministerium unter anderem eine flächendeckende Ladeinfrastruktur mit 15.000 zusätzlichen Ladesäulen in ganz Deutschland.

Seiner Ansicht fehlt es in Deutschland aber an wichtigen Kompetenzen für die Batteriezellproduktion. Hier gelte es rasch aufzuholen. „Je länger wir warten, desto größer ist die Gefahr, dass die Zukunft der Mobilität woanders entwickelt wird“, so Bomba. Um sich an die Spitze zu stellen, brauche Deutschland mehr Risikobereitschaft und beschleunigte Entscheidungsprozesse.

Initiativkreis sucht Strategien für Verbundgruppen

Ähnlich sieht das auch DER MITTELSTANDSVERBUND. Der Spitzenverband hat sich das Thema bereits im letzten Jahr auf die Fahne geschrieben. Mit dem „Initiativkreis Elektromobilität“ steht der Verband regelmäßig in Kontakt mit Experten und Verantwortlichen aus dem Verbundgruppenumfeld. „Wir beobachten, dass das Thema auch in der mittelständischen Wirtschaft auf Interesse stößt“, so Susan Kinne, die den Initiativkreis leitet.

„Ein Elektroauto ist für Unternehmen nicht nur aus Imagegründen erstrebenswert. Beispiele aus der Praxis belegen, dass sich der Einsatz gewerblich genutzter Fahrzeuge heute schon rechnen kann“, erklärt die Elektromobilitätsexpertin. „Nur wer sich für neue Mobilitätskonzepte offen zeigt, kann im Wettbewerb der Zukunft standhalten“. Welche Vorteile Verbundgruppen durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen haben können, ist auch Thema des nächsten Initiativkreises. Die Veranstaltung findet am 20. Juni bei der messenger Transport + Logistik GmbH in Berlin statt.

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