Bundeswirtschaftsministerium: Genossenschaften für die Zukunft rüsten

Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 23. November ein Symposium über die Zukunft der Genossenschaften abgehalten. Auf der Veranstaltung wurden die Ergebnisse der Studie "Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft" vorgestellt.

Berlin, 23.11.2015 — Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries, eröffnete am 23. November im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin ein Symposium über Genossenschaften. Bei der Zusammenkunft diskutierten die Teilnehmer darüber, ob die Rechtsform der Genossenschaft auch weiterhin den aktuellen Herausforderungen gerecht wird und ob Verbesserungen möglich und nötig sind.

Staatssekretärin Brigitte Zypries beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie"Die Genossenschaften genießen zu Recht ein hohes Ansehen. Seit über 150 Jahren stehen sie für Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Von den Wohnungsgenossenschaften über die Genossenschaftsbanken bis hin zu den Konsumgenossenschaften sind sie Ausdruck des gelebten solidarischen Prinzips: Gemeinsam schaffen wir es! Entwicklungen wie der demografische Wandel, die Energiewende und die Flüchtlingskrise geben auch Genossenschaften neue Betätigungsfelder. Die Genossenschaften als regional verankerte, nachhaltig orientierte und vor allem auch mitgliederstärkste Wirtschaftsorganisationen in Deutschland werden dies meistern. Wir diskutieren heute, ob es gesetzgeberischer Änderungen bedarf", erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Zypries zur Eröffnung des Symposiums in Berlin.

Studie: Genossenschaften liegen im Trend

Hauptgegenstand des Symposiums waren die Ergebnisse der im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellten Studie "Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft". Die vom Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln sowie der Unternehmensberatung Kienbaum angefertigte Analyse zeigt, dass sich das geltende Genossenschaftsrecht bewährt hat.

Genossenschaften liegen im Trend: Im Zeitraum 2009 bis 2011 waren 900 Neugründungen zu verzeichnen. Die Genossenschaft wird als modern und krisenfest wahrgenommen und gilt als geeignete Organisationsform für bürgerschaftliches Engagement. Ende 2013 gab es in Deutschland ca. 7.900 genossenschaftliche Unternehmen mit über 21,6 Mio. Mitgliedern.

Zu der besonders relevanten und teils kontrovers diskutierten Fragestellung rund um das System der Pflichtmitgliedschaft/Pflichtprüfung konstatiert die Studie:

"Was das genossenschaftliche System von Pflichtmitgliedschaft, Pflichtprüfung und Gründungsprüfung betrifft, so zeigen die empirischen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung, dass sich dieses grundsätzlich bewährt hat. Insgesamt besteht seitens der überwältigenden Mehrheit der Genossenschaften große Zufriedenheit mit dem genossenschaftlichen Prüfungsregime, und das obwohl dieses für sie mit verpflichtenden Auflagen verbunden ist. Eine deutliche Mehrheit der befragten Genossenschaften spricht sich gegen eine mögliche Abschaffung von Pflichtmitgliedschaft und Pflichtprüfung aus. Die empirischen Ergebnisse deuten jedoch teilweise darauf hin, dass der damit verbundene zeitliche und organisatorische Aufwand sowie Kosten für eine kleine Minderheit der Genossenschaften nach wie vor als hoch einzuschätzen sind. Die Ergebnisse der Befragung der nicht genossenschaftlich verfassten Wohnprojekte und Dorfläden weisen aus, dass ein kleiner Teil von Gründern die genossenschaftlichen Anforderungen als einen der ausschlaggebenden Gründe für die Wahl einer anderen Rechtsform angibt.

Daher bleibt für einen Teil kleinerer Gründungsvorhaben - trotz der Erleichterungen durch die Novellierung des Genossenschaftsgesetzes 2006 und die geübte Prüfungspraxis der genossenschaftlichen Prüfungsverbände – nur das Ausweichen in andere Rechtsformen wie die Unternehmergesellschaft (still), sehr häufig aber auch in das einfachere Rechtskleid des Vereins, auch wenn dieser für wirtschaftliche Zwecke ausdrücklich nicht geschaffen wurde.

Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände haben in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um neu zu gründende und neu gegründete kleine Genossenschaften kostenmäßig zu entlasten. Gleichwohl wäre eine weitere Selbstbindung der Prüfungsverbände eine Möglichkeit, die Kosten der genossenschaftlichen Gründungsberatung und -begutachtung für kleine Genossenschaften weiter zu reduzieren und/oder ihre Zahlung zeitlich zu strecken. Womöglich könnten auch die Beiträge für die Pflichtmitgliedschaft in den genossenschaftlichen Prüfungsverbänden gesenkt werden. Schließlich könnten die Anforderungen und damit einhergehend der zeitliche und organisatorische Aufwand und die anfallenden Kosten der Pflichtprüfung kleiner Genossenschaften weiter gesenkt und die Art der Prüfung (noch mehr) an deren Bedürfnisse angepasst werden.

Überdies kann die angesprochene Problematik auch durch gesetzliche Veränderungen gemildert oder gar gelöst werden. Im Hinblick auf intendierte Einsparungen und Entbürokratisierungen ist an weitere Prüfungserleichterungen für kleine Genossenschaften zu denken. Alternativ könnte eine Kooperationsgesellschaft als Rechtsformvariante der Genossenschaft oder auch als Variante einer anderen Rechtsform eingeführt werden. Eine Kooperationsgesellschaft außerhalb des Genossenschaftsgesetzes würde die Besonderheiten des genossenschaftlichen Prüfungswesens in Deutschland in gegenwärtiger Form (mit der, wie die Studie zeigt, die Genossenschaften insgesamt zufrieden sind) aufrechterhalten. Weitere Maßnahmen außerhalb des Genossenschaftsgesetzes wären eine offenere Handhabung des wirtschaftlichen Vereins oder Änderungen im Vereinsrecht."


Die Ergebnisse der Studie wurden in der anschließenden Podiumsdiskussion diskutiert. Teilnehmer waren:

  • Dr. Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes e.V. (DGRV)
  • Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW)
  • Mathias Fiedler, Vorstandssprecher des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften e.V. (ZdK)
  • Dr. Tobias Behrens, Geschäftsführer der STATTBAU HAMBURG Stadtentwicklungsgesellschaft mbH und
  • Hermann Lastring, Aufsichtsratsvorsitzender der Bürgergenossenschaft Welbergen eG.
Die spannende Frage ist damit, ob und wenn ja, welche gesetzgeberischen Maßnahmen auf die Studie folgen. Dr. Hubert Weis, Abteilungsleiter Handels- und Wirtschaftsrecht im federführend zuständigen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, der auch die Schlussworte zum Symposium sprach, teilte mit, dass man sämtliche durch die Studie evaluierten Punkte sorgfältig berücksichtigen werde, darunter auch den bereits im Jahr 2013 veröffentlichten Referentenentwurf zur Kooperationsgesellschaft.

Dieser Gesetzentwurf schlägt vor, nach dem Vorbild der im GmbH-Recht erfolgreich eingeführten "Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)" im Genossenschaftsbereich eine " Kooperationsgesellschaft (haftungsbeschränkt)" einzuführen. Sehr kleine Genossenschaften sollen sich als Kooperationsgesellschaft gründen können und sind dann von der Pflichtmitgliedschaft und der Pflichtprüfung befreit.

Weitere Informationen:

Download: Studie "Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft"
Anhörung zur Genossenschaftsnovelle ohne konkretes Ergebnis

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