Corona: 10-Punkte-Papier der Deutschen Wirtschaft

Der Leiter des Corona-Krisenstabes der Bundesregierung, Herr Generalmajor Breuer, hat die vier Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft um ein Papier zu der Frage gebeten, was aus dem bisherigen Verlauf der Corona-Pandemie für die Bewältigung künftiger vergleichbarer Krisen zu lernen ist. In diesem Papier werden zu 10 zentralen Themenbereichen detaillierte Hinweise gegeben.

Berlin, 14.03.2021 - Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen zwei Jahren gravierende Auswirkungen gehabt. Mehr als 122.000 Menschen in Deutschland haben im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion ihr Leben verloren und eine mehrfach höhere Zahl von Menschen leidet heute an den Folgeschäden einer durchlittenen Infektion. Auch der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Nach Berechnungen des IW Köln kostete Corona bisher 350 Milliarden Euro Wertschöpfung.

Die deutsche Wirtschaft hat einen substanziellen Beitrag zur Krisen- und Pandemiebewältigung geleistet. Unternehmen haben seit Beginn der Coronapandemie massiv in den Schutz ihrer Beschäftigten investiert und einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge sowie zur Durchimpfung der Bevölkerung geleistet. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände haben erfolgreich eine zentrale Koordinierungs- und Informationsfunktion in der Pandemie übernommen.

Mittlerweile wurden viele Erkenntnisse darüber gewonnen, was in der Krise geholfen hat, und was uns bei anderweitigem Vorgehen besser geholfen hätte. Der nachfolgende 10-Punkte-Plan der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft mit konkreten Vorschlägen, um die Resilienz für künftige Krisen und Pandemien zu stärken, soll hierzu einen Beitrag leisten. Dieses Papier wurde auf Anfrage des Leiters des Corona-Krisenstabes der Bundesregierung, Herr Generalmajor Breuer, erstellt. DER MITTELSTANDSVERBUND unterstützt diese Vorschläge.

  1. Politik transparent und konsistent ausgestalten
  • Der Regelungsrahmen muss einheitlich und konsistent sein, wobei unterschiedlichen regionalen Betroffenheiten durch differenzierte Re- gelungen Rechnung getragen werden kann. Dort wo einheitliche Regelungen nicht möglich sind, müssen die Maßnahmen in einer digitalen Regulierungslandkarte transparent und aktuell zur Verfügung gestellt werden.
  • Alle Maßnahmen müssen evidenzbasiert, notwendig, hinreichend bestimmt und angemessen sein.
  • Die Regelungen müssen verlässlich auf allen Ebenen und mit ausreichend Vorlauf kommuniziert werden, damit sie organisiert und umgesetzt werden können.
  • Die Verbände und andere wichtigen Intermediäre müssen koordiniert und kontinuierlich in die Stäbe und Maßnahmenplanungen eingebunden werden.
  1. Digitalisierung zum Schlüssel der Krisen- und Pandemiebekämpfung mache
  • Der Zugang zu Verwaltungen muss digital und medienbruchfrei möglich sein. Verwaltungen müssen so ausgestattet sein, dass sie auch im Krisenfall voll arbeitsfähig sind.
  • Das Pandemiemanagement muss digitalisiert und die Digitalisierung im Gesundheitssystem vorangetrieben werden. Insbesondere muss die elektronische Patientenakte zügig ausgebaut werden (u. a. zur Impfsurveillnce), um zukünftig das Pandemiemanagement zu er leichtern.
  • Um mobile digitale Arbeit zu unterstützen, muss der Breitbandausbau vorangetrieben und müssen die zahlreichen bestehenden Hemmnisse abgebaut werden.
  • Betriebsverfassung und -mitbestimmung müssen digitalisiert werden. Bewährte Ausnahmeregelungen müssen fortgeführt, die Arbeit der Betriebsräte und Wahlvorstände muss umfassend digitalisiert und die Möglichkeit für elektronische Wahlen dauerhaft vorgesehen werden.
  1. Verwaltungsstrukturen professionalisieren
  • Die IT-Struktur zur Beantragung von Wirtschaftshilfen muss bundesweit einheitlich und interoperabel sein. Die Antragsverfahren müssen vereinheitlicht werden.
  • Es bedarf einer möglichst weitgehenden und bundeseinheitlichen Umstellung von Genehmigungs- auf Anzeigeverfahren.
  • Die Abwicklung von Entschädigungsansprüchen soll vollständig im Verhältnis zwischen Arbeitnehmern als Leistungsberechtigten und dem Staat als Leistungsverpflichtetem erfolgen.
  1. Mobilität und reibungslosen Güter- und Warenverkehr sicherstellen
  • Zur Sicherstellung der Produktion und Versorgung müssen Grenzschließungen und unkoordinierte nationale Maßnahmen für Warentransporte, Berufspendler, Saisonkräfte, Monteure sowie Geschäftsreisende im Binnenmarkt vermieden werden.
  • Um den globalen Gesundheitshandel auch über die Corona-Krise hinaus zu erleichtern, sollten alle WTO-Länder sich rasch auf ein WTO-Gesundheitsabkommen einigen.
  • Eine engagierte Handelspolitik der EU und der Bundesregierung für freien Handel, offene Märkte sowie WTO-konforme weltweite Wettbewerbsbedingungen sowie stabile Handelsbeziehungen in der EU- Nachbarschaft muss sichergestellt werden.
  1. Systemrelevante Versorgung absichern
  • Es bedarf einer individuellen Definition von betriebskritischen Bereichen, Personen und Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Abläufe innerhalb des Unternehmens und der Lieferkette beitragen. Dabei muss die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt werden.
  • Es müssen bundeseinheitliche Kriterien und Vorgaben zur Arbeitsquarantäne sowie bundeseinheitliche Flexibilisierungsoptionen zur Arbeitszeit geschaffen werden.
  • Es müssen Sonderregeln zur Aufrechterhaltung der Logistik- und Lieferketten etabliert werden.
  1. Wirtschaftshilfen pragmatisch ausgestalten und Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen
  • Corona-Wirtschaftshilfen müssen einfach und unbürokratisch beantragt und schnell ausgezahlt werden. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Anpassung der Förderbedingungen an branchenspezifische Gegebenheiten sind zentral für eine passgenaue Unterstützung in Krisenzeiten.
  • Die Krisenregelungen beim Kurzarbeitergeld müssen evaluiert und ggf. für zukünftige Krisen angepasst werden.
  • Um die notwendige Liquidität der Unternehmen in der Krise zu stärken, sollten das bewährte Kriseninstrument der Verlustverrechnung genutzt und die Verlustverrechnung dauerhaft ausgeweitet und die Möglichkeit des Verlustrücktrags deutlich verbessert werden.
  1. Arbeits-, Gesundheits- und Infektionsschutz wirksam, bedarfsorientiert und flexibel ausgestalten
  • Unternehmen und Betriebe brauchen zur Pandemiebekämpfung ein Regelwerk, welches schlank, übersichtlich und für Kleinst- und Kleinbetriebe verständlich ist und auch von diesen so angewendet werden kann, dass die betriebsspezifischen Besonderheiten hinreichend berücksichtigt werden können. Sie brauchen auch in Zukunft Unterstützung und keine Sanktionierung.
  • Der Datenschutz muss von Anfang an bei den Regelungen mitgedacht und, wenn erforderlich, müssen auch konkrete Ermächtigungsgrundlagen geschaffen werden.
  • Unternehmen und Betriebsärzte müssen frühzeitig in Impfkampagnen eingebunden werden und benötigen ausreichend Impfstoff (keine Kontingentierung). Die Impfstoffmengen müssen planbar und verlässlich sein und es muss Transparenz über die Liefermengen (auch an die einzelnen Bereiche) und die Lieferwege hergestellt werden. Darüber hinaus muss auch zukünftig eine belastbare gesetzliche Grundlage für betriebsärztliches Impfen bestehen. Herausforderungen für KMU müssen zudem stärker berücksichtigt werden.
  1. Alle Bildungsbereiche stärken und krisenfest ausgestalten
  • Der noch laufende Digitalpakt Schule muss mit Hochdruck umgesetzt und der Ansatz beim neuen Digitalpakt 2.0 mit einer tragfähigen Ausstattung und Infrastruktur für die Schulen, insbesondere auch für die Berufsschulen, muss verbessert werden.
  • Auch für Prüfungen im Bereich der Beruflichen Bildung müssen Ausnahmeregelungen von Corona-Anordnungen erlassen werden, nicht nur für Schulen und Hochschulen.
  • Um einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten zu können, müssen Schulen und Kitas besser vorbereitet werden, um mit den Herausforderungen zukünftiger Gesundheitskrisen besser umgehen zu können.
  1. Versorgungsinfrastruktur in Deutschland stärken und ausbauen
  • Der Forschungs- und Produktionsstandort für Gesundheitsgüter muss gestärkt werden, um zukünftige Krisen besser bewältigen zu können.
  • Um Zulassungsprozesse für dringend benötigte medizinische Güter unter Wahrung aller Qualitätssicherungen zu beschleunigen, sollte sich die Bundesregierung für eine stärkere gegenseitige (Teil-)Anerkennung von Zulassungsverfahren zwischen der EU und Partnerstaaten wie die USA einsetzen. Zudem sind pragmatische Lösungen bei der Umsetzung der neuen EU-Verordnung über Medizinprodukte wichtig.
  1. Intelligente Krisen- und Pandemieschutzkonzepte entwickeln
  • Bund und Länder müssen den nationalen Pandemieschutzplan auf Grundlage der auf europäischer Ebene getroffenen Maßnahmen von Tag 1 an anpassen und umsetzen und somit zu einem intelligenten Pandemieschutzkonzept für Wirtschaft und Bürger weiterentwickeln.
  • Ganzheitlich angelegte Konzepte, wie z. B. das Modell des „Sozialraumorientierten Bevölkerungsschutzes“ können für die zukünftige Pandemie- und Krisenbewältigung hilfreich sein.
  • Der effektivste Weg die Pandemie wirksam einzudämmen, ist eine weltweite Impfkampagne. Die Aufhebung von Handelsbarrieren in Form nationaler Exportverbote für Impfstoffe, impfrelevanter Vorprodukte oder Produktionsausrüstung kann die Impfproduktion deutlich beschleunigen und die wünschenswerte zeitnahe Versorgung von Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützen.

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