EU-Pläne zum Insolvenzrecht: Niemand hat Schuld

Wachstum und Arbeitsplätze – das sind die erklärten Ziele des einheitlichen Insolvenzrechts der EU-Kommission. Ob der vorgelegte Vorschlag tatsächlich die gewünschten Effekte bringen wird, bezweifelt DER MITTELSTANDSVERBUND stark.

Brüssel, 25.11.2016 - Am Anfang stand der Befund der EU-Kommission, dass hinsichtlich der Restrukturierung angeschlagener Unternehmen in Europa weitestgehend Uneinheitlichkeit herrscht. Einige Mitgliedstaaten sehen eine solche Möglichkeit nicht vor bevorzugen ein System der Unternehmens-Liquidation. In allen anderen Mitgliedstaaten sind die Restrukturierungs-Möglichkeiten und –Verfahren unterschiedlich ausgestaltet. Nach Ansicht der Mitgliedstaaten besteht daher ein Klima des Misstrauens, wenn es um Geschäftskontakte mit Partnern aus dem EU-Ausland geht. Zudem seien dadurch gescheiterte Unternehmen teilweise daran gehindert, neue Geschäftsmodelle schnell auf den Weg zu bringen. Insgesamt sei dadurch das Wachstum im EU-Binnenmarkt gebremst.

Die EU-Kommission überlegt daher bereits seit einiger Zeit, wie die Insolvenzrechte der Mitgliedstaaten angeglichen werden können, um diese negativen Effekte zu verhindern. Schlussendlich hat sich die Kommission auf einen Kompromiss geeinigt; anstatt die Insolvenzrechte vollständig zu harmonisieren, soll nunmehr lediglich der Teilbereich der Restrukturierung einheitlich durch die EU geregelt werden. Alles andere hätte laut Kommission zu sehr in andere Rechtsgebiete der Mitgliedstaaten eingegriffen (Arbeitsrecht, Steuerrecht, Gesellschaftsrecht).

Präventive Umstrukturierung

Die Kommission schlägt zunächst vor, dass Mitgliedstaaten in ihren Rechtsordnungen Verfahren zur präventiven Umstrukturierung vorsehen müssen. Unternehmen sollen so „am Leben gehalten werden“, ohne dass eine Liquidation erfolgen muss. Hierzu sollen auch Frühwarnsysteme aufgestellt werden, die kritische Unternehmen schnell identifizieren können.

Einzel-Vollstreckungen der Schuldner sollen bei Eröffnung eines solchen Verfahrens ausgesetzt werden können. Dennoch sollen Gläubigern und Anteilseigner des betroffenen Unternehmens Rechtsmittel zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere sollen die Mitgliedstaaten Ausnahmen für bestimmte, noch festzulegende Gläubigerklassen vorsehen können.

Dem Unternehmen soll grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden, das Verfahren in Eigenverwaltung vorzunehmen.

Zweite Chance

Zudem soll Unternehmen das Recht auf eine zweite Chance eingeräumt werden. Die Kommission versteht darunter eine Restschuldbefreiung nach Ablauf einer bestimmten Frist. Für die Kommission sollen Unternehmen nach drei Jahren gerechnet ab Einleitung eines Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahrens von ihren restlichen Schulden befreit werden können.

Ausnahmen sollen nur bestehen, wenn ein Unternehmen unredlich gehandelt hat, das Restrukturierungsverfahren missbraucht oder bereits mehrmals ein solches Verfahren in Anspruch genommen hat. Die Mitgliedstaaten sollen weiterhin Schuldnerklassen bestimmten können, die generell von einer Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind.

Auch auf Gläubigerseite sollen einzelne Klassen, wie beispielsweise Arbeitnehmer, weiterhin Anspruch auf ihre Forderungen haben können.

Fazit

Gerade die vollständige Restschuldbefreiung nach drei Jahren wird Grund für Diskussionen bieten. DER MITTELSTANDSVERBUND hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass härtere Kriterien für einen redlichen Unternehmer herangezogen werden müssen, damit ein wirklicher Missbrauch dieses Verfahrens ausgeschlossen ist. Insbesondere muss die Gefahrengeneigtheit eines Unternehmens bei dieser Bewertung berücksichtig werden. Ansonsten würden riskante Unternehmens-Modelle, die unter Umständen erhebliche Rückstände aufbauen, gegenüber anderen privilegiert.

Weiterhin definiert die Kommission nicht, ab wann ein Unternehmen als „insolvent“ gilt. Missbrauch gerade im grenzüberschreitenden Geschäft ist damit weiterhin möglich.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird daher in der politischen Diskussion Nachbesserungen fordern müssen, um aus diesem Vorschlag ein praktikables Instrument zu machen.

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