LKW-Kartell: MITTELSTANDSVERBUND erwägt Klagenbündelung

Über 14 Jahre lang haben LKW-Hersteller Verkaufspreise für Lastkraftwagen abgesprochen und die Kosten für strengere Emissionsvorschriften in abgestimmter Form weitergegeben. Dies wurde nun von der EU-Kommission mit einem Rekordbußgeld geahndet. Geschädigte können Schadensersatz verlangen.

Brüssel, 12.08.2016 - Die Europäische Kommission hat festgestellt, dass MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen haben. Die LKW-Hersteller hatten über 14 Jahre lang Verkaufspreise für Lastkraftwagen abgesprochen und die mit der Einhaltung der strengeren Emissionsvorschriften verbundenen Kosten in abgestimmter Form weitergegeben. Wegen dieser Verstöße verhängte die Kommission eine Rekordgeldbuße in Höhe von 2.926.499.000 Euro. Dem LKW-Hersteller MAN wurde die Geldbuße erlassen, weil das Unternehmen als Kronzeuge die Kommission von dem Kartell in Kenntnis gesetzt hatte. Alle Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu.

Vestager mit klarer Botschaft

Zur Erläuterung des Kommissionsbeschlusses führte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager aus:

„Heute haben wir mit der Verhängung von Rekordgeldbußen wegen eines schweren Kartellverstoßes ein Ausrufezeichen gesetzt. Insgesamt sind über 30 Millionen LKW auf Europas Straßen unterwegs, die rund drei Viertel des Warenverkehrs auf dem Lande in Europa abwickeln und daher von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Europa sind. Daher kann nicht hingenommen werden, dass MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF, die zusammen etwa neun von zehn der in Europa produzierten mittelschweren und schweren LKW stellen, untereinander ein Kartell bilden, anstatt miteinander zu konkurrieren. 14 Jahre lang haben sie Preise und die Weitergabe der Kosten für die Einhaltung von Umweltnormen an die Kunden abgesprochen. Unsere Botschaft ist klar: Kartelle haben in Europa keinen Platz.“

Kartell seit 1997

Die Güterbeförderung über die Straße bildet einen wichtigen Teil des europäischen Verkehrssektors. Ihre Wettbewerbsfähigkeit wird durch den Preis der Lastkraftfahrzeuge, die die Spediteure einsetzen, unmittelbar beeinflusst. Von dem heutigen Beschluss betroffen sind vor allem die Märkte für die Herstellung mittelschwerer (Nutzlast zwischen sechs und 16 Tonnen) und schwerer Lastkraftwagen (Nutzlast über 16 Tonnen). Wie die Untersuchung der Kommission ergab, hatten MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF ein Kartell gebildet, dem im einzelnen Folgendes zur Last gelegt wird:

  • Koordinierung der Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Unter dem Bruttolistenpreis ist der Herstellerpreis ab Werk zu verstehen. Diese Bruttolistenpreise dienen als Grundlage für die Preisbildung in der LKW-Industrie. Für den Endpreis, den der Käufer schließlich für einen LKW zahlt, werden diese Bruttolistenpreise an nationale und lokale Gegebenheiten angepasst.
  • Abspache des Zeitplans für die Einführung von Emissionssenkungstechnologien für mittlere und schwere Lastkraftwagen in Reaktion auf die zunehmend strengeren europäischen Emissionsnormen (von Euro III bis zur derzeit gültigen Euro VI-Emissionsklasse).
  • Weitergabe der Kosten für die Emissionssenkungstechnologien, deren Einführung zur Einhaltung der zunehmend strengeren europäischen Emissionsnormen (von Euro III bis zur derzeit gültigen Euro VI-Emissionsklasse) erforderlich war, an die Kunden.

Das 1997 gegründete Kartell erstreckte sich auf den gesamten EWR und hielt 14 Jahre, bis die Kommission 2011 unangekündigte Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Unternehmen vornahm. Zwischen 1997 und 2004 verliefen die Absprachen unter den Mitgliedern der höchsten Führungsebene, wobei die Zusammenkünfte gelegentlich am Rande von Handelsmessen oder anderen Branchenveranstaltungen stattfanden. Hinzu kamen telefonische Kontakte. Ab 2004 wurde das Kartell über die deutschen Tochtergesellschaften der LKW-Hersteller organisiert, und der Informationsaustausch vollzog sich generell auf elektronischem Wege. Über die gesamten 14 Jahre hinweg kreisten die Absprachen um die gleichen Punkte: Anhebung der Bruttolistenpreise, Zeitplan für die Einführung neuer Emissionssenkungstechnik und Weitergabe der damit verbundenen Kosten an die Kunden.

"Kartelle haben in Europa keinen Platz."EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager

Vor dem heutigen Beschluss war den LKW-Herstellern im November 2014 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zugegangen. Im Zuge dieser Kartelluntersuchung wurde auch ein Verfahren gegen Scania eingeleitet. Da Scania nicht von diesem Vergleichsbeschluss erfasst wird, wird das Verfahren für dieses Unternehmen als reguläres Kartellverfahren (ohne Vergleich) weitergeführt.

Die von der Kommission aufgedeckten Kartellabsprachen betrafen neue Emissionssenkungstechniken, deren Einführung durch die Umweltnormen Euro III bis Euro VI erforderlich wurde. Dabei vereinbarten die Hersteller insbesondere den Zeitplan für die Einführung neuer Techniken zur Anpassung an die jeweiligen neuen Emissionsklassen und die Weitergabe der damit verbundenen Kosten an die Kunden. Das Kartell diente jedoch nicht dem Ziel, die Einhaltung der neuen Emissionsnormen zu vermeiden oder Emissionswerte zu manipulieren. Einen Zusammenhang zwischen diesem Kartell und Versuchen oder Praktiken der Umgehung von Abgasreinigungsanlagen in bestimmten Kraftfahrzeugen (durch sogenannte Abschalteinrichtungen) konnte die Kommission nicht feststellen.

Mit dem Beschluss wird deutlich, wie wichtig ein funktionierender, wettbewerbsbasierter Markt für die Entwicklung und den Einsatz kostengünstiger Emissionstechnik ist, die in der kommenden europäischen Strategie zur Förderung emissionsarmer Mobilität eine wichtige Rolle spielen soll.

Geschädigte können Schadensersatz verlangen

Alle Personen und Unternehmen, die durch das beschriebene wettbewerbswidrige Verhalten geschädigt wurden, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates gelten Kommissionsbeschlüsse in Gerichtsverfahren vor einzelstaatlichen Gerichten als rechtskräftiger Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und gegen geltendes Recht verstoßen hat. Selbst wenn die Kommission gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen verhängt hat, kann Schadensersatz gewährt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können, müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein und individuell im Einzelfall geprüft werden. Das LKW-Kartell bestand von 1997 bis zum Jahr 2011. Das von der EU-Kommission aufgedeckte Kartell betrifft LKW's ab 6 t. Für in dieser Zeit nachweislich erworbene Fahrzeuge kann eventuell Schadensersatz geltend gemacht werden, sofern der Käufer Schaden wegen kartellbedingter überhöhter Preise erlitten hat. Das gilt auch für zu hohe Leasingraten. Weiterhin ist die unmittelbare oder mittelbare Betroffenheit (Kauf direkt vom Hersteller oder über einen Händler) bei der Schadensfeststellung zu beachten.

MITTELSTANDSVERBUND prüft Klagenbündelung

Eine individuelle Rechtsverfolgung bedeutet für den Geschädigten ein erhebliches Kostenrisiko. Vor diesem Hintergrund bietet sich eine gemeinschaftliche Vorgehensweise an, um eine Reduzierung der Kosten zu erreichen. Aktuell lässt sich jedoch noch nicht absehen, inwieweit auch Verbundgruppen betroffen sind und Interesse an einer gemeinsamen Vorgehensweise hätten.

Wer auf Seiten der Verbundgruppen oder deren Anschlusshäusern durch den Kauf eines oder mehrerer LKW's in besagtem Zeitraum von den Kartellabsprachen betroffen ist und Interesse an einer Bündelung der Aktivitäten haben, kann sich gerne beim MITTELSTANDSVERBUND melden. Der Einfachheit halber kann dazu ein Fragebogen-Formular genutzt werden, das Interessierte ausfüllen und sodann an uns zurück schicken können. DER MITTELSTANDSVERBUND prüft im Anschluss eine entsprechende Bündelung

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