MITTELSTANDSVERBUND fordert Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten

Föderalismus und Einschränkungen benachteiligen den stationären Handel im Wettbewerb mit Online-Händlern. Bei der Dialogplattform Einzelhandel sprach sich DER MITTELSTANDSVERBUND für mehr Freiheiten bei der Ladenöffnung aus.

Berlin, 25.01.2017 - Demografischer Wandel, geändertes Verbraucherverhalten, technologische Neuerungen und Digitalisierung - die Strukturen des Einzelhandels verändern sich nachhaltig. Um in diesem Strukturwandel neue Perspektiven aufzuzeigen, einer Verödung der Innenstädte und einer Unterversorgung im ländlichen Raum entgegenzuwirken, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Dialogplattform Einzelhandel entwickelt.

Hintergrund der Dialogplattform

Im Mittelpunkt steht dabei der Dialog zwischen den betroffenen Stakeholdern, d. h. Unternehmen und Verbänden, Wissenschaft, Gewerkschaft, Bund, Ländern und Kommunen. Wie können die Einzelhandelsunternehmen, Kommunen, Länder und Bund auf den tiefgreifenden Strukturwandel reagieren? Welche Herausforderungen entstehen für die Beschäftigten? Diese und andere Fragen sollen mit den Betroffenen in Workshops diskutiert und Lösungsansätze entwickelt werden.

Die Workshop-Reihe Wettbewerbspolitik behandelt wettbewerbspolitische Themen und Implikationen. Dazu gehören einerseits mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf vertikale Bindungen der Lieferkette, andererseits Themen wie Ladenöffnungszeiten, der Wettbewerb bei Paketdiensten, Zahlungsverfahren, der grenzüberschreitende Warenverkehr und Fragen des Verbraucherschutzes.

Während sich die erste Workshop-Veranstaltung Anfang 2016 den wettbewerbsrechtlichen und kartellrechtlichen Gesetzesrahmen widmete, setzte der nun am 19. Januar durchgeführte zweite Workshop seinen Schwerpunkt im Bereich der Ladenöffnungszeiten.

Nach einem Impulsvortrag des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, wurde das Thema im Rahmen einer Podiumsdiskussion, an der neben Vertretern der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V., des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg e.V. und ver.di auch der Geschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES, Dr. Marc Zgaga, teilnahm, kontrovers diskutiert.

Förderale Regelungen zu Lasten des Einzelhandels

Das Ladenschlussgesetz war bis vor gut zehn Jahren ein Bundesgesetz. Im Rahmen der Föderalismusreform wurde die Zuständigkeit auf die Bundesländer übertragen, die ab 2006 unterschiedliche Regelungen erließen. Das betrifft nicht nur die Sonntage, sondern auch z.B. die werktäglichen Abendstunden oder den 24. und 31. Dezember (=Werktage mit Sonderregelung). Einige Bundesländer haben zwischenzeitlich Evaluationen durchgeführt, zu einigen Landesgesetzen gibt es Urteile der Verwaltungs- und Verfassungsgerichte, insbesondere das Urteil des BVerfG vom 9.12.2009, AZ 1 BvR 2857/07 zum Berliner Ladenöffnungsgesetz.

Das klare Petitum des MITTELSTANDSVERBUNDS: Das Verbot der Sonntagsöffnung ist eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten des stationären Einzelhandels.

Digitaler Wandel fordert Umdenken

Digitalisierung und gesellschaftlicher Wandel verändern das Verbraucherverhalten. "Verbraucher kaufen heute anders ein als vor 30 Jahren. Sie shoppen in ihrer Freizeit – die ist vor allem abends und am Wochenende", bringt es MITTELSTANDSVERBUND-Geschäftsführer Dr. Marc Zgaga auf den Punkt. Der Onlinehandel erwirtschaftet deshalb einen erheblichen Teil seiner Umsätze am Sonntag.

Der wachsende Online-Umsatz geht damit in großem Maße zu Lasten des stationären Einzelhandels, der trotz steigender Kaufkraft hieran nicht partizipieren kann. Und nicht zu vergessen: Innenstädte werden als lebendig und lebenswert empfunden, wenn sie den Menschen verschiedene Vorteile bieten: Wohnraum, Kultur (Feste, Theater, Museen, Kino), Erholung (Parks, Freizeitangebote, Gastronomie) und attraktive Einkaufsgelegenheiten. Letztere sind die wichtigsten Frequenzbringer für die Innenstädte. Ohne sie sterben die Innenstädte.

Sonntag wird zum Online-Shoppingtag

Auch wenn der stationäre Händler digital wird - crosschannel, multichannel, omnichannel, hier muss jeder Händler seine eigene Strategie finden - im Zentrum steht aber nach wie vor das stationäre Handelsgeschäft. "Der Kunde erwartet hier die gleichen Qualitäten, die er aus dem Onlinehandel kennt: ein großes Produktportfolio, Verfügbarkeit, Preistransparenz. Zusätzlich erwartet er Service und Beratung", so Zgaga. Nur mit guter Beratung zu punkten, genüge hier nicht. Gerade die Warenverfügbarkeit spiele eine immer größere Rolle. Der Kunde wartet nicht, sondern kauft sofort – das ist immer öfter online, und zwar vor allem am Sonntag.

MITTELSTANDSVERBUND-Geschäftsführer Dr. Marc ZgagaDass nicht alle Möglichkeiten von Ladenöffnungszeiten ausgereizt werden, hat die Freigabe der Öffnungszeiten in den Abendstunden 2006 und 2007 gezeigt: Hier wurde für eine kurze Zeit experimentiert und es wurden je nach Standort unterschiedliche Lösungen gefunden. In kleineren Städten schließen die Läden um 20 Uhr, teilweise früher. An anderen Standorten und für bestimmte Warengruppen schließen Läden um 22 oder 24 Uhr. In den Gemeinden stimmen sich die Händler untereinander ab, so dass der lokale Kunde auf weitgehend einheitliche Öffnungszeiten trifft. Das System funktioniert.

Spitzenverband fordert ein Ende der Einschränkungen

Auch für den Sonntag ist das nach Auffassung des MITTELSTANDSVERBUNDES machbar. "Eine Freigabe würde nicht dazu führen, dass an allen Sonntagen rund um die Uhr alle Geschäfte geöffnet wären. Sie würde ebenfalls dazu führen, dass je nach Standort und Produktgruppe passende Lösungen für die Kunden und die Händler gefunden werden", mahnt der Geschäftsführer des Spitzenverbandes.

Das kann in Großstädten andere Ergebnisse bringen als in Kleinstädten und wieder andere in Urlaubsorten. Dabei ist jede einheitliche, einschränkende Vorgabe schädlich, denn sie kann die spezifischen Kundenwünsche und wirtschaftlichen Überlegungen nicht angemessen berücksichtigen.

Der Flickenteppich der von Bundesland zu Bundesland und dort teilweise von Warengruppe zu Warengruppe unterschiedlichen Vorgaben zur Sonntagsöffnung machen es für Verbraucher und Händler unnötig schwer, eine attraktive und wirtschaftlich sinnvolle Lösung zu finden. Gerade filialisierte Händler, die in mehreren Bundesländern aktiv sind, können so nur schwer eine passende Unternehmensstrategie finden und umsetzen. Der Onlinehandel hat dieses Problem nicht und damit einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.

Hinzu kommt der vielfach für Sonntagsöffnungen geforderte Anlass. Dieser muss nach der aktuellen Rechtslage in vielen Bundesländern in der Form gegeben sein, dass er für sich genommen ein hohes Besucheraufkommen im jeweiligen Ort erwarten lässt. Die Ladenöffnung darf nur „aus Anlass“ einer solchen Veranstaltung stattfinden. "Das gerichtsfest nachzuweisen ist schwierig bis unmöglich", kritisiert Zgaga. Die Abgrenzung, welche Besucherfrequenz durch den „Anlass“ und welche Frequenz durch die Ladenöffnung ausgelöst wird, ist höchst problematisch. Aus diesem Grund sind viele angekündigte Sonntagsöffnungen auf Betreiben einzelner Interessengruppen kurzfristig untersagt worden.

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