Die Klimaschutzampel zeigt für Bäckerei Ermer schon viel Grün

Handwerksunternehmer müssen vielen Sätteln gerecht werden. In erster Linie ist da ihr Handwerk, das sie perfekt beherrschen müssen. Wer außerdem selbst ausbildet und auch Migranten als Lehrlinge aufnimmt, lernt die ohnehin umfangreiche Bürokratie wieder neu kennen. Daneben gilt es natürlich auch, die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen zu meistern. Rohstoffeinkauf gehört dazu und Kalkulation, aber zum Beispiel auch die Energiekosten effizient zu halten. Von diesem ganz speziellen Multitasking weiß die Bäckerei Ermer aus dem Kreis Bautzen zu berichten.

Bernsdorf, 31.03.2019 – Nicht, dass Claudia Finster besonders knauserig wäre. Oder gerne auf Kosten anderer durchs Leben ginge. Aber dass das Beratungsangebot für eine aufwändige Klimaschutzberatung kostenfrei war, sei das schlagende Argument für ihre Einwilligung gewesen, gibt die Juniorchefin der Bäckerei Ermer unumwunden zu. Das Angebot kam vom MITTELSTANDSVERBUND, einem Spitzenverband der deutschen Wirtschaft, der die Interessen von ca. 230.000 mittelständischen Unternehmen in rund 310 Verbundgruppen aus rund 45 Branchen vertritt. Der hat mit Förderung vom Bundesumweltministerium das Pilotprojekt „Klimaprofi für den Mittelstand“ aufgelegt, das unter anderem das Bäckerhandwerk bei der Umsetzung von Klimaschutz-Maßnahmen unterstützt.

Dr. Sabine Schäfer, Referentin für Klima und Energie, DER MITTELSTANDSVERBUND mit Claudia Finster, die Juniorchefin der Bäckerei Ermer.Das zurückliegende Jahr war für die kleine Handwerksbäckerei Ermer in Bernsdorf/Oberlausitz teuer. In der Backstube waren über Ostern Fußboden und Decke saniert worden, inklusive der gesamten Deckenbeleuchtung. Arbeiten, für die die Bäckerei eine Woche Betriebspause machen musste. Claudia Finsters Eltern, Bäckermeister Roland Ermer und seine Frau Birgit, wollten es sich trotz dieser großen Investition nicht nehmen lassen, erfolgreiche 30 Jahre Selbständigkeit zu feiern. Ganz zünftig und groß, mit einem Tag der offenen Tür, Bierzelt, Gulaschkanone und Backstubenführung: „Man will den Leuten ja auch was zeigen.“

Hinzu kommt auch noch das Engagement in der Flüchtlingsbetreuung, das dazu geführt hatte, dass Ermers jetzt einen jungen afghanischen Asylbewerber als Lehrling eingestellt haben. Auch ein teurer Spaß, wenn man erfährt, wie schwierig es im deutschen Behördendschungel ist, die Integration der Migranten in die Arbeitswelt formal, sozusagen bürokratiefest, zu bewerkstelligen. Der Zeitaufwand ist enorm, und Zeit ist Geld.

Aber die angebotene Klimaberatung sollte kostenlos erfolgen. Daher hat Claudia Finster, die gelernte Konditorin mit zusätzlichem Abschluss als Verkaufsleiterin und als Tochter auf dem Weg zur Meisterprüfung die Juniorchefin der Bäckerei, mit Dr. Sabine Schäfer vom Projekt „Klimaprofi für den Mittelstand“ den Rundgang durch die Bäckerei gewagt – mit sehr gutem Ergebnis, wie sich bei der Abschlussbesprechung jüngst herausstellte.

Solarmodule sorgen für Warmwasser

„Wir erstellen im Rahmen des Projekts für den teilnehmenden Betrieb eine sogenannte ‚Klimaschutzampel’, die Schwächen, Potentiale und Stärken des Unternehmens festhält,“ erläutert Klimaprofi Schäfer das Vorgehen. „Bäckerei Ermer hat dabei wirklich gut abgeschnitten: Bei den Mitarbeitern ist ein hohes Klimaschutzbewusstsein vorhanden, teilweise hat der Betrieb schon auf LED-Beleuchtung umgestellt, und auf den Außenwänden der Gauben an der Südfassade werden Solarmodule zur regenerativen Erzeugung von Warmwasser genutzt.“ Als Schwächen werden der Bezug von Graustrom, die energieintensive Beleuchtung im Verkaufsraum und Café, die veralteten und Strom fressenden Kühlmöbel sowie das Auslieferungsfahrzeug aufgeführt, das mit normalem Verbrennungsmotor arbeitet. Zumindest die Sache mit der Verkaufsraum-Beleuchtung dürfte alsbald auf der „grünen“ Habenseite stehen. Denn Claudia Finster hat bereits in die Wege geleitet, dass die energieintensiven Natriumdampflampen durch sparsame LED-Beleuchtung ersetzt werden. Weitere Investitionen seien, so Finster, erstmal nicht drin.

Auf den Außenwänden der Gauben an der Südfassade sind Solarmodule zu sehen, die zur regenerativen Erzeugung von Warmwasser genutzt weden.Hoher Geldeinsatz muss für den Erfolg auch nicht immer sein, gibt Beraterin Schäfer Entwarnung. Auch kleine Verhaltensänderungen können sich sehr positiv auf die Stromrechnung auswirken. Etwa die Innenbeleuchtung der Kühlzelle auszuschalten, wenn niemand dort drinnen arbeiten muss. Oder die Gummidichtungen der Kühlzellentür regelmäßig zu prüfen und geschmeidig zu halten, damit dort keine Kältebrücke entsteht. Oder die Temperatur der Kühltheke im Verkaufstresen nicht auf 4° C herunterzuregeln. Der hygienisch kritische Punkt liegt bei 7° C. Selbst wenn ein Puffer einkalkuliert wird und man als Obergrenze 6° C einstellt, macht sich schon der für zwei Grad weniger verbrauchte Strom in der Energiebilanz bemerkbar, verspricht Sabine Schäfer. Schöner Nebeneffekt: „Die Kuvertüre wird nicht so leicht grau“, freut sich die Konditorin Finster, die ihre süßen Kreationen nicht nur lebensmitteltechnisch richtig gekühlt, sondern auch in bester Optik präsentieren möchte.

Einzig die Frage, ob das nächste Lieferfahrzeug schon einen Elektroantrieb haben soll, führt im Führungsteam der Bäckerei noch zu Diskussionen. Die Testwoche mit einem „Stromer“, die zum Paket des Klimaberatungsprojekts gehört, hatte die Erwartungen nicht in Gänze erfüllen können. Das Testfahrzeug hatte zu wenig Ladekapazität für die tägliche, rund 150 km lange Auslieferungstour, außerdem war die Transportkapazität des Fahrzeugs für die Backwarenmengen des Lieferkundengeschäfts zu gering. „Mein Vater hat es schon einmal ausgerechnet,“ berichtet Claudia Finster, „von den derzeitigen Kosten her wird das nächste Auslieferungsfahrzeug wohl nochmal ein Diesel sein.“ Als Klimaschutzexpertin Schäfer anbietet, Kosten und Vorteile der verbesserten nächsten Generation der Stromer zusammenzustellen, hält sich Juniorchefin Claudia Finster ein Hintertürchen offen: „Noch ist nichts entschieden, wir kaufen das neue Lieferauto erst nächstes Jahr.“ Um dann aber doch noch nachzuschieben: „Aber Stand heute wird die Wahl eher nicht auf ein E-Auto fallen...“

Mehrfach positive Erfahrungen mit Migranten

Zaghaftigkeit entspricht sonst eher nicht Claudia Finsters Temperament. Das merkt man zum Beispiel an ihrem Engagement in der Migrantenfrage. Schon vor zwei Jahren war über eine Schule der Kontakt zu einem jungen Afghanen entstanden, der in der Bäckerei ein Praktikum absolvieren wollte. „Das war nicht einfach, da gab es auch bei den Mitarbeitern anfangs Widerstände,“ erinnert sich Finster. „Aber der junge Mann hatte das richtig gut gemacht, so dass wir ihm schließlich eine Lehrstelle angeboten haben. Dummerweise wollte er lieber Fliesenleger werden.“ Die Episode machte die Bäckerei Ermer aber aufgeschlossen für die Flüchtlingsthematik.

Als im vergangenen Spätherbst eine Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft anfragte, ob ein Migrant einen Praktikumsplatz erhalten könne, stimmten Ermers gerne zu; in der Vorweihnachtszeit ist jede helfende Hand willkommen. Der Neue, ebenfalls aus Afghanistan, überraschte positiv. „Wir haben sofort gemerkt, dass er in seiner Heimat schon in einer Bäckerei gearbeitet hat, so wie er mit Teig umgeht,“ erinnert sich Claudia Finster. Auch die Kollegen akzeptierten Khan schnell. Er kann anpacken, versteht fast alles und sieht auch, wo Hilfe nötigt ist. „Und er redet nicht viel. Das ist in der Backstube von Vorteil,“ stellt die Juniorchefin fest, „gerade morgens um 1.00 Uhr...“

Jede Menge Formulare und Bürokratie

Inzwischen sind Bäckerei und Flüchtling einig geworden, dass Khan eine Bäckerlehre beginnt. Da sein Asylverfahren jedoch noch nicht abgeschlossen ist, sind noch viele Behördengänge erforderlich. Claudia Finster steht dem jungen Mann dabei zur Seite und ist, wenn wieder einmal ein amtliches Formular unverständlich ist, ebenso frustriert über den „Papierkram“ wie der Afghane selbst auch. Ungewissheit verspüren beide mit Blick auf die Berufsschule in Bautzen, wo zweimal in der Woche der Unterricht stattfindet. Wie klappt es mit der Sprache? Wird Khan dem Lernpensum folgen können? Wer zahlt die Busfahrkosten zur Berufsschule hin und zurück?

„Wir wollen Berufsausbildungsbeihilfe beantragen,“ berichtet Finster. Da ist dann bestimmt ein erneuter Behördengang nötig, wahrscheinlich wieder mit unverständlichen Formularen. Es wäre schade, meint die Handwerkerin mit Blick auf die Gesamtsituation, wenn dieser Wust an bürokratischen Vorschriften dazu führen würde, dass Handwerksunternehmer davor zurückschreckten, Migranten als Lehrlinge einzustellen.

Khan hat im Übrigen noch einen Lehrlingspartner bekommen. „Der junge Abiturient, der noch nie so richtig gearbeitet hat, will unbedingt Bäcker werden. Wir sind jetzt sehr gespannt!“ Von Vorteil ist nun, dass beide Lehrlinge gemeinsam in dieselbe Berufsschulklasse gehen. Claudia Finster hofft, dass sie sich gegenseitig helfen können – und dass Khan wegen seiner Lehre ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht bekommt. Dann hat sie den Kopf wieder freier für die weitere Entwicklung der Bäckerei, die sie später einmal vom Vater übernehmen möchte. Die Prüfung zur Bäckermeisterin steht dann auf dem Plan – und Kosteneinsparungen durch effizienten Klimaschutz.

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