Strompreispaket der Bundesregierung: Tendenz richtig – im Detail aber falsche Signale

Nach Einigung der Ampelkoalitionäre auf ein Entlastungspaket für gewerbliche Stromkosten konnten Eingriffe in den Marktpreis gemäß der Forderung des MITTELSTANDSVERBUNDES verhindert werden. Nicht produzierende Branchen wurden nicht berücksichtigt, während die größten Stromverbraucher über Gebühr begünstigt werden.

Berlin, 09. November 2023 – Die Bundesregierung hat sich nach zähem Ringen über Regelungen zur Einführung eines sogenannten „Strompreispaketes“ verständigt. Die Gesamtentlastung allein im Jahr 2024 wird auf „bis zu 12 Milliarden Euro“ beziffert – für die Profiteure.

Bestandteile des Strompreispaketes

Die Absenkung der Stromsteuer für die Jahre 2024 und 2025 auf den europäischen Mindestwert gilt für alle Mitgliedsunternehmen aus dem produzierenden Gewerbe, die bereits eine Entlastung gemäß § 9b Stromsteuergesetz geltend machen konnten: Die Stromsteuer wird für sie auf das europäische Mindestniveau von 0,05 Cent pro Kilowattstunde reduziert. Bisher musste der Betrag, um für eine Entlastung in Frage zu kommen, mindestens 250 Euro pro Jahr betragen, was einem Stromverbrauch von knapp 50.000 Kilowattstunden entspricht. Unter diese Regelung fallen rund 700.000 deutsche Unternehmen – von der Bäckerei bis zum Stahlkonzern. Für den Großteil der Unternehmen bedeutet das eine Senkung um 1,5 Cent pro Kilowattstunde. Gleichzeitig ist mit dieser Regelung die Verlängerung des Spitzenausgleichs für Industrieunternehmen vom Tisch und damit auch der bürokratische Aufwand inklusive Kosten, die für eine Beantragung des Spitzenausgleiches bisher angefallen waren.

Die Fortführung der Strompreiskompensation wurde für weitere fünf weitere Jahre vereinbart und über den Wegfall des sogenannten Selbstbehalts noch ausgeweitet. Finanziert wird diese Maßnahme über den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Die Strompreiskompensation gilt für 350 energieintensive Unternehmen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihre Produktion in Länder mit geringen Umweltauflagen verlegen („Carbon Leakage“). Mit der Kompensationsregelung ist es nun möglich, einen Teil der zu zahlenden CO2-Kosten auszugleichen. Der sogenannte „Super-Cap“ für die 90 besonders stromintensiven Unternehmen in Deutschland begrenzte bisher die CO2-Kosten auf maximal 1,5 Prozent der Bruttowertschöpfung. Diese Entlastung soll ebenfalls für die nächsten fünf Jahre fortgeführt und durch den Wegfall des Sockelbetrags ausgeweitet werden. Mit der Strompreiskompensation und dem „Super-Cap“ werden Unternehmen von emissionshandelsbedingten indirekten CO2-Kosten entlastet.

Einschätzung DER MITTELSTANDSVERBUND

Der erzielte Kompromiss gewährleistet zwar, dass die Senkung der Stromsteuer und die Strompreiskompensation konform mit EU-Wettbewerbsrecht sind, was durch die vorab erteilte Genehmigung bestätigt wird. Darüber hinaus unterstützt die Vereinbarung nach Aussagen des Bundesfinanzministers die Einhaltung der Schuldenbremse im nächsten Jahr, allerdings werden Entlastungen ab 2026 an die Bedingung einer Gegenfinanzierung geknüpft.

Kritisch anzumerken ist, dass im Rückblick auf das vergangene Jahr, in dem die Energiekrise unseren Alltag maßgeblich mit beeinflusste, die nun getroffene Vereinbarung zur Industrie-Energiepolitik großes Unverständnis hervorruft. Damals, als die Krise ihren Höhepunkt erreichte, standen insbesondere Gas- und in Teilen auch die Stromverfügbarkeit im Fokus der Anstrengungen um Energieeffizienz. In dieser kritischen Phase leisteten Teile der Industrie durch die zeitweise Stilllegung ihrer Produktion einen schmerzhaften, aber essenziell notwendigen Beitrag zur Energieeinsparung.

Heute, nachdem einige Zeit vergangen ist, hat die Transformation der Industrie hin zu mehr Energieeffizienz immer noch nicht die nötige Dynamik entwickelt. Erneut stehen zu hohe Energiekosten im Zentrum der Debatte, und wiederum sieht sich diese Sparte auf Unterstützung angewiesen – diesmal jedoch ohne die Auflage, bestimmte Standards in Sachen Energieeffizienz erfüllen zu müssen. Diese Entwicklung wirft kritische Fragen auf: Wie lässt sich diese Politik gegenüber jenen Unternehmen rechtfertigen, die keine Subventionen erhalten und die, auf sich allein gestellt, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch eigenes Engagement und Investitionen in Energieeffizienz sichern müssen?

Die Situation zeichnet ein Bild von verpassten Gelegenheiten und einer fehlenden konsequenten Linie in der Energiepolitik. Während einerseits die Dringlichkeit zur Effizienzsteigerung betont wird, bleiben andererseits konkrete Anforderungen und Förderungen aus. Es entsteht der Eindruck, dass kurzfristige Konsens-Notlösungen den langfristigen, strukturellen Veränderungen vorgezogen werden. Insgesamt zeigt sich, dass der Weg zu einer nachhaltigen und effizienten Energiezukunft nicht nur von technologischen Innovationen, sondern auch von konsistenten politischen Rahmenbedingungen abhängt, die alle Akteure in die Pflicht nehmen und faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Nur so kann eine echte Transformation gelingen, die sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigt.

"Die Streichung der veralteten Stromsteuer markiert einen bedeutenden Fortschritt und das Ende eines längst überholten Systems. Unser Wirtschaftsverband hat lange eine Abschaffung der Stromsteuern und -abgaben eingefordert. Aber es ist nur ein erster Schritt getan, denn das Vorgehen war halbherzig. Weite Teile des Mittelstandes wurden ausgelassen, weil nicht jedes Unternehmen ohne Produktion mit hohem Stromverbrauch, wie zum Beispiel der Lebensmitteleinzelhandel oder der Konsumelektronikhandel, zum produzierenden Gewerbe zählt und so von den dringend benötigten Entlastungen nicht profitiert. Es ist also unbedingt geboten, das Gesetz nachzubessern, um sachgerechte und eben auch faire Marktbedingungen herzustellen. Nach aktueller Beschlusslage müssen sich nicht begünstigte Unternehmen mehr um Energieeffizienz und eine Transformation in Richtung erneuerbare Energie bemühen als die größten stromverbrauchenden Industrieunternehmen. Das ist weder fair, noch bietet es den Begünstigten einen Anreiz zur Umstellung der aktuellen Produktionsweise. Und schließlich ist es schon gar kein Ausdruck einer beherzten und glaubhaften Klimapolitik", kommentiert Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES.

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