Gesetzentwurf zur mobilen Arbeit: Rechtsanspruch durch die Hintertür?

Parallel zur öffentlichen Debatte um verpflichtendes „Homeoffice“ für alle geeigneten Tätigkeiten als weitere mögliche Infektionsschutzmaßnahme wird in der Bundesregierung ein Gesetzentwurf zur mobilen Arbeit diskutiert. Auch wenn der noch im Oktober geplante Rechtsanspruch für die Beschäftigten derzeit wieder gestrichen ist, so droht er doch auf Umwegen zu kommen.

Berlin, 12.01.2021 – Nachdem Anfang Oktober 2020 Bundesarbeitsminister Heil einen ersten Entwurf für einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit vorgelegt hatte (wir informierten hier), liegt seit Ende November ein neuer, überarbeiteter Referentenentwurf vor. Eine Beschlussfassung im Kabinett ist für Ende Januar 2021 angekündigt.

Wesentlicher Inhalt des Entwurfes ist:

  • In der Gewerbeordnung wird geregelt, dass der Arbeitgeber mit den Beschäftigten deren Wunsch nach mobiler Arbeit erörtert.

    Einigen sich die Arbeitsvertragsparteien nicht über die gewünschte mobile Arbeit, muss der Arbeitgeber seine ablehnende Entscheidung form- und fristgerecht (innerhalb von zwei Monaten) mitteilen und begründen.

    Versäumt der Arbeitgeber dies, tritt eine gesetzliche Fiktion ein und die mobile Arbeit gilt entsprechend den vorgebrachten Wünschen für die Dauer von maximal sechs Monaten als festgelegt. Die gesetzliche Fiktion greift auch, wenn der Arbeitgeber der Erörterungspflicht nicht nachkommt.
  • Die Regelungen des Arbeitsschutzes bleiben unberührt. Danach hat der Arbeitgeber insbesondere die bei mobiler Arbeit auftretenden Gefährdungen zu beurteilen, Schutzmaßnahmen festzulegen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu unterweisen.
  • Die Tarifvertrags- und Betriebsparteien können weiterhin eigene Regelungen zu mobiler Arbeit treffen. Sie können dabei nicht nur innerhalb des bestehenden Rahmens von der gesetzlichen Regelung abweichen, sondern auch ein eigenständiges Konzept mobiler Arbeit entwickeln und regeln.
  • Für Beschäftigte, die regelmäßig mobil arbeiten, ist künftig die gesamte Arbeitszeit täglich vollständig zu erfassen. Die Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit dient dazu, die Einhaltung der täglichen Höchstarbeitszeit sowie der täglichen und der wöchentlichen Mindestruhezeiten sicherzustellen.
  • Versicherungslücken beim Unfallversicherungsschutz werden geschlossen. Künftig genießen Beschäftigte, soweit sie von zu Hause aus oder an einem anderen Ort außerhalb der Unternehmensstätte arbeiten, im gleichen Umfang Versicherungsschutz wie bei einer Tätigkeit in der Unternehmensstätte. Darüber hinaus wird das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von Kinderbetreuungseinrichtungen erfasst, wenn die Tätigkeit in dem gemeinsamen Haushalt ausgeübt wird. 

DER MITTELSTANDSVERBUND lehnt die im Entwurf enthaltenen Regelungen ab.

Zwar wurden der ursprünglich angedachte Rechtsanspruch auf mobile Arbeit sowie die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats wurden aus dem Entwurf gestrichen, jedoch geht auch die nun vorgeschlagene Zustimmungsfiktion zu weit.

Bei einem Versäumen von Frist- oder Formerfordernissen im Erörterungsprozess soll automatisch die von den Beschäftigten begehrte Art der mobilen Arbeit als vereinbart gelten – und dies soll alle vier Monate erneut durch die Beschäftigten initiiert werden können. 

Zudem ist im Gegensatz zum ersten Entwurf gar keine Einschränkung des Anspruchs vorgesehen. Dies sollte zumindest insoweit erfolgen, als dass nur Tätigkeiten gemeint sind, bei denen mobile Arbeit überhaupt möglich ist.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden besonders durch die Aufzeichnungspflichten belastet, die in § 112 GewO des Entwurfs vorgesehen sind. Die Entscheidung über die Aufzeichnung der Arbeitszeit sollte grds. in der Hand der Vertragsparteien bleiben. Diese Aufzeichnungspflicht geht schließlich auch weit über die Ausführungen des EuGH zur Bemessung der Arbeitszeit in der CCOO Entscheidung vom 14. Mai 2019 hinaus.

Einzig begrüßenswert ist die geplante Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes für mobile Arbeit. Diesen hatten die Sozialgerichte in vielen Einzelfällen recht eng und unübersichtlich ausgestaltet.

Darüber hinaus bleibt es bei den bereits durch den MITTELSTANDSVERBUND vorgebrachten Kritikpunkten: Mobiles Arbeiten bereits vielfach praktiziert, woran sich auch in Zukunft nichts ändern dürfte. Gerade im Sinne des Arbeitsschutzes in Corona-Zeiten gehen die Unternehmen hier verantwortungsvoll mit gutem Beispiel voran. Die Praxis findet von sich aus gute, pragmatische Lösungen im Sinne der Beschäftigten und unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse.

Wenn man mobiles Arbeiten seitens der Politik ernsthaft fördern wollte, dann sollten Beschäftigte und Unternehmen im Rahmen eines zeitgemäßen, flexibleren Arbeitsrechts mehr Freiräume erhalten. Mit den europäischen Vorgaben wäre z.B. ein Umstieg von einer täglichen auf eine wöchentliche Arbeitszeit vereinbar. Außerdem ist eine flächendeckende und leistungsfähige digitale Infrastruktur hierfür unabdingbare Voraussetzung.

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