Weltmeistertitel für Bürokratie bei der Energiewende – harte Probe für den Mittelstand 

Energieeffizienz liegt voll im Trend. Attraktive Förderprogramme sollen den Mittelstand zum Stromsparen motivieren. Gleichzeitig macht der "Bürokratieweltmeister" Deutschland seinem Namen alle Ehre. Eine Herausforderung für Zentrale und Mitglieder.

Siegen, 24.06.2014 — "Kommunikation ist ein Riesenthema", sagt Andrea Lutterbeck, Leiterin Technik, Energie FM bei der INTERSPORT Deutschland eG. Gemeinsam mit der Abteilung Ladenbau kümmert sie sich bei der Sportfachhandelskooperation seit 2012 um die Energieeffizienz in den Mitgliedsunternehmen. Das Thema ist eingebunden in die Tätigkeit der Mitgliederbetreuung. Für ihr Engagement wurde Lutterbeck in diesem Jahr für den Kreativpreis des MITTELSTANDSVERBUNDES nominiert.

Das Thema Energieeffizienz hat sich seit einigen Jahren zu einem echten Trend gemausert. Selbst die Politik erkennt langsam die großen Potenziale, die noch in Unternehmen und Privathaushalten schlummern. Deswegen hatte schon die letzte Bundesregierung zahlreiche Förderprogramme aufgelegt, um gerade Mittelständler zu motivieren, in Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren.


Am Anfang stand die Überzeugungsarbeit

"Diese Möglichkeiten mussten natürlich erst einmal kommuniziert werden", erklärt Lutterbeck. INTERSPORT arbeitet dazu eng mit dem MITTELSTANDSVERBUND und seinem geförderten Projekt "Mittelstand für Energieeffizienz" zusammen. Mit Erfolg: bislang haben bereits rund 140 INTERSPORT-Mitglieder an dem Energieeffizienzprojekt des Spitzenverbandes des kooperierenden Mittelstandes teilgenommen und konnten ihren Energieverbrauch so jeweils um durchschnittlich 30 Prozent senken. Einige Mitglieder mussten dabei aber zunächst überzeugt werden, dass sie den Energiefressern in ihren Geschäften den Kampf ansagen.


"Feinbier unterwegs" ist Energieeffizienz-Fan

Nicht so das INTERSPORT-Mitglied "Feinbier unterwegs" in Siegen. Die 53-jährige Inhaberin, Susanne Feinbier, dachte schon kurz nach dem Einzug in ihr heutiges Ladengeschäft vor acht Jahren über Energieeinsparmaßnahmen nach. "Das Klima zu schonen ist mir ein wichtiges Anliegen", betont die Mittelständlerin. Allerdings war das Thema Energieeffizienz damals nicht mehr als ein zartes Pflänzchen. "Man wusste, dass Strom teuer ist, aber man musste ihn halt bezahlen", so Feinbier. Deswegen entwickelte sie gemeinsam mit einem pfiffigen Mitarbeiter kreative Ideen, um weniger Strom zu verbrauchen. Sie wusste aber bis Anfang letzten Jahres nicht so recht, wie sie das Thema anpacken sollte.


Zentrale bestärkt Mitglieder

"Dann kam die INTERSPORT und Frau Lutterbeck", erinnert sie sich. Die Energieeffizienzexpertin aus der Zentrale bestärkte die Mittelständlerin in ihrem Bestreben, für die Energieeffizienz ihres 1.000 qm großen Geschäfts etwas zu tun. "Das war mein Job am Anfang", so Lutterbeck. Wieder eine große Kommunikationsaufgabe. Lutterbeck muss nicht weniger sein, als die Schnittstelle zwischen dem INTERSPORT-Mitglied und dem Energieberater.






"Mittelstand für Energieeffizienz" ist der richtige Weg

"Die Energieberatung ist immer der erste Schritt", erklärt Lutterbeck. Obwohl die Zentrale durch zahlreiche durchgeführte Beratungen und Maßnahmen bereits über viel Erfahrung verfügt, empfiehlt Lutterbeck jedem Mitglied eine Beratung durchzuführen. "Jeder INTERSPORTLER hat Besonderheiten", so die Expertin. Diese müssten jeweils vor Ort ausgemacht und individuell analysiert und bewertet werden.

Jetzt konnte es für Susanne Feinbier nicht schnell genug gehen. "Frau Lutterbeck hat mir die Sicherheit gegeben, dass ich auf dem richtigen Weg bin und, dass wir das jetzt weiterverfolgen", sagt Feinbier.






Gesagt getan. Durch die Teilnahme am Projekt "Mittelstand für Energieeffizienz" bekam die sportbegeisterte Unternehmerin den Energieberater Dieter Oppenhäuser an die Seite gestellt. DER MITTELSTANDSVERBUND verfügt über ein flächendeckendes Netzwerk von Energieberatern, die KFW-gelistet und auf einzelne Branchen spezialisiert sind. Oppenhäuser ist ein echter "Kenner" des Sportfacheinzelhandels und hat bereits zahlreiche INTERSPORT-Mitglieder beraten.


Der Klassiker: die Beleuchtung

Der größte Energiefresser war auch hier die Beleuchtung. "Der Klassiker", sagt Lutterbeck. Nur durch die Umrüstung der Beleuchtung sparen Sportfacheinzelhändler durchschnittlich bereits bis zu 30 Prozent Stromkosten. Bei Susanne Feinbier waren es sogar 35 Prozent. Daneben spürte der Energieberater bei "Feinbier unterwegs" noch eine alte Heizungspumpe und einige organisatorische "Stellschrauben" auf. So gab es vorher nur zwei Hauptschalter, die die gesamte Beleuchtung im Geschäft regelten. "Bei den Reinigungsarbeiten vor Ladenöffnung ist es aber nicht erforderlich, dass alle Lampen brennen", so Oppenhäuser. Gemeinsam mit den Reinigungskräften und Mitarbeitern wurde deswegen ausprobiert, wie viel Licht notwendig ist und die Schaltung entsprechend angepasst.

Die Klimaanlage war dagegen keine Baustelle, da Feinbier in ihrem Geschäft keine hat. "Das wollte ich aus ökologischen Gesichtspunkten nie", erklärt die Unternehmerin. Deswegen musste der Energieberater darauf achten, dass die Beleuchtung weniger Wärme abstrahlt und eine ausreichende Belüftung der gesamten Fläche sichergestellt ist. Und das Ergebnis überzeugt. Trotz sommerlicher Temperaturen herrscht ein angenehmes Klima und das umgesetzte Beleuchtungskonzept verleiht einen weitläufigen und einladenden Eindruck.

Die Chemie zwischen Oppenhäuser und Feinbier stimmte auf Anhieb. Der Energieberater, den Lutterbeck auch als "Daniel Düsentrieb" bezeichnet, unterstützte die Outdoor-Fachhändlerin auch bei der Beantragung von passenden Fördermitteln. "Das ist regelmäßig der Fall und für unsere Mitglieder sehr wichtig", erklärt Lutterbeck. Bei einer Teilnahme am Projekt "Mittelstand für Energieeffizienz" gibt der Energieberater den Mittelständlern Orientierung im "Förderdschungel" und bleibt bis zur Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen an deren Seite.




Bürokratieweltmeister Deutschland

Da Feinbier sowohl die Beleuchtung als auch die Heizungspumpe umrüstete, stellte sie gemeinsam mit Oppenhäuser am 18. Dezember 2013 einen Antrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zur Förderung von Querschnittstechnologien. Anfang des Jahres legte Feinbier mit der Umsetzung der von dem Energieberater empfohlenen Maßnahmen los. Die Investitionen hat sie in voller Höhe aus Eigenkapital finanziert. Aber nur zunächst, denn Feinbier erfüllt die Kriterien des Förderprogramms. "Letzte Woche erhielten wir dann die Mitteilung vom BAFA, dass die Behörde weitere Informationen benötigt", sagt Oppenhäuser zum Stand der Beantragung. "Sechs Monate später", stellt Lutterbeck fest.

Wann die Fördermittel auf dem Konto von Feinbier eingehen, ist unklar. DER MITTELSTANDSVERBUND erhielt auf zahlreiche Nachfragen bei der Bundesbehörde die Auskunft, dass die Bearbeitung wegen der großen Anzahl von Anträgen und der Überlastung der Mitarbeiter so viel Zeit in Anspruch nehme. "Leider erleben wir es im Rahmen unseres Energieeffizienzprojekts regelmäßig, dass Antragsteller für die Umsetzungen von Maßnahmen erst nach sechs Monaten nicht etwa einen Bescheid bekommen, sondern die Aufforderung weitere Nachweise zu erbringen", erklärt der Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES, Dr. Ludwig Veltmann. "Zum Glück ist das Prozedere für die Förderung von Energieberatungen einfacher und schneller."

Diese Situation ist eine große bürokratische Belastung für Mittelständler wie Feinbier. Denn häufig sind die Maßnahmen bereits umgesetzt und die Behörde verlangt eine detaillierte Aufstellung des Ist-Zustandes vor der Umsetzung und des Soll-Zustandes zu diesem Zeitpunkt. Doch dieser liegt dann bereits sechs Monate zurück. Die alten Leuchten sind bereits ausgetauscht und entsorgt.

Für den Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES ist dies ein unhaltbarer Zustand. "Deutschland ist nicht nur Fußballweltmeister, sondern macht seinem Ruf als 'Bürokratieweltmeister' auch bei den Regelungen zu Förderprogrammen von Energieeffizienzmaßnahmen mal wieder alle Ehre", kritisiert Veltmann.

Dabei sind es nicht nur bürokratische Hindernisse bei der Beantragung von Fördermitteln, die Mittelständlern das Leben schwer machen. Auch längst überkommene gesetzliche Regelungen, wie die sogenannte Konzessionsabgabeverordnung, können zu dem absurden Ergebnis führen, dass ein mittelständisches Unternehmen, das durch die Umsetzung von Einsparmaßnahmen weniger Strom verbraucht für diesen am Ende mehr bezahlen muss. "Es ist ein Unding, dass veraltete Regelungen und wachsende Bürokratie engagierte Mittelständler in ihrem Bestreben, die eigene Energieeffizienz zu steigern, ausbremsen", kritisiert Veltmann. DER MITTELSTANDSVERBUND setzt sich deswegen bei der Politik in Berlin und Brüssel für bessere Rahmenbedingungen bei der Förderung von Energieeffizienz im Mittelstand ein.


Zentrale setzt auf offene Kommunikation

Aber was bedeutet diese Situation für die Kommunikation der Zentrale? "Wir gehen mittlerweile ganz offen damit um, dass unser Geschäft kein schnelllebiges, sonders ein sehr langwieriges ist", erklärt die INTERSPORT-Energieeffizienzspezialistin Lutterbeck. Zusätzlich arbeitet die Zentrale an Vorlagen für die Nachweise, die regelmäßig nach Antragstellung von den Behörden verlangt werden. Diese will die INTERSPORT-Zentrale ihren Mitgliedern schon vorab an die Hand geben. "Wir lernen ständig dazu", sagt Lutterbeck. "Aber es ist für viele Mitglieder schon ein Dämpfer, wenn wir ihnen sagen müssen, dass die Auszahlung der Fördergelder wahrscheinlich einige Zeit dauern wird." "In den meisten Fällen", so ergänzt Energieberater Oppenhäuser, "lohnt sich die Investition in Energiesparmaßnahmen aber auch ohne Fördermittel. Man muss allerdings immer die Wirtschaftlichkeit jeder Maßnahme im Einzelfall genau berechnen und abwägen, was sinnvoll ist und was nicht."

Dadurch von dem Weg abbringen lassen, hat sich allerdings noch kein INTERSPORT-Mitglied. Auch Susanne Feinbier nicht. Auch wenn sie die Situation als unbefriedigend empfindet, ist und bleibt sie ein echter Fan von Nachhaltigkeit und Energiesparen. "Das liegt auch an meinen Kunden, die ihre Freizeit in der Natur verbringen. Da gehört es zu meiner Unternehmensphilosophie, diese zu erhalten", erklärt sie. Im September hat die Outdoor-Expertin einen Öko-Tag geplant. Gemeinsam mit der Stadt Siegen wird an diesem Tag die Straße vor ihrem Geschäft gesperrt und Aussteller präsentieren ihre Projekte und Dienstleistungen - etwa Windkraft- oder auch Holzschnitzel-Anlagen.

"Die Politik hat großes Glück, dass wir Mittelständler, wie Frau Feinbier, in unserem Land haben, die sich nicht durch langwierige Technokratie beirren lassen", sagt der Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES. "Dennoch bremsen die umständlichen Behördenwege massiv und völlig unnötig das Fortkommen der Energiewende, deshalb ist die Politik in der Pflicht, praxisgerechtere Lösungen zu finden", so Veltmann.


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