Neue EU-Ökodesign-Verordnung: Startschuss für Umdenken in der Wirtschaft

Ende letzten Jahres einigten sich die europäischen Gesetzgeber auf die neuen Vorschriften für das ökologische Design von Produkten. Damit wurde die Grundlage für die nunmehr zu erarbeitenden Regeln von Produktgruppen geschaffen. Obwohl damit die Einzelheiten des neuen Rahmenwerks noch ausstehen, sollten Händler:innen bereits jetzt anfangen, sich mit den neuen Regeln vertraut zu machen.

Brüssel, 12.01.2024 – Kurz vor Weihnachten kam der Durchbruch: Am 22. Dezember 2023 beschlossen die EU-Gesetzgeber die neue Ökodesign-Verordnung. Exekutiv-Vizepräsident Maroš Šefčovič begrüßte die politische Einigung: „Mit der Verordnung wird sichergestellt, dass Produkte auf dem EU-Markt energieeffizienter, langlebiger, wiederverwendbar, reparierbar, recyclingfähiger und zunehmend aus recycelten Materialien hergestellt werden.“ Doch was heißt das nun genau für die europäische Wirtschaft?

Die neue Verordnung ersetzt zunächst die bestehende und seit 2009 geltende Ökodesign-Richtlinie. Ziel der Ökodesign-Richtlinie ist, die Umweltwirkungen von energieverbrauchsrelevanten Produkten unter Berücksichtigung des gesamten Lebensweges zu mindern. Die konkreten Produktanforderungen werden von der Europäischen Kommission – unter Einbindung von Industrie-, Verbraucher- und Umweltverbänden und unterstützt durch einen sogenannten Regelungsausschuss – in Durchführungsverordnungen für einzelne Produktgruppen festgelegt. Aktuell existieren 29 dieser Durchführungsverordnungen für unterschiedliche energieverbrauchsrelevante Produkte. Die mittlerweile allseits bekannten Energieverbrauchs-Kennzeichnung sowie das dazugehörige Energieeffizienz-Label basieren auf den Vorschriften der Ökodesign-Richtlinie.

Mit der nunmehr beschlossenen Verordnung erfolgt jedoch ein Paradigmenwechsel: Zunächst soll die Verordnung alle Produktgruppen umfassen – unabhängig von der Frage, ob die Produkte Energie verbrauchen, oder nicht. Zudem erweitert die Verordnung die Tiefe des Ökodesigns in sogenannten Leistungsanforderungen an Produkte. Diese erfassen neben der bekannten Energieeffizienz nun folgende zusätzliche Aspekte:

  • Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten
  • Vorhandensein chemischer Stoffe, die die Wiederverwendung und das Recycling von Materialien verhindern
  • Energie- und Ressourceneffizienz
  • Rezyklatanteil
  • CO2- und Umweltfußabdruck
  • verfügbare Produktinformationen, insbesondere ein digitaler Produktpass.

Neben dem neuen Anwendungsbereich und den qualitativen Produktanforderungen wird damit der gesamte Lebenszyklus eines Produktes erfasst. Damit sollen künftig nur noch energieeffiziente Produkte auf den Binnenmarkt kommen, die ressourcensparend hergestellt wurden, sowie langlebig und reparierbar sind.

Ziel ist die Stärkung der Kreislaufwirtschaft und Förderung der Reparatur und der Rohstoff-Rückgewinnung – einhergehend mit einem Verbot der Vernichtung von gebrauchsfähigen Produkten.

Die konkreten Anforderungen an einzelne Produktgruppen müssen dabei noch durch sogenannte delegierte Rechtsakte der Europäischen Kommission festgelegt werden. Nach aktuellen Informationen sollen die Produktgruppen Möbel, Textilien und Schuhe, Metalle, Reinigungsmittel und Chemikalien zuerst bearbeitet werden.

Fokus: Digitaler Produktpass

Ein weiteres Novum der Verordnung ist die verpflichtende Einführung eines digitalen Produktpasses. Dieser soll ein leicht zugängliches Etikett auf Produkten sein, das über einen Code-Scan den sofortigen Zugang zu Informationen über die Nachhaltigkeit des Produkts bietet. Der Adressatenkreis ist dabei weit gefasst: Neben Herstellern, Händlern und Verbrauchern sollen der Pass auch der besseren Transparenz der Zoll- und Marktüberwachungsbehörden dienen.

Aktuell existieren bereits einige privatwirtschaftliche Initiativen für digitale Produktpässe. Die Art des Bereitstellens, die enthaltenen Informationen, die Auslesbarkeit der Informationen sowie ggf. die flexible Anpassung der Daten auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfung variiert dabei.

Die Kommission soll nunmehr die neuen Regeln für einen digitalen Produktpass erarbeiten.

Auswirkungen auf den Mittelstand

Mittelständische Unternehmen sind zunächst in einem eher begrenzten Umfang von den neuen Regeln betroffen. Die eigentlichen Produktdesign-Vorschriften sind an die Produzenten gerichtet. Wie hingegen bei fast allen produktbezogenen Vorschriften wird die Übereinstimmung eines Produktes mit den spezifischen Produktanforderungen entscheidend für dessen Verkehrsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt sein. Wichtig und gut dabei ist zunächst, dass das bestehende CE-Konformitätslabel eine Übereinstimmung auch mit den neuen Ökodesign-Vorschriften bestätigt. Der Prüfungsaufwand für die Unternehmen dürfte sich damit auf das Notwendige beschränken.

Hingegen werden Händler:innen in Zukunft darauf achten müssen, dass in Ausstellungen und vor allem in Online-Shops ein einfacher Zugang zu dem digitalen Produktpass gewährleistet ist. Analog zu den Vorbereitungen zur Energieeffizienz-Kennzeichnung muss daher pingelig auf eine richtige Darstellung in dem entsprechenden Medium geachtet werden.

Hinsichtlich des neuen Digitalen Produktpasses wird es entscheidend darauf ankommen, wie dieser genutzt wird. Zunächst soll der Produktpass auch Angaben zur Reparierbarkeit von Produkten enthalten. Dies kann insbesondere mittelständischen Kooperationen zugutekommen, die bereit heutzutage Reparaturleistungen anbieten. Weiterhin könnte die Chance bestehen, dass der digitale Produktpass auch Informationen hinsichtlich relevanter Informationen der Berichtspflichten im Rahmen der Nichtfinanziellen Berichterstattung sowie dem noch einzuführenden EU-Lieferkettengesetz enthalten wird.

Der digitale Produktpass hat zudem das Potential, eine Art neue Kommunikations-Ebene zwischen Industrie und den folgenden Handelsstufen zu etablieren. „Versteht man den Produktpass nicht als Einbahnstraße, auf der nur Informationen in eine Richtung transportiert werden, sondern als agiles Informations-Tool, könnten somit Feedbacks zur Reparierbarkeit, Erfahrungen im Umgang mit dem Produkt aber auch Kundeninteressen in den Produktpass einbezogen werden.“, meint Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND. Für Händler wird es nach Geier daher relevant, die eigenen Informationsbedarfe frühzeitig zu identifizieren, um das Potential des Produktpasses umfänglich nutzen zu können.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird nunmehr die anstehenden Implementierungsprozesse der delegierten Verordnungen eng verfolgen und die Interessen des kooperierenden Mittelstands entsprechend vorstellen.

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