Schäuble und Nahles planen Betriebsrentenreform

Finanzminister Wolfgang Schäuble und Arbeitsministerin Andrea Nahles sind sich einig. Die Betriebsrenten sollen noch in dieser Legislaturperiode geändert werden. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert.

Berlin, 21.10.2016 – Noch in diesem Monat soll ein Entwurf für ein Betriebsrentenstärkungsgesetz vorgelegt werden. Das geht aus einer gemeinsamen Ankündigung des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) und des Bundesfinanzministeriums (BMF) hervor.

Der Entwurf soll neben steuer- und sozialrechtlichen Änderungen auch die Überlegungen des "Sozialpartnermodells Betriebsrente" enthalten. Als neue Zusageform soll eine reine Beitragszusage ("Zielrente") eingeführt werden, in der die Leistungen zwar dem Grunde nach rechtlich verbindlich zugesagt, der Höhe nach aber nur unverbindlich in Aussicht gestellt werden. Die Zielrente soll nur möglich sein, wenn sie durch einen Tarifvertrag zugelassen ist und die Durchführung in einem beaufsichtigten Durchführungsweg (Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds) erfolgt. Details sind bislang nicht bekannt.

Die Möglichkeit, den Arbeitgebern künftig eine reine Beitragszusage zu ermöglichen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings darf aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES eine reine Beitragszusage nicht an überzogene gesetzliche Vorgaben geknüpft werden. Das gelte vor allem für gesetzlich vorgegebene tarifliche Arbeitgeberbeiträge.

Den angedachten Änderungen im Steuer- und Sozialabgabenrecht liegen zwei im Frühjahr 2016 veöffentlichte Gutachten („Kiesewetter-Gutachten“ und "Hanau-/Arteaga-Gutachten“) zugrunde, die im wesentlichen folgende Vorschläge machen:

"bAV-Förderbetrag“

Bei Beziehern geringer Einkommen (Grenze offen) soll die betriebliche Altersvorsorge durch Zulagen direkt gefördert werden. Hierfür ist eine Erstattung von ca. 30 Prozent des Arbeitgeberbeitrags vorgesehen, der zwischen 240 und 480 Euro im Jahr liegen soll.

Die Erstattung soll monatlich im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens erfolgen, wenn die betriebliche Altersvorsorge über eine Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung (externe Durchführungswege) durchgeführt wird.

Weitere Voraussetzung für die Erstattung ist, dass die betriebliche Altersvorsorge arbeitgeberfinanziert erfolgt, wobei auch eine bestehende arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersvorsorge einbezogen werden soll. Der bAV-Förderbetrag soll neben der sonstigen geförderten betrieblichen Altersvorsorge gewährt werden. Eine Anrechnung auf ggf. gewährte Riesterzulagen im Rahmen der privaten oder betrieblichen Altersvorsorge soll nicht erfolgen.

Dotierungsrahmen

Der bisherige Zuwendungsrahmen für betriebliche Altersvorsorge nach § 3 Nr. 63 EStG in Höhe von vier Prozent der Beitragbemessungsgrenze (BBG West) sowie der zusätzliche (nur) steuerfreie Erhöhungsbetrag in Höhe von 1.800 Euro nach § 3 Nr. 63 Satz 3 EStG sollen in einen einheitlichen Zuwendungsrahmen in Höhe von 6,5 Prozent zusammengefasst werden.

Bei den Sozialabgaben soll die Grenze hingegen bei vier Prozent der BBG bleiben. Die Förderung nach § 40b EStG a. F. in Höhe von 1.752 Euro soll auf diesen Rahmen ggf. angerechnet werden. Die bisherige Unterscheidung zwischen Alt- und Neuzusagen soll insoweit entfallen.

Nachholungsmöglichkeit

Zudem wurde auch die Möglichkeit in Aussicht gestellt, nicht ausgeschöpfte steuerfreie Einzahlungsmöglichkeiten nach § 3 Nr. 63 EStG für einen begrenzten Zeitraum nachholen zu dürfen. Als möglicher Nachholungszeitraum wurden fünf Jahre genannt.

Erweiterungen soll es auch bei der sog. Vervielfältigungsregel nach § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG geben, in der Einzahlungen in betriebliche Altersvorsorge im Rahmen von Abfindungen vorgenommen werden dürfen. Details blieben hier offen.

"Doppelbelastung" bei betrieblicher Riesterförderung

Das BMAS befindet sich mit dem Bundesgesundheitsministerium weiterhin in Verhandlungen, die derzeit bei der Riesterförderung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge bestehende Belastung mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowohl in der Anspar- als auch in der Leistungsphase zu beseitigen. Offen ist vor allem, ob die Leistungs- oder Ansparphase freigestellt werden soll.

Tarifvertragliche Gestaltung

Vorgeschlagen wird ein Sozialpartnermodell, wonach die Arbeitgeberhaftung (nur) bei tarifvertraglicher Gestaltung der betrieblichen Altersvorsorge entfallen soll. Allerdings soll den Tarifvertragsparteien ein größerer Spielraum eingeräumt werden.

Auf das Erfordernis einer gemeinsamen Einrichtung als Voraussetzung für den Wegfall der Arbeitgeberhaftung soll verzichtet werden. Im Einzelnen bleibt jedoch offen, inwieweit die Vorschläge des Hanau-/Arteaga-Gutachtens aufgegriffen werden sollen.

"Optionsmodell"

Diskutiert wird die Einbeziehung von bestehenden Belegschaften in eine automatische Entgeltumwandlung mit arbeitnehmerseitiger Abwahlmöglichkeit über Tarifverträge zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (Optionsmodell).

"Zielrente" und Insolvenzsicherung

Es ist offen, ob die diskutierte Beitragsgarantie einer Insolvenzsicherung unterliegen soll. Im Falle einer Insolvenzsicherungspflicht dürfte jedoch geklärt sein, dass dieses Risiko nicht im Rahmen der bestehenden Insolvenzsicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein abgesichert wird. Hier müsste ggf. eine separate Insolvenzsicherung geschaffen werden.

MITTELSTANDSVERBUND gehen Vorschläge nicht weit genug

Sonstige Vorschläge aus den Gutachten werden nach Kenntnisstand des MITTELSTANDSVERBUNDES derzeit nicht weiter verfolgt. Die genannten Vorschläge gehen aus Sicht des Spitzenverbandes zum Teil in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Der bAV- Förderbetrag ist zwar grundsätzlich geeignet, um für Geringverdiener gezielt Anreize für betriebliche Altersvorsorge zu setzen. Allerdings sollte dieser Förderbetrag auch für arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge geöffnet werden. Der Dotierungsrahmen wird faktisch nicht erhöht und bleibt somit deutlich hinter dem Erforderlichen zurück.

Auch bleiben noch viele Fragen offen. So bleibt weiterhin unklar, wie mit dem Sozialpartnermodell das angestrebte Ziel, die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge in kleinen und mittleren Unternehmen deutlich zu erhöhen, ohne das eine Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erreicht werden soll.

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