Wachstumschancengesetz endlich beschlossen: Welche Entlastungen gibt es für den Mittelstand?

Der Bundesrat hat am 22. März endlich dem Wachstumschancengesetz zugestimmt, mit dem eine Reihe von steuerlichen Entlastungen und weitere Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Dieser Beschluss war bis zuletzt unsicher, da sich Bund und Länder über Monate hinweg nicht über das finanzielle Volumen einigen konnten. Das nun verabschiedete Gesetz enthält zwar gerade für kleine und mittlere Unternehmen hilfreiche Erleichterungen, wurde gegenüber den ursprünglichen Plänen deutlich eingekürzt.

Berlin, 05.04.2024 – Ursprünglich sollte das Wachstumschancengesetz als zentrales steuerliches Entlastungspaket der Bundesregierung bereits Ende vergangenen Jahres verabschiedet werden. Nachdem der Bundestag bereits zugestimmt hatte, kam es jedoch im Bundesrat aufgrund des Vetos der Länder nicht zu einem Beschluss. Daraufhin wurde schließlich der Vermittlungsausschuss angerufen. Umstritten war dabei insbesondere das finanzielle Entlastungsvolumen des Gesetzes, das für Bund und Länder mit Steuereinbußen verbunden ist. Zudem hatten die CDU/CSU-geführten Landesregierungen eine Zustimmung zunächst von gezielten Unterstützungsmaßnahmen für die Landwirtschaft abhängig gemacht, welche die Bundesregierung nun vorläufig angekündigt hat. In der Bundesratssitzung am 22. März 2024 haben die Länder jedoch mehrheitlich ihre bisherige Blockade endlich aufgeben und das Wachstumschancengesetz verabschiedet. Damit kann das Gesetz mit seinen wichtigen steuerlichen Entlastungen nach mehreren Monaten der Verzögerung doch noch in Kraft treten und wurde bereits im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Länder erzwingen deutlich geringeres Entlastungsvolumen

DER MITTELSTANDSVERBUND hatte sich in den vergangenen Monaten vehement für das Gesetz eingesetzt. Zwar war das Entlastungsvolumen der im Gesetz enthaltenen Maßnahmen ohnehin begrenzt und ist im Zuge des Vermittlungsverfahrens bedauerlicherweise noch deutlich eingekürzt worden. Dennoch sind die konkreten Entlastungen gerade für KMU wichtig, die besonders unter der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage und einer unverhältnismäßig hohen Steuerlast leiden. Schon zum Referentenentwurf des Gesetzes hatte sich DER MITTELSTANDSVERBUND mit einer Stellungnahme eingebracht und auch das weitere Gesetzgebungsverfahren aufmerksam begleitet.

Zu den für mittelständische Unternehmen wichtigsten Bestandteilen des Gesetzes gehören:

  • Befristete Wiedereinführung der degressiven AfA: Die ursprünglich zum 1. Januar 2020 eingeführte degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wird verlängert und kann so auch für Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden, die nach dem 31. März 2024 und vor dem 1. Januar 2025 angeschafft oder hergestellt worden sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1 EStG). Allerdings darf der anzuwendende Prozentsatz höchstens das Zweifache des bei der linearen AfA in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 20 % nicht übersteigen.
  • Ausweitung der Sonderabschreibung: Die Sonderabschreibung beträgt bisher bis zu 20 % der Investitionskosten und gilt für Betriebe, welche die Gewinngrenze von 200.000 EUR im Jahr, das der Investition vorangeht, nicht überschreiten. Zukünftig können – für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern nach dem 31. Dezember 2023 – bis zu 40 % Investitionskosten abgeschrieben werden (§ 7g Abs. 5 EStG).
  • Erweiterter Verlustvortrag: Bisher ist der Verlustvortrag für jedes Jahr bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. Euro bzw. 2 Mio. Euro (bei gemeinsamer Veranlagung) unbeschränkt möglich. Für den Teil, der den Sockelbetrag überschreitet, ist der Verlustvortrag auf 60 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 wird er jedoch auf 70 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres ausgeweitet (§ 10d Abs. 2 EStG). Die Erweiterungen des Verlustvortrags gelten auch für die Körperschaftsteuer.
  • Verbesserung der Thesaurierungsbegünstigung: Die Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) wird ab dem Veranlagungszeitraum 2024 durch verschiedene Maßnahmen attraktiver. So wird der begünstigungsfähige Gewinn um die gezahlte Gewerbesteuer und die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer nach § 34a Abs. 1 EStG entnommen werden, erhöht. Damit steht künftig ein höheres Thesaurierungsvolumen zur Verfügung. § 34a Abs. 2 Satz 2 EStG enthält zukünftig eine Fiktion, wonach Entnahmen vorrangig bis zur Höhe der Einkommensteuer im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG und des darauf entfallenden Solidaritätszuschlags als zur Zahlung dieser Beträge verwendet gelten. Die Einfügung entbindet den Steuerpflichtigen vom Nachweis, ob und in welcher Höhe Entnahmen zum Zweck der Tilgung der Steuern für begünstigt besteuerte, nicht entnommene Gewinne eingesetzt werden.
  • Ausweitung der Option zur Körperschaftsbesteuerung: Die bisher nur Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften offenstehende Option zur Körperschaftsbesteuerung wird ab sofort für alle Personengesellschaften geöffnet (§ 1a Abs. 1 Satz 1 bis 4 KStG). Zusätzliche Regelungen sollen sicherstellen, dass bestimmte Aspekte des Personengesellschaftsrechts der Option nicht grundsätzlich im Wege stehen.
  • Obligatorische Verwendung einer E-Rechnung: Die im Grundsatz ab dem Jahr 2025 obligatorische Verwendung von E-Rechnungen im B2B-Bereich ist Voraussetzung für ein später einzuführendes bundeseinheitliche Meldesystem für transaktionsbezogene Umsätze. Nur noch eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, das ihre elektronische Verarbeitung ermöglicht und den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU (EN 16931) entspricht, wird dann als elektronische Rechnung gelten (§ 14 Abs. 1 UStG). Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt werden, werden unter dem neuen Begriff "sonstige Rechnung" zusammengefasst. Gleichzeitig gelten umfassende Übergangsregelungen: Zu einem zwischen dem 1. Januar 2025 und 31. Dezember 2026 ausgeführten Umsatz kann auch eine sonstige Rechnung auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format (mit Zustimmung des Empfängers) ausgestellt werden (§ 27 Abs. 39 Satz 1 Nr. 1 UStG). Für Rechnungen von Unternehmern mit einem Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr bis zu 800.000 Euro wird diese Frist um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2027 verlängert. Darüber hinaus kann das konkrete elektronische Format der Rechnung auch zwischen Rechnungssteller und Rechnungsempfänger vereinbart werden kann. Voraussetzung ist, dass das Format die richtige und vollständige Extraktion der nach dem UStG erforderlichen Angaben aus der Rechnung in ein Format ermöglicht, das der europäischen Norm entspricht oder mit dieser kompatibel ist. So können auch verbreitete EDI-Verfahren nach dem 31. Dezember 2027 weiter genutzt werden. Zu einem zwischen dem 1. Januar 2026 und 31. Dezember 2027 ausgeführten Umsatz können Rechnungen mit Zustimmung des Empfängers jedoch auch dann mittels EDI-Verfahren übermittelt werden, wenn die genannte Extraktion nicht möglich ist.

Im Zuge des Vermittlungsverfahrens zwischen Bundestag und Bundesrat sind jedoch auch zentrale Entlastungsmaßnahmen gestrichen und somit nicht beschlossen worden. Dazu gehören insbesondere:

  • Erhöhung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1.000 Euro sowie Erweiterung der Anwendung des Sammelpostens (§ 6 Abs. 2, Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 EStG)
  • Verstetigung des erweiterten steuerlichen Verlustrücktrags in der Höhe und Ausweitung des Verrechnungszeitraums (§ 10d Abs. 1 EStG)
  • Anhebung des Fördersatzes für die steuerliche Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen (§ 35c Abs. 1a EStG)
  • Erweiterter Verlustvortrag im Rahmen der Gewerbesteuer (§ 10a GewStG)

Steuerliche Erleichterungen müssen auf der politischen Agenda bleiben

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt ausdrücklich, dass das Wachstumschancengesetz endlich in Kraft tritt. Dennoch ist es bedauerlich, dass es aufgrund des Vetos der Länder nicht schon im November 2023 beschlossen werden konnte: Dadurch hat sich nicht nur das Inkrafttreten wichtiger Vorhaben um mehrere Monate verzögert. Im Vermittlungsverfahren wurde zudem – bedingt durch die Blockade insbesondere der unionsgeführten Länder – das finanzielle Entlastungsvolumen erheblich verringert, obwohl es schon im Regierungsentwurf nur moderat war. Dabei wurden etliche sinnvolle Maßnahmen ganz oder teilweise gestrichen. Auch wenn DER MITTELSTANDSVERBUND die Notwendigkeiten einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik von Bund und Ländern ausdrücklich anerkennt, so braucht es gerade jetzt gezielte steuerliche Entlastungen – und mittelfristig eine umfassende Unternehmensteuerreform. Nur so kann der Mittelstand in seiner Substanz gestärkt und langfristig erhalten werden.

Bestimmte im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erfolgte Anpassungen im Wachstumschancengesetz sind jedoch erfreulich und gehen auch auf den Einsatz des MITTELSTANDSVERBUNDES zurück. Dies gilt insbesondere für Flexibilisierungenbei der obligatorischen E-Rechnung im B2B-Bereich. DER MITTELSTANDSVERBUND hatte sich von Beginn an für großzügigere Übergangsregelungen ausgesprochen, um gerade kleineren Unternehmen den Umstieg auf E-Rechnungen zu erleichtern. Ebenfalls hatte er sich gegenüber dem BMF und dem Bundestag wiederholt und letztlich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die gerade im kooperierenden Handel sehr verbreiteten EDI-Verfahren weiterhin eine Zukunft haben. Sie sind bereits elektronisch und bieten zahlreiche Vorteile für die beteiligten Unternehmen. Dass sie nun grundsätzlich weiter genutzt werden können, sofern die Extraktion der Rechnungsdaten im strukturierten Format möglich ist, lässt sich als guter Kompromiss bewerten. Dennoch ist der zeitliche Vorlauf für die Unternehmen, um sich angemessen auf die obligatorische E-Rechnung vorzubereiten, nun reichlich knapp.

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