Tarifverhandlungen 2015: 2,7 Prozent mehr Lohn

Beschäftigte in Verbundgruppen verdienen künftig mehr Geld. Darauf einigten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften. Judith Röder, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes gewerblicher Verbundgruppen, erklärt, was sich für Beschäftigte konkret verändert.

Berlin, 10.08.2015 — Nach dreimonatigen Verhandlungen haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaften auf einen Tarifabschluss geeinigt. Judith Röder, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes gewerblicher Verbundgruppen erklärt im Interview, mit welchen Forderungen beide Verhandlungspartner antraten und welche konkreten Ergebnisse erzielt wurden sind.

SynergienNews: Drei Monate Tarifarbeit liegen hinter Ihnen. Wie zufrieden sind Sie mit den Tarifverhandlungen?

JGeschäftsführerin Judith Röderudith Röder: Das war in diesem Jahr eine sehr intensive Tarifrunde. Sie wurde sehr hart geführt. Ver.di ist deutlich aggressiver aufgetreten, als es die Gewerkschaft in der Vergangenheit getan hat. Aus dem Grund hat sich die Verhandlung doch ein wenig in die Länge gezogen. Es gab nur millimeterweise Annäherung. Lange Zeit war kaum erkennbar, wo die Annäherung tatsächlich liegen könnte. Insofern bin ich glücklich und zufrieden, dass wir doch zu einem Ergebnis gekommen sind und dass der Knoten in der vierten Verhandlungsrunde durchschlagen wurde.

SN: Auf welche konkreten Ergebnisse haben Sie sich mit den Gewerkschaften geeinigt?

Röder: Wir haben einen Abschluss erzielt, der 24 Monate Laufzeit hat. Wir beginnen im ersten Jahr mit zwei Nullmonaten. Danach steigen die Löhne und Gehälter um 2,7 Prozent. Das bringt einen ordentlichen Nettolohnzuwachs bei den Beschäftigten, denn im Moment liegen wir mit der Inflationsrate um die 0,5 Prozent. Das ist schon ein ordentlicher Zuwachs.

Im zweiten Jahr gibt es eine weitere Anhebung der Löhne und Gehälter um 2,0 Prozent. Außerdem gibt es im zweiten Jahr eine Einmalzahlung in Höhe von 90 Euro für alle Vollzeitbeschäftigten. Die Auszubildenden bekommen auch eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung. Im Jahr 2015 steigt die Vergütung um 30 Euro, im Jahr 2016 um 20 Euro.

Dann gab es noch ein politisches Thema, dass in der Tarifverhandlung eine Rolle gespielt hat. Die Tarifvertragsparteien fordern ihre jeweiligen Bundesverbände auf, also den MITTELSTANDSVERBUND, den Bundesverband des Großhandels, Außenhandels und Dienstleistungen (BGA) und auf der Gegenseite den ver.di Bundesvorstand, mit einem bestimmten Thema gegenüber der Politik vorstellig zu werden. Wir möchten erreichen, dass die Leistungen der betrieblichen oder tariflichen Altersvorsorge in Zukunft nicht mehr auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden. Es ist ein großes Problem, dass Menschen, die für ihr Alter mit betrieblicher Altersvorsorge vorgesorgt haben oder auch Arbeitgeber, die für ihre Mitarbeiter so vorgesorgt haben, am Ende des Tages wenig davon haben. Gerade bei Menschen mit längerer Erwerbsunterbrechung oder Personen, die für längere Zeit in Teilzeit gearbeitet haben, landet von dieser privaten Vorsorge, die auch der Arbeitgeber leistet, nichts im Portemonnaie. Der Staat holt sich das über die Grundsicherung wieder.

SN: 2,7 Prozent im ersten Jahr, 2,0 Prozent im Zweiten: Wie hoch waren die Forderungen der Gewerkschaften vor den Tarifverhandlungen?

Röder: Die Forderungen lagen in den meisten Ländern bei 5,5 Prozent. Allerdings bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Dazu hat ver.di auch in vielen Ländern eine Mindestanhebung gefordert, d.h. einen fixen Betrag, der mindestens bei den Lohn- und Gehaltsempfängern ankommen sollte. Das führt zu einer überproportionalen Anhebung der unteren Gruppen.

In manchen Ländern gab es nur eine Festbetragsforderung. Hier wollte ver.di beispielsweise 150 Euro für alle Beschäftigten, was auch zu einer überproportionalen Anhebung bei den unteren Entgeltgruppen führen würde. Aber auch dazu, dass die höheren Lohn- und Gehaltsgruppen, also die qualifizierten Gruppen, ein entsprechend schlechteres Ergebnis bekommen hätten.

SN: Welche Ziele hatten Sie auf Arbeitgeberseite?

Röder: Ein großes und wichtiges Ziel für uns war, dass wir erneut eine lange Laufzeit des Tarifvertrages vereinbaren können. 24 Monate – das haben wir jetzt schon zum sechsten oder siebten Mal hinbekommen. Das ist schon fast Tradition. Und das ist den Unternehmen tatsächlich auch sehr wichtig, denn 24 Monate Laufzeit bedeutet Planungssicherheit.

"Wichtig für uns war, dass wir einen 'günstigeren' Abschluss als 2013 erzielen. Das haben wir erreicht." Judith Röder

Ein weiterer wichtiger Punkt für unsere Seite war, dass der Abschluss unter dem von 2013 bleiben sollte. Damals hatten wir mit einer ähnlichen Struktur wie jetzt abgeschlossen. Nur die Prozentwerte waren anders. Wir hatten damals 3,0 Prozent im ersten Jahr, 2,1 Prozent im zweiten Jahr vereinbart. Jetzt sind es eben nur 2,7 Prozent und 2,0 Prozent. Die sonstigen Eckdaten wie Laufzeit, Nullmonate und Einmalzahlung sind jetzt genau, wie sie im Jahr 2013 waren.

Bei einem Punkt konnten wir uns nicht durchsetzen. Wir hatten in diesem Jahr, genau wie auch in einigen Tarifrunden der Vergangenheit, Forderungen von unserer Seite gestellt. Wir wollten an die Mantelverträge in einzelnen, konkreten Punkten heran. Vor allem, was die Arbeitszeiten angeht. Die wollten wir ein wenig an das heranführen, was sich im Laufe der letzten zehn bis 20 Jahre in der Praxis der Unternehmen geändert hat. An dieser Stelle führte leider kein Weg in ernsthafte Verhandlungen. Das hat ver.di komplett verweigert. Hier gab es leider kein Ergebnis.

Was leider auch nicht erreicht werden konnte, ist eine betriebliche Öffnungsklausel. Wir wollten Unternehmen, denen es wirtschaftlich besonders schlecht geht, die Möglichkeit schaffen, den Erhöhungszeitpunkt auf betrieblicher Ebene zu verschieben. Aber auch das ist eine Sache, die in anderen Branchen mit anderen Gewerkschaften möglich ist. Mit ver.di leider nicht.

SN: Wie ist die Resonanz bei den Verbundgruppen?

Röder: Die Resonanz bei den Verbundgruppen ist gemischt. Wenn alle jubeln würden, dann hätte die Gewerkschaft schlecht verhandelt. Wenn alle jammern würden, hätten wir schlecht verhandelt. Es ist eine gemischte Bilanz. Insgesamt sind die Unternehmen froh und erleichtert, dass wir zu einem Ergebnis gekommen sind. Viele Verbundgruppen wollten die Verhandlungen nicht in die Länge ziehen, zumal dann kaum ein deutlich anderes Ergebnis zu erwarten gewesen wäre.

Materiell sind die Kooperationen an die Grenze der Belastbarkeit gegangen. Wichtig für uns war, dass wir einen "günstigeren" Abschluss als 2013 erzielen. Das haben wir erreicht. Auf der anderen Seite konnte ver.di für die Beschäftigten auch einen ordentlichen Zuwachs der Löhne und Gehälter vereinbaren. Insofern ist das Ergebnis ein tragbarer Kompromiss.

SN: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Röder!

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