Neues Maßnahmenpaket für vom Ukraine Krieg betroffene Unternehmen – Hohe Hürden lassen viele Mittelständler außen vor

Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundesfinanzminister Lindner haben am 8. April ein Paket zur Unterstützung der infolge des Ukraine-Kriegs besonders betroffenen Unternehmen vorgestellt. Die enthaltenen Maßnahmen sollen dabei sehr zielgenaue finanzielle Unterstützung bieten und setzen vor allem bei der Betroffenheit durch Energiepreissteigerungen an. Aufgrund strenger Anforderungen dürften allerdings relativ wenige Unternehmen im kooperierenden Mittelstand von den Hilfen profitieren.

Berlin, 13.04.2022 – Nachdem die Bundesregierung bereits zwei Entlastungspakete vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs beschlossen hatte, stellten Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundesfinanzminister Lindner am 8. April 2022 ein neuerliches Maßnahmenpaket vor, das explizit die von den Auswirkungen des Krieges betroffenen Unternehmen in Deutschland unterstützen soll. Bei diesem sogenannten „Stoßdämpfer“ handelt es sich allerdings nicht um strukturelle Entlastungsmaßnahmen – etwa im steuerlichen Bereich –, sondern um gezielte und befristete Hilfen. Auch wenn manche der nun vorgestellten Instrumente bereits im Zuge der Corona-Krise in ähnlicher Form zum Einsatz kamen, handelt es sich um ein in seinen Bedingungen gänzlich neues Maßnahmenpaket. Rechtliche Grundlage für die Maßnahmen ist ein befristeter Beihilferahmen, der am 23. März 2022 von der Europäischen Kommission beschlossen wurde und entsprechende Beihilfen zur Unterstützung der vom Ukraine-Krieg betroffen Unternehmen zulässt.

Sämtliche Maßnahmen bedürfen noch einer weiteren Abstimmung und Konkretisierung zwischen den zuständigen Bundesministerien bzw. den für die Auszahlung zuständigen Stellen. Auf Basis der bisher vorliegenden Informationen lassen sich allerdings grundsätzlich fünf Säulen von Hilfsmaßnahmen unterscheiden:

  1. KfW-Kreditprogramm

Um die wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen gegen Russland sowie des Kriegs in der Ukraine abzufedern, soll ein Kreditprogramm der KfW zur Unterstützung der betroffenen Unternehmen aufgesetzt werden. Hiermit soll kurzfristig deren Liquidität sichergestellt werden. Dabei sind zwei Programmkomponenten vorgesehen: zum einen Kredite im standardisierten Durchleitgeschäft über Hausbanken bis zu einem Kreditvolumen von 100 Mio. Euro sowie zum anderen individuelle, großvolumige Konsortialfinanzierungen.

Die wesentlichen Programmeckpunkte sind:

  • Investitions- und Betriebsmittelkredit für mittelständische und große Unternehmen ohne Umsatzgrößenbegrenzung
  • Weitgehende Haftungsfreistellung für die Hausbanken
  • Zugangsvoraussetzung: Nachgewiesene Betroffenheit, die aus den Sanktionen gegenüber Russland und Belarus oder den Kriegshandlungen in der Ukraine resultieren, beispielsweise durch Umsatzrückgang durch weggebrochenen Absatzmarkt, nachgewiesene Produktionsausfälle, Schließung von Produktionsstätten in Russland, der Ukraine und Belarus, besonders hohe Betroffenheit von gestiegenen Energiekosten
  • Vergünstigter Zinssatz
  • Bis zu zwei tilgungsfreie Jahre

Die KfW soll das Programm in den kommenden Wochen konkretisieren und an den Start bringen. Bis dahin steht das bisherige reguläre Angebot an KfW- und ERP-Förderkrediten zur Verfügung.  

  1. Bürgschaftsprogramme

Um Unternehmen, die nachweislich vom Ukraine-Krieg betroffen sind, beim Erhalt von Betriebsmittel- und Investitionskrediten zu unterstützen, sollen die Programme bei den Bürgschaftsbanken und das Großbürgschaftsprogramm des Bundes bis Ende 2022 erweitert werden. Mit Blick auf die Bürgschaftsbanken soll es eine Verdoppelung des Bürgschaftshöchstbetrages für vom Ukraine-Krieg betroffene Unternehmen von 1,25 auf 2,5 Mio. Euro geben. Hierdurch soll eine schnellere Unterstützung insbesondere der Bestandskunden ermöglicht werden.

Das Großbürgschaftsprogramm soll ab einem Bürgschaftsbetrag von 50 Mio. Euro auch für Bürgschaften an für vom Ukraine-Krieg betroffener Unternehmen außerhalb strukturschwacher Regionen geöffnet werden. Dabei soll die Bürgschaftsquote in der Regel bei 80 % liegen. Für besonders stark vom Ukraine-Krieg betroffene Unternehmen sollen auch Bürgschaften mit einer Quote von über 80 bis maximal 90 % möglich werden. Beide Programme sollen kurzfristig konkretisiert und aufgesetzt werden.  

  1. Befristeter Zuschuss für Unternehmen mit hohen Zusatzkosten aufgrund gestiegener Erdgas- und Strompreise

Für Unternehmen, die wegen deutlich gestiegener Energiekosten bei Gas und Strom stark belastet sind, soll es einen zeitlich befristeten, eng umgrenzten und zielgerichteten Kostenzuschuss geben. Damit sollen nicht nur Unternehmen entlastet, sondern es soll auch verhindert werden, dass die geförderten Unternehmen ihre Kosten an ihre Kund*innen abwälzen, so dass die bezahlbare Versorgung der Bürger*innen gewährleistet bleibt.

Konkret sind folgende Elemente geplant:

  • Direkter Zuschuss für Unternehmen, die besonders von den steigenden Energiepreisen belastet sind.
  • Ausgangspunkt und Bemessungsgrundlage der Förderung ist die Preisdifferenz der gezahlten Strom- und Gaskosten im Jahr 2022 im Vergleich zu den im Jahr 2021 angefallenen Kosten. Die Preisdifferenz oberhalb einer Verdopplung des Erdgas- und Strompreises wird anteilig bezuschusst (gemäß Vorgabe des Temporary Crisis Framework, TCF).

Es soll drei Förderstufen geben:

  1. 30 Prozent der Preisdifferenz und bis zu 2 Mio. Euro erhalten Unternehmen, die einer energie- und handelsintensiven Branche gemäß dem Anhang der EU-Beihilfeleitlinien angehören und mindestens 3 Prozent Energiebeschaffungskosten nachweisen.
  2. Bis zu 50 Prozent der Preisdifferenz und bis zu 25 Mio. Euro erhalten Unternehmen, die die o. g. Voraussetzungen erfüllen und zudem einen Betriebsverlust aufgrund der zusätzlichen Energiekosten nachweisen.
  3. Bis zu 70 Prozent der Preisdifferenz und bis zu 50 Mio. Euro erhalten Unternehmen aus den in Anhang 1 zum TCF gelisteten 26 besonders betroffenen Sektoren (u. a. Chemie, Glas, Stahl, Metalle, Keramik), soweit sie zudem einen Betriebsverlust aufgrund der zusätzlichen Energiekosten nachweisen.

Die prozentuale Förderung wird im Juli einmalig um 10 Prozentpunkte abgeschmolzen.

Das Programm wird kurzfristig konkretisiert und aufgesetzt. Nach vorsichtiger erster Schätzung ist mit Haushaltskosten von bis zu rund 5-6 Mrd. Euro für den gesamten Förderzeitraum zu rechnen, wobei die tatsächlichen Programmkosten aufgrund der volatilen Kostenentwicklung auf den Energiemärkten schwer kalkulierbar sind.

  1. Zielgerichtete Eigen- und Hybridkapitalhilfen

Darüber hinaus prüft die Bundesregierung Eigen- und Hybridkapitalhilfen, um im Bedarfsfall branchenübergreifend große Unternehmen der Realwirtschaft zu stabilisieren, die aufgrund des Ukraine-Krieges Verluste erleiden und deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft hätte. Folgende Eckpunkte liegen diesen möglichen Hilfen zugrunde:

  • Die Stabilisierung erfolgt durch Eigen- und Hybridkapital z. B. in Form von (stillen) Beteiligungen oder Nachrangdarlehen.
  • Voraussetzung für eine Stabilisierungsmaßnahme ist eine klare, eigenständige Fortführungsperspektive. Außerdem darf das Unternehmen nicht vor Beginn der Ukrainekrise in Schwierigkeiten gewesen sein.
  • Für die Stabilisierungsmaßnahmen wird eine marktgerechte Vergütung erhoben.
  • Eigen- und Hybridkapitalinstrumente können, jedenfalls für Einzelfälle, zunächst im Rahmen eines Zuweisungsgeschäfts der KfW vergeben werden.
  • Der Bund trägt die unternehmerische und strategische Verantwortung für die Stabilisierungsmaßnahme. Die KfW handelt ausschließlich auf Weisung des Bundes.
  • Über die Notwendigkeit einer beihilferechtlichen Genehmigung würde im Einzelfall, u. a. abhängig von den eingeforderten Zinsen, entschieden werden. Sollte sich die Lage weiter verschärfen, könnten bewährte Eigenkapitalinstrumente zur Unterstützung weiterentwickelt werden.

Unterstützungsinstrumente im Rahmen des KfW-Zuweisungsgeschäfts sollen im Bedarfsfall kurzfristig zur Verfügung stehen. Eventuelle weitere Schritte werden noch geprüft; hierfür gegebenenfalls notwendige Rechtsgrundlagen müssten noch erarbeitet werden.

  1. Unterstützung von Energieunternehmen bei bestimmten Liquiditätsengpässen

Unternehmen der Energiewirtschaft, die von hohen Sicherheitsleistungen im Terminhandel mit Energie betroffen sind, können durch ein spezielles Finanzierungsprogramm unterstützt werden, das Liquiditätsengpässe überbrücken soll. Hintergrund ist, dass Energieunternehmen, die Energieprodukte auf Termin verkaufen, aktuell wegen steigender Preise kurzfristig mit hohen Sicherheitsforderungen (Margining) konfrontiert sind. Eine weitere, plötzliche Verschärfung der Marktsituation könnte diese Unternehmen in Liquiditätsengpässe treiben. Daher sollen sie die Möglichkeit bekommen, kurzfristig nach einem standardisierten Verfahren über mit Bundesgarantien unterlegte Kreditlinien der KfW Liquidität zur Bedienung neuer Marginforderungen zu erhalten. Die Erhöhung der Garantieermächtigung des Bundes wurde als Teil des Ergänzungshaushalts bereits angemeldet. Eine Bundesgarantie kann frühestens mit Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes 2022 übernommen werden. 

Voraussetzungsreiche Hilfen, die nicht alle Belastungen abfedern können  

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt grundsätzlich die Bereitschaft der Bundesregierung, den vom massiven Anstieg der Energiepreise betroffenen Unternehmen unter die Arme zu greifen. Die fünf Säulen mit den darin enthaltenen Hilfsinstrumenten fallen sehr differenziert aus und konzentrieren sich auf die Abfederung besonderer Härten. Damit bewegt sich das Maßnahmenpaket innerhalb des beihilferechtlichen Krisenrahmens, den die EU-Kommission vorgegeben hat. Gleichzeitig schöpft es diesen nicht voll aus: Gerade bei den direkten Zuschüssen an betroffene Unternehmen wäre rechtlich mehr möglich gewesen. Im Fokus der Unterstützungsmaßnahmen stehen daher – mit dem Verweis auf die entsprechenden EU-Beihilfeleitlinien – weniger kleine und mittlere Unternehmen, obwohl auch diese unter den derzeit massiv gestiegenen Energiepreisen leiden. Hinzu kommt, dass der Vergleichszeitraum zum Jahr 2021 den tatsächlichen Kostensteigerungen völlig unzureichend Rechnung trägt. Denn gerade im Jahr 2021 sind die Energiepreise mit der einsetzenden Konjunkturbelebung bereits deutlich angestiegen. Sachgerechter wäre es, wenn ein Vergleichszeitraum vor der Corona-Pandemie als Bemessungsgrundlage herangezogen würde. Damit bleibt unterm Strich festzustellen, dass es der Bundesregierung nicht gelingt, die tragende Säule der deutschen Wirtschaft, den Mittelstand, angemessen zu unterstützen.

Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundesfinanzminister Lindner haben allerdings deutlich gemacht, dass die Bundesregierung den Kreis der Antragsberechtigten bewusst begrenzen und nur die in ihren Augen besonders betroffenen Unternehmen in dieser Form unterstützen möchte. DER MITTELSTANDSVERBUND hält diese Fokussierung mit Blick auf die angespannte Haushaltslage zwar für nachvollziehbar. Allerdings ist es nicht vertretbar, dass der Mittelstand bei finanziellen Unterstützungen nur unterproportional einbezogen wird. Jetzt geht es deshalb darum, ihn an anderer Stelle wirksam zu entlasten: So könnten sich gezielte Bürokratieentlastungen und ein Verzicht auf zusätzliche Regulierung für die mittelständischen Unternehmen finanziell entlastend auswirken, ohne dass sie den Bundeshaushalt belasten. Die Bundesregierung muss daher sicherstellen, dass das nächste Bürokratieentlastungsgesetz schnellstens auf den Weg gebracht und ein spürbarer Befreiungsschlag wird. 

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