Versand-Urteil schafft Wettbewerbsnachteil für Kunden und lokale Apotheken

Das Urteil des EuGH, das für ausländische Versandapotheken die Bindung an das deutsche Preissystem für verschreibungspflichtige Medikamente aufhebt, wurde von Anhängern der Marktliberalisierung bejubelt. DER MITTELSTANDSVERBUND warnt vor einer Wettbewerbsverzerrung. Das Urteil stehe den Interessen der Kunden diametral gegenüber.

Berlin, 15.11.2016 - Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES, erklärte: „Die Freiheit des grenzübergreifenden Warenverkehrs ist zentrale Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer auch fair und nicht verzerrt sein.

MITTELSTANDSVERBUND-Hauptgeschäftsführer Dr. Ludwig VeltmannVor diesem Hintergrund lässt sich feststellen, dass das Urteil des EuGH zur Erweiterung des Spielraumes für ausländische Versandapotheken vom 19. Oktober und die in den Medien zu verfolgenden Bewertungen im Tenor zu kurz springen.

Tatsächlich hat man nämlich den Eindruck, dass sich sowohl die EuGH-Richter als auch die Medien-Kommentare über entscheidende Nuancen des deutschen Marktes hinweg setzen. So unterliegt die deutsche Präsenz-Apotheke gesetzlich einem Kontrahierungszwang, die ausländischen Versandapotheken aber de facto nicht. Gerade bei aufwandsträchtigen und ökonomisch für den Apotheker wenig bis gar nicht rentablen Rezepturen oder dem Verkauf dokumentationspflichtiger Betäubungsmittel sind ausländische Versandapotheken außen vor, von Gesetzes wegen. Vielmehr wäre Ihnen die Möglichkeit zum ‚Rosinenpicken‘ eröffnet. Die Bonusgewährung der ausländischen Versandapotheken als auch die Forderung, dass deutsche Apotheken fortan ebenfalls einen Bonus gewähren sollten, führt zu einer gesundheitspolitischen Kuriosität. Der Patient selbst erhält nämlich einen Bonus für den Bezug eines Arzneimittels, das die Krankenkasse bezahlt.

Die von dem Urteil begünstigten ausländischen Versandhandelsapotheken beteiligen sich nicht an der aktiven Beratung und Betreuung der Patienten, sie beteiligen sich ebenso wenig an der lebenswichtigen Notfallversorgung durch Nacht- und Notdienste vor Ort. Durch das EuGH-Urteil geraten die Präsenz-Apotheken in einen weiteren ökonomischen Nachteil.

Die Gemeinwohlaufgaben leisten nur die inhabergeführten Präsenz-Apotheken in Deutschland. Über die fundamentale Aufgabe der Arzneimittelversorgung hinaus, bieten sie diese Dienstleistungen vor Ort in der unmittelbaren Nachbarschaft der Patienten, die sie benötigen. Sie sind zudem erste Anlaufstellen für alte, kranke und schwache Menschen. Oftmals werden sie noch vor dem Arzt aufgesucht. Die soziale Funktion, die Apotheken für ihr Umfeld damit wahrnehmen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Außerdem sollte nicht außer Acht bleiben, dass sich Versandapotheken bei der Abgabe der Arzneimittel an ihre Patienten nicht an die strengen Vorgaben der europäischen GDP-Leitlinien zum sicheren Transport von Medikamenten halten. Und dies erstaunlicherweise, obwohl diese Arzneimittel auf dem Postweg tagelang den unterschiedlichsten Temperaturbedingungen ausgesetzt sein können. Patienten, die ihre Arzneimittel dagegen in ihrer Präsenz-Apotheke erhalten, können sicher sein, dass diese Arzneimittel entsprechend den GDP-Richtlinien transportiert wurden.

Mit der Verlagerung von wichtigen Umsätzen aus den Vor-Ort-Apotheken in den Versandhandel durch deren Besserstellung im Wettbewerb wird die Grundlage für den wirtschaftlichen Betrieb der Vor-Ort-Apotheken erheblich geschwächt, in vielen Fällen sogar existenzbedrohend. Insbesondere im ländlichen Raum kann sich dies verheerend auf eine schnelle, wohnortnahe Arzneimittelversorgung auswirken.

Bei ungehindertem Lauf der Dinge werden die Folgen für die Standorte unabsehbar für das heute gut funktionierende System der flächendeckenden Arzneimittelversorgung rund um die Uhr.

Die bewährte, wohnortnahe, schnelle und unkomplizierte Nacht- und Notfallversorgung muss auch weiterhin im Sinne der Patienten sichergestellt sein. Ohne kluge Marktregeln wird der hohe Standard im Gesundheitswesen nicht zu halten sein.

Hätte der EuGH entschieden, dass ausländische Versandapotheken keinen Bonus gewähren dürfen, wäre seitens der Apotheken die aktuell vehement aufgestellte Forderung nach einem Versandhandelsverbot garantiert nicht aufgekommen. Die Apotheken scheuen nicht den Wettbewerb mit den Versandapotheken, lehnen aber einen Wettbewerb zu unterschiedlichen Bedingungen ab. Da aber das Urteil im Raum steht, ist ein Versandhandelsverbot das einzig verbleibende Instrument gegen die faktisch enorme Wettbewerbsverzerrung. Deshalb unterstützt DER MITTELSTANDSVERBUND ein solches Verbot ausdrücklich.“

DER MITTELSTANDSVERBUND - ZGV e.V. vertritt als Spitzenverband der deutschen Wirtschaft in Berlin und Brüssel die Interessen von ca. 230.000 mittelständischen Unternehmen, die in rund 310 Verbundgruppen organisiert sind. Darunter befinden sich zahlreiche Apothekenkooperationen mit rund 20.000 angeschlossenen Apotheken, wie NOWEDA, AVIE oder parmapharm. 

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