Meilenstein zur Umsetzung des „Fit-for-55-Paketes“ – Mittelstand erwartet mehr von der Politik als nur Pilotprojekte!

Die europäischen Energie- und Umweltministerinnen und -minister haben sich in einem Verhandlungsmarathon auf eines der umfassendsten Klimaschutzpakete in der Geschichte der EU geeinigt. Grundlage dafür ist das „Fit-for-55-Paket“ der EU-Kommission, mit der die EU ihre klimaschädlichen Emissionen bis 2030 um 55 Prozent senken und damit die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens einhalten will.

Berlin, 1. Juli 2022 – In Luxemburg verständigten sich die europäischen Energie- und UmweltministerInnen bei ihrem zweitägigen Treffen auf weitreichende Klimaschutzvorgaben. Die Beschlüsse betreffen den Emissionshandel, den Klimasozialfonds, die Lastenteilungsverordnung, die Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF) und die Flottengrenzwerten für Pkw und Transporter. Gegenüber den bisherigen Klimabeschlüssen der EU führt das Paket nahezu zu einer Verdoppelung der Klimaschutzanstrengungen bis 2030, unterlegt mit konkreten Maßnahmen.

Im nächsten Schritt werden der Energie- und Umweltrat unter der Präsidentschaft Tschechiens die Verhandlungen im Trilog-Verfahren mit dem Europäischen Parlament fortsetzen. Als Zeithorizont ist dafür das zweite Halbjahr 2022 vorgesehen. Konflikte mit dem Parlament sind dabei absehbar: Unter anderem zu den freien Zertifikaten im Emissionshandel und zur Kürzung des Klimasozialfonds.

Die wichtigsten Beschlüsse im Detail

CO2-Flottengrenzwert

Ab 2035 werden in Europa keine herkömmlichen Pkws mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen. So müssen die Hersteller ab dem Jahr 2030 anspruchsvollere CO2- Flottengrenzwerte als bislang erfüllen. Im Jahr 2035 beträgt die Emissions-Minderung sowohl bei Pkw als auch bei leichten Nutzfahrzeugen 100%. Auf Drängen der Bundesregierung wurde dem Verbrenner-Aus-Gesetz ein unverbindlicher Erwägungsgrund angefügt. Demnach soll die EU-Kommission einen weiteren Gesetzesvorschlag vorlegen, um ausschließlich mit sogenannten E-Fuels betankbare Pkws doch noch zuzulassen.

Bestehender Emissionshandel I

Der Beschluss des Umweltrates sieht vor, die Emissions-Menge und damit die Menge der Emissions-Zertifikate im EU-Emissionshandelssystem (ETS-1) bis 2030 im Vergleich zu 2005 schrittweise um 61 Prozent zu senken (bisher 43%). Die bislang kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die Luftfahrtbranche und für im internationalen Wettbewerb stehende Industriesektoren soll stufenweise auslaufen. Für diese Industrien wurde bereits im März im Rat für Wirtschaft und Finanzen beschlossen, dass ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) eingeführt werden soll. Außerdem wird der Seeverkehr zukünftig in den Emissionshandel einbezogen (ab 2024).

Neuer Emissionshandel II

Für die nicht dem Emissionshandel I unterliegenden Sektoren soll ein weiteres Emissionshandeslsregime etabliert werden. So spricht sich der Umweltrat dafür aus, ein zusätzliches Emissionshandelssystem zu schaffen – ähnlich dem seit 2021 bestehenden deutschen Brennstoffemissionshandel. Das marktwirtschaftliche Instrument Emissionshandel erfährt damit eine deutliche Stärkung und bekommt eine zentrale Bedeutung im Klimapaket.

Klimasozialfonds

Zur finanziellen Entlastung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen, wurde ein Preisstabilisierungssystem eingezogen: Hierfür soll den Mitgliedstaaten über einen Klimasozialfonds Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Der Fonds mit einem Gesamtvolumen von rund 60 Milliarden Euro soll Maßnahmen und Investitionen in effizientere Gebäude und emissionsärmere Mobilität unterstützen und hauptsächlich schutzbedürftigen Haushalten, Kleinstunternehmen zugutekommen.

Grenzausgleichsmechanismus – Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)

Wie bereits im März im Rat für Wirtschaft und Finanzen beschlossen, soll ab dem Jahr 2023 ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus eingeführt werden. Dieser „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM) soll das derzeit zentrale Instrument zum Schutz vor Carbon Leakage, die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten, bis 2035 schrittweise ablösen. Durch den Mechanismus bekommen künftig auch CO2-Emissionen bestimmter energieintensiver Produkte, die in die EU importiert wurden, einen Preis. Damit schafft der Mechanismus einen Ausgleich für europäische Unternehmen, die dem EU-Emissionshandel unterliegen, gegenüber Unternehmen aus anderen Wirtschaftsräumen.

Verbindliche Klimaziele für die Sektoren außerhalb des EU-Emissionshandels (ETS)

Erstmals wird es verbindliche europäische Regeln für die klimafreundliche Nutzung von Land geben. Dabei verfolgt die angepasste EU-Klimaschutzverordnung („Effort Sharing Regulation“) das Ziel einer Treibhausgasminderung um 40 Prozent gegenüber 2005. Die Verordnung über Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft („LULUCF-Verordnung“) soll den CO2-Ausstoß bis 2030 um 310 Millionen Tonnen senken.

Höheres Ziel für erneuerbare Energien und verbindliche Sektorziele

Das Ausbauziel für erneuerbare Energien im Jahr 2030 wurde von 32 Prozent auf 40 Prozent angehoben. Darüber hinaus wurden ambitionierte und verbindliche Sektorziele festgelegt, mit denen die Nutzung erneuerbarer Energien europaweit in allen Sektoren vorangebracht werden. Wichtig ist dabei auch die Erklärung, den Ausbau der erneuerbaren Energien als „im europäischen Interesse“ zu verstehen. So können Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden. Es wird zudem ein europäischer Rahmen für den Hochlauf von grünem Wasserstoff gesetzt, insbesondere in der Industrie und auch im Verkehrsbereich.

Verbindliches EU-Energieeffizienzziel

Erstmals wird ein verbindliches Energieeffizienzziel für Europa formuliert. Unternehmen mit großem Energieverbrauch werden unter anderem künftig zur Nutzung von Energiemanagementsystemen verpflichtet, ein neues Register für die Energieverbräuche von Rechenzentren eingeführt und für die öffentliche Hand zusätzlich Maßnahmen eingeführt.

Entwaldungsfreie Lieferketten

Der EU-Umweltrat hat seine gemeinsame Position zu einer Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten verabschiedet. Die neuen Regeln sollen künftig verhindern, dass Holz, Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch und Soja sowie daraus gewonnene Produkte auf den EU-Binnenmarkt kommen, sofern ihre Herstellung Entwaldung verursacht hat.

Fazit

Auch wenn der Mittelstand insbesondere von ETS II, entwaldungsfreien Lieferketten, Flottengrenzwerten und Energieeffizienzzielen unmittelbar betroffen ist, ergeben sich auch mit Blick auf die weiteren Dossiers mittelbare Auswirkungen auf Unternehmen in Deutschland und Europa.

Grundsätzlich ist aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES mit dem Paket ein deutliches Mehr an Planungssicherheit geschaffen worden, auch wenn einige Fragen zur konkreten Umsetzung, beispielsweise des Brennstoffemissionshandels auf europäischer Ebene offenbleiben. Insofern bleibt es abzuwarten, wie die tschechische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte die Gespräche vorantreibt.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird in den kommenden Wochen eine vertiefte Analyse zu den einzelnen Dossiers und deren konkreten Auswirkungen auf mittelständische Unternehmen aufgreifen und bewerten.

„Gerade Energieeffizienz ist das Thema, das für unsere Unternehmen die bedeutendste Rolle spielt. Mit Blick auf die prekäre Situation bei der Energie-Versorgungssicherheit in Deutschland würden wir hier deutlich mehr als Lippenbekenntnisse und Kampagnen von der Bundesregierung besonders für mittelständische Unternehmen erwarten. DER MITTELSTANDSVERBUND ist hier mit dem seit zwei Jahren laufenden Projekt Klimaverbund Mittelstand und den Klimaprofis in Vorleistung gegangen – hier müssen wir raus aus der Projektphase; wir brauchen für unsere Unternehmen unbedingt eine Verstetigung dieses erfolgreichen Ansatzes“, so Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES.

Zum verbesserten Umgang mit Energie und Ressourcen hat DER MITTELSTANDSVERBUND Im Rahmen des Projektes „Klimaverbund Mittelstand“ für die mittelständischen Unternehmen ein ambitioniertes Beratungsprogramm entwickelt. Dem liegt ein selbst konzipiertes Schulungskonzept zugrunde, das, ausgerichtet an den Bedürfnissen kleiner und mittlerer Unternehmen, junge Menschen zu „Klimaprofis“ qualifiziert. Mit fester Anstellung in Verbundgruppenzentralen werden diese zu einzigartigen Beschleunigern für Klimaschutz und ein effizientes Ressourcenmanagement in Unternehmen. Zugleich leisten sie damit einen Beitrag, die nationale Energiewende aus dem Mittelstand heraus maßgeschneidert voranzutreiben.

Mit der speziellen modular aufgebauten Weiterbildung werden die „Klimaprofis“ in die Lage versetzt, Anschlussunternehmen bzw. Mitglieder von Verbundgruppen gezielt fachkundig zu beraten. Somit können Vorteile einer zügigen Verbesserung in den Bereichen Klimaschutz, Energieeffizienz sowie im Ressourcenmanagement vor Ort kompetent vermittelt und begleitet werden. Nach der ersten erfolgreichen Förder- und Pilotphase im Projekt „Klimaverbund Mittelstand“ 2020, konnten im Winterhalbjahr 2021 und Frühjahr 2022 bereits 33 Klimaprofis aus rund 25 Verbundgruppen heraus qualifiziert werden und stärken auch auf diesem Feld die Bindung in den jeweiligen Kooperationen. Wir laden Sie herzlich dazu ein, sich im Spätsommer/ Herbst 2022 mit einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter an der nächsten Qualifizierungsrunde zu beteiligen und die Verbundgruppen „klimafit“ und krisenresilienter zu machen.

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Ansprechpartner

Dr. Sabine Schäfer DER MITTELSTANDSVERBUND
Dr. Sabine Schäfer Projektleiterin Klimaverbund und Leiterin Klima, Energie und Ressourcen Mehr Infos
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