8,50 Euro für (fast) jeden: Bundestag beschließt Mindestlohn

Trotz heftiger Kritik hat der Bundestag am 3. Juli den flächendeckenden Mindestlohn beschlossen. Damit kommen ab dem 01.01.2015 auf potenziell alle Unternehmen zahlreiche bürokratische Lasten und Vorgaben zu.

Berlin, den 03.07.2014 — Der Deutsche Bundestag hat das "Tarifautonomiestärkungsgesetz" beschlossen, am 11. Juli soll es den Bundesrat passieren. In wenigen Punkten gibt es Abweichungen vom Gesetzentwurf, im Einzelnen handelt es sich um folgende Themen:

Arbeitszeitkonten

Für Arbeitszeitkonten (§ 2 MiLoG) erfolgt eine Klarstellung, nach der die "Zwölfmonatsregelung" nicht gilt, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Dort, wo der Mindestlohn durch das Grundentgelt auch für "Überstunden" abgedeckt ist, wird eine Auflösung eines Guthabens nach zwölf Monaten nicht notwendig. DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt, dass eine Lösung für dieses Problem gefunden wurde, jedoch wäre eine einfache Anwendung der tariflichen und /oder betrieblichen Regelungen für solche Arbeitszeitkonten deutlich unbürokratischer und klarer.

Ausschlussfristen

Die Regelung u.a. zu Ausschlussfristen (§ 3 MiLoG) wird ausgedehnt. Bislang war vorgesehen, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten bzw. seine Geltendmachung einschränken oder ausschließen, nur durch gerichtlichen Vergleich möglich sind. Nun wird geregelt, dass ein gerichtlicher Verzicht nur für bereits entstandene Forderungen möglich sein soll.


Erhöhung des Mindestlohns

Die erste Erhöhung soll schon zum 01.01.2017 von der Mindestlohnkommission festgesetzt werden können, im Gesetzentwurf war das Jahr 2018 vorgesehen. Zukünftige Erhöhungen erfolgen dann im Zwei-Jahres-Rhythmus.


Auftraggeberhaftung

Die Haftung des Auftraggebers (§ 13 MiLoG) wird entsprechend dem Referentenentwurf wie im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gestaltet. Danach haftet der Auftraggeber verschuldensunabhängig für den Nettomindestlohn, falls ein durch Werk- oder Dienstvertrag beauftragter Unternehmer oder dessen Subunternehmer seinen Mitarbeitern den Mindestlohn nicht zahlt. Die im Gesetzentwurf vorgesehene - wenn auch ungenügende - Exkulpationsmöglichkeit entfällt. Damit wird es für alle Unternehmen noch wichtiger werden, seine Dienstleister sorgfältig auszuwählen und ggf. Sicherungsmechanismen für eventuelle Haftungsfälle zu entwickeln.


Arbeitszeitaufzeichnung

Die Pflicht zur Erstellung und Aufbewahrung von Arbeitszeitnachweisen für alle geringfügig und kurzfristig Beschäftigten (§ 8 Abs. 1 SGB IV) sowie für alle in den Wirtschaftsbereichen des § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftszweigen Beschäftigten bleibt erhalten. Diese Verpflichtung kann durch Rechtsverordnung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hinsichtlich der Arbeitnehmergruppen und Wirtschaftszweige sowohl eingeschränkt als auch erweitert werden. Neu ist, dass das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung bestimmen kann, wie diese Aufzeichnung und Aufbewahrung vorgenommen werden kann.

"Bemerkenswert ist hier, dass trotz zahlreicher Hinweise aus der Wirtschaft, auch seitens des MITTELSTANDSVERBUNDES, die Politik nach wie vor behauptet, aus dieser Dokumentationspflicht entstünden den Unternehmen keinerlei Mehrkosten", kritisiert die stellvertretende Geschäftsführerin und Arbeitsrechtsexpertin des MITTELSTANDSVERBUNDES, Judith Röder.


Praktikanten

Für "Praktikanten" (§ 22 MiLoG) wird sowohl für Pflichtpraktika wie für freiwillige Praktika vor und während der Ausbildung die Verweildauer im Praktikum auf drei Monate (bisher sechs Wochen) erweitert. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, besser wäre jedoch eine Erweiterung auf sechs Monate gewesen", so Röder.

Zudem wird das Nachweisgesetz so geändert, dass künftig auch Praktikanten eine Abschrift der vertraglich geregelten Bedingungen übergeben werden muss. Dies könne sich nach Ansicht des Spitzenverbandes des kooperierenden Mittelstandes als bürokratische Mehrbelastung für Praktika über die Frage der Vergütung hinaus erweisen.

"Die Neufassung der Regelung zur sogenannten Einstiegsqualifizierung (Abs. 1 Nr. 4) kann Erleichterung für die Betriebe bringen", sagt die MITTELSTANDSVERBUND-Arbeitsrechtsexpertin. Dies hänge von der Handhabung durch die in § 70 BBiG genannten zuständigen Landesbehörden und der Auslegung u.a. des in § 68 BBiG enthaltenen Begriffs "umfassende sozialpädagogische Betreuung und Unterstützung" ab. Zur Sicherstellung einer hohen Bereitschaft der Betriebe, solche Qualifizierungen auch künftig zu ermöglichen, werde man hieran keine hohen Anforderungen stellen dürfen.


Ausnahmeregelungen für einzelne Branchen und Saisonarbeitskräfte

Die Übergangsregelung (§ 24 MiLoG) für bestimmte bestehende Tarifverträge wird um ein Jahr verlängert. Das betrifft lediglich die Branchen, in denen bis zum 01.01.2017 der tarifliche Mindestlohn nicht 8,50 Euro erreicht haben wird.

Für Zeitungszusteller wird eine Sondervorschrift eingeführt, die den Übergang in das System des Mindestlohns durch eine gestufte Heranführung an die Höhe des Mindestlohns erleichtern soll. Diese erhalten in 2015 einen Mindestlohn von 75 Prozent = 6,38 Euro, in 2016 von 85 Prozent = 7,23 Euro sowie in 2017 von 8,50 Euro pro Stunde.

Durch eine Änderung im SGB IV werden Saisonarbeitskräfte (Kurzbeschäftigte im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) von der Sozialversicherungspflicht bis zum 31.12.2018 befreit. Die Höchstdauer der kurzfristigen Beschäftigung wird von 2 Monaten bzw. 50 Tagen auf 3 Monate bzw. 70 Tage verlängert.

"Wir werden unseren Mitgliedern nach der Beschlussfassung des Bundesrates eine konsolidierte Fassung des gesamten Gesetzestextes zukommen lassen", sagt Röder. Geplant sei zudem ein Leitfaden mit Hinweisen für die Praxis.


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