Bundesfinanzministerium veröffentlicht Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 – Viel Inhalt, wenig Entlastung für den Mittelstand

Das Bundesfinanzministerium hat am 28. Juli einen Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2022 veröffentlicht. Geplant sind zwar umfangreiche, aber vor allem technische Anpassungen im Steuerrecht. Echte Entlastungen für mittelständische Unternehmen sind hingegen kaum zu erwarten, wie DER MITTELSTANDSVERBUND in seiner Stellungnahme bemängelt.

Berlin, 05.08.2022 – Am 28. Juli – und damit inmitten der politischen Sommerpause – hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Referentenentwurf für ein sogenanntes „Jahressteuergesetz 2022“ veröffentlicht und im Rahmen einer Verbändebeteiligung die Möglichkeit zu kurzfristigen Stellungnahmen eingeräumt. Hieran hat sich auch DER MITTELSTANDSVERBUND beteiligt. Wie bei Jahressteuergesetzen üblich bündelt auch der vorliegende Referentenentwurf eine Vielzahl unterschiedlicher steuerlicher Einzelmaßnahmen. Viele davon sind etwa durch Rechtsprechung des EuGH oder BVerfG notwendige Anpassungen oder redaktionelle Korrekturen. Anders als in Vorjahren beinhaltet der sehr umfangreiche Entwurf bisher aber kaum substanzielle, stärker politisch motivierte Maßnahmen. Dies führt zwar dazu, dass die enthaltenen Änderungen zwar aufgrund ihres eher technischen Charakters wenig Anlass zu Kritik liefern und teilweise sogar klar zu begrüßen sind. Andererseits dürfte deshalb die steuerliche Entlastungswirkung gerade für Unternehmen sehr begrenzt bleiben. Es ist allerdings möglich, dass der Entwurf im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch um weitere Maßnahmen ergänzt wird.

Neben kleineren Änderungen enthält der Referentenentwurf folgende Anpassungen in unterschiedlichen Bereichen des Steuerrechts:

  • Schaffung einer Rechtsgrundlage zum Aufbau eines direkten Auszahlungsweges für öffentliche Leistungen unter Nutzung der steuerlichen Identifikationsnummer, § 139b AO
  • Anhebung des linearen AfA-Satzes für die Abschreibung von Wohngebäuden auf 3 %, § 7 Absatz 4 EStG
  • vollständiger Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen ab 2023, § 10 Absatz 3 EStG
  • Erhöhung des Sparer-Pauschbetrags, § 20 Absatz 9 EStG
  • weitgehende Abschaffung Registerfälle für die Zukunft und rückwirkende Abschaffung Registerfälle für Drittlizenzen (Ausnahme: § 10 StAbwG), § 49 EStG
  • Aufhebung der Begrenzung des Spitzensteuersatzes auf 42 Prozent für die Gewinneinkünfte des Jahres 2007 zur Umsetzung der Vorgaben des BVerfG-Beschlusses 2 BvL 1/13, § 32c EStG
  • Anhebung des Ausbildungsfreibetrags, § 33a EStG
  • Steuerfreistellung des Grundrentenzuschlages
  • Vollendung der Familienkassenreform, § 72 EStG, § 5 FVG
  • Verfahrensverbesserungen bei der Riester-Förderung
  • Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes an die Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14. Juli 2021
  • Schaffung einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/284 des Rates vom 18. Februar 2020 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister
  • Umsetzung der Verpflichtung zur elektronischen Bereitstellung über Verwaltungsportale nach dem Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz) vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122, 3138) 

Der Referentenentwurf enthält damit aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES durchaus begrüßenswerte Vorhaben. Dies gilt insbesondere für die Schaffung einer Rechtsgrundlage zum Aufbau eines direkten Auszahlungsweges für öffentliche Leistungen unter Nutzung der steuerlichen Identifikationsnummer. Bei der zum 1. September 2022 – in der Regel durch die Arbeitgeber – auszuzahlenden Energiepreispauschale zeigen sich nämlich die Probleme, die den Unternehmen aus dem Fehlen einer solchen Rechtsgrundlage erwachsen. Die Unternehmen müssen in finanzielle und organisatorische Vorleistung gehen, um die Auszahlung der Energiepreispauschale an ihre Beschäftigten zu ermöglichen. Mit Blick auf das durch die Bundesregierung geplante Klimageld oder eventuelle weitere Leistungen ist diese Rechtsgrundlage daher dringend überfällig; eine erneute Verpflichtung und Belastung der Arbeitgeber darf es nicht geben. Auch die Anhebung des linearen AfA-Satzes für die Abschreibung von Wohngebäuden auf 3 % bzw. die damit verbundene Verkürzung der Abschreibungsdauer auf 33 Jahre für alle Gebäude ist eine sinnvolle Vereinfachung, die zudem den klimagerechten Neubau fördern könnte. 

Davon abgesehen finden sich im Referentenentwurf des BMF jedoch keine steuerlichen Maßnahmen, die Unternehmen im Mittelstand tatsächlich entlasten würden. Dies ist angesichts der derzeit wachsenden wirtschaftlichen Unsicherheit, der weiterhin umfangreichen Lieferengpässe, massiv steigender Energiepreise und einer wieder zurückgehenden Konsumneigung sehr bedauerlich. Zudem fällt auf, dass gerade die steuerlichen Entlastungsmaßnahmen, die in den vergangenen Monaten sehr konkret innerhalb der Bundesregierung diskutiert wurden, nicht Teil des Referentenentwurfs sind: Dies gilt insbesondere für eine spürbare Verschiebung des Einkommensteuertarifs zur Verringerung der inflationsbedingt sehr realen kalten Progression sowie für die Investitionsprämie für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung, die schon im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Diese Vorhaben könnten noch nachträglich in das Jahressteuergesetz 2022 integriert werden. Sofern dies politisch nicht gewünscht ist, müssen diese Vorhaben stattdessen so bald wie möglich im Rahmen separater Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht werden. 

Um gerade die kleinen und mittleren Unternehmen zeitnah spürbar zu entlasten und ihre wirtschaftliche Resilienz mittelfristig zu stärken, sollten daher weitere gezielte Maßnahmenin das Gesetz aufgenommen  werden. DER MITTELSTANDSVERBUND schlägt hierfür z.B. die Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags auf bis zu drei vorangegangene Veranlagungszeiträume bzw. eine dauerhafte Anhebung des maximalen Verlustrücktrags sowie eine deutliche Verringerung der gewerbesteuerlichen Hinzurechungstatbestände bzw. eine Anhebung des entsprechenden Freibetrags vor. Diese und weitere Vorschläge hat DER MITTELSTANDSVERBUND auch in seiner schriftlichen Stellungnahme zum Referentenentwurf an das BMF übermittelt. 

DER MITTELSTANDSVERBUND wird über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2022 zu gegebener Zeit informieren. Mit einem Regierungsentwurf, der auch die Stellungnahmen im Rahmen der Verbändebeteiligung berücksichtigen sollte, ist jedoch erst mit dem Ende der politischen Sommerpause im September 2022 zu rechnen. 

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