Bundestag und Bundesrat beschließen Gesetz zur Neuregelung steuerlicher Nachzahlungs- und Erstattungszinsen

Nachdem das Bundesfinanzministerium im Februar einen Referentenentwurf vorgelegt hatte, haben Bundestag und Bundesrat nun ein Gesetz verabschiedet, mit dem der Zinssatz für steuerliche Nachzahlungs- und Erstattungszinsen deutlich abgesenkt wird. Eine Anpassung des Zinssatzes war durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig geworden und soll dem veränderten Zinsumfeld Rechnung tragen. Unternehmen können somit künftig mit einer angemesseneren Zinshöhe kalkulieren.

Berlin, 21.07.2022 – Mit seinem am 18. August 2021 veröffentlichten Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Höhe des Zinssatzes, der gegenwärtig auf steuerliche Nachzahlungs- und Erstattungszinsen fällig wird, mit Verweis auf das deutlich veränderte Zinsumfeld für verfassungswidrig erklärt. Während der bisherige Zinssatz von monatlich 0,5 % bzw. jährlich 6 % für Verzinsungszeiträume zwischen dem 1. Januar 2014 und 31. Dezember 2018 auf Basis des Urteils weiterhin angewendet werden darf, musste der Gesetzgeber für Zeiträume ab dem 1. Januar 2019 rückwirkend einen neuen Zinssatz festlegen. Die dafür eingeräumte Frist läuft Ende Juli 2022 aus und kann nun eingehalten werden: Während der Bundestag bereits am 23. Juni 2022 das „Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ beschlossen hatte, stimmte am 8. Juli auch der Bundesrat dem Gesetz zu. Damit konnte das Gesetz, das auf einem am 22. Februar 2022 vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) vorgelegten Referentenentwurf beruht, rechtzeitig in Kraft treten. Am 21. Juli wurde es schließlich im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Der Referentenentwurf wurde dabei im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens kaum verändert. Auch das nun verabschiedete Gesetz sieht einen deutlich niedrigeren Zinssatz als bisher vor: Für sämtliche Verzinsungszeiträume rückwirkend zum dem 1. Januar 2019 wird der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gemäß § 233a AO auf 0,15 % pro Monat – also 1,8 % pro Jahr – gesenkt und damit an die verfassungsrechtlichen Vorgaben angepasst. Auch der neue Zinssatz soll aber bei Bedarf regelmäßig angepasst werden können. Deshalb legt das Gesetz auch fest, die Angemessenheit des Zinssatzes unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB regelmäßig mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume zu evaluieren. Bei den Evaluierungsintervallen gab es allerdings noch Änderungen im Gesetzgebungsverfahren: Die Evaluierung des Zinssatzes muss nun wenigstens alle zwei Jahre erfolgen – erstmals jedoch spätestens zum 1. Januar 2024.

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt die nun beschlossene Neufestsetzung des Zinssatzes für Nachzahlungs- bzw. Erstattungszinsen auf 1,8 % pro Jahr ausdrücklich. Es war mit Blick auf die allgemeine Zinsentwicklung schon lange nicht mehr angemessen, dass die Steuerzahler etwa bei Steuernachforderungen durch die Finanzämter nahezu horrende Zinsen aufschlagen mussten. Deswegen war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Sommer überfällig und hat die Bundesregierung zurecht zum schnellen Handeln gezwungen. Das beschlossene Gesetz trägt dem Urteil ausreichend Rechnung und setzt einen deutlich niedrigeren sowie vor dem Hintergrund der allgemeinen Zinsentwicklung der vergangenen Jahre angemessenen Zinssatz an.

DER MITTELSTANDSVERBUND hat den bisherigen, aus der Zeit gefallen Zinssatz seit Jahren als zu hoch beklagt. Mit dem neuen Zinssatz können gerade kleine und mittlere Unternehmen bei Steuernachzahlungen auf spürbare Entlastungen gegenüber der jetzigen Situation hoffen. Hier macht sich die Höhe des Zinssatzes tatsächlich bemerkbar. Ebenfalls ist es richtig und auch notwendig, den Zinssatz wie nun festgelegt in regelmäßigen Abständen einer Evaluierung zu unterziehen und bei einer Veränderung des Basiszinssatzes gegebenenfalls anzupassen. So kann sichergestellt werden, dass der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen auch langfristig realistisch bleibt. Denn im Zuge des Ukraine-Kriegs und der deutlich gestiegenen Inflation deutet sich eine Zinswende an, die den Trend des vergangenen Jahrzehnts wieder umkehren könnte.

Abgesehen von der nun beschlossenen Anpassung des Zinssatzes bei Nachzahlungs- und Erstattungszinsen sollte darüber hinaus nicht vergessen werden, dass das Steuerrecht auch an anderer Stelle an hohen und unrealistischen Zinssätzen festhält – etwa beim Rechnungszinssatz von 6 % für die Bewertung von Pensionsrückstellungen. Hier sollte der Gesetzgeber ebenfalls tätig werden und den vorgeschriebenen Zinssatz absenken.

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