Mehr Spielraum für steuerliche Billigkeitsmaßnahmen in der Energiekrise – Doch es braucht auch strukturelle Entlastungen

Das Bundesfinanzministerium hat ein Schreiben veröffentlicht, das den Finanzämtern mehr Ermessensspielraum für die Gewährung steuerlicher Billigkeitsmaßnahmen eröffnet. Sie können Unternehmen somit etwa Steuern stunden, ohne dass hierfür Stundungszinsen anfallen. DER MITTELSTANDSVERBUND hält dies zwar für sinnvoll, weit wichtiger ist allerdings die Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung.

Berlin, 07.10.2022 – Vor dem Hintergrund der massiv gestiegenen Energiekosten als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat das Bundesfinanzministerium (BMF) am 6. Oktober 2022 ein BMF-Schreiben veröffentlicht, das eine erleichterte Gewährung steuerlicher Billigkeitsmaßnahmen als Beitrag zur Abmilderung der finanziellen Belastung der Unternehmen vorsieht. Den Finanzämtern stehen grundsätzlich im Rahmen ihrer Vorgaben neben der Herabsetzung von Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer eine Reihe von sogenannten Billigkeitsmaßnahmen zur Verfügung, um angemessene Entscheidungen zugunsten der Steuerpflichtigen treffen zu können. Hierzu gehört insbesondere die Stundung oder die einstweilige Einstellung der Vollstreckung. Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern sind die Finanzämter nun angehalten, in jedem Einzelfall unter Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen zu entscheiden, inwieweit die Voraussetzungen für eine steuerliche Billigkeitsmaßnahme vorliegen. Dabei sollen sie den ihnen zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum verantwortungsvoll ausschöpfen.

Für die möglichen Billigkeitsmaßnahmen, darunter die Stundung fälliger Steuern, gilt folgendes:

  • Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen sind bei bis zum 31. März 2023 eingehenden Anträgen keine strengen Anforderungen zu stellen.
  • Über Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen oder Anpassung der Vorauszahlungen soll zeitnah entschieden werden. Auch eine rückwirkende Herabsetzung von Vorauszahlungen für das Jahr 2022 ist im Rahmen der Ermessensentscheidung möglich.
  • Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann aus Billigkeitsgründen – für in der Regel nicht mehr als drei Monate – verzichtet werden. Voraussetzung hierfür ist u. a., dass der Steuerpflichtige seinen steuerlichen Pflichten, insbesondere seinen Zahlungspflichten, bisher pünktlich nachgekommen ist und in der Vergangenheit nicht wiederholt Stundungen und Vollstreckungsaufschübe in Anspruch genommen hat (ausgenommen sind Billigkeitsmaßnahmen aufgrund der Corona-Krise).
  • Des Weiteren gelten die verlängerten Steuererklärungsfristen für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2024 (Artikel 97 § 36 Absatz 3 EGAO). Näheres hierzu ergibt sich aus dem BMF-Schreiben vom 23. Juni 2022.

DER MITTELSTANDSVERBUND hält diese Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung für notwendig, allerdings bedeuten sie im besten Fall eine sehr geringe Entlastung für die stark von den gestiegenen Energiekosten betroffen Unternehmen. Denn damit wird die Steuerlast keinesfalls verringert, sondern lediglich für einen begrenzten Zeitraum gestundet. Ob sich die Liquiditätssituation des jeweiligen Unternehmens bis dahin allerdings spürbar verbessert haben wird, ist in der gegenwärtigen Situation mehr als fraglich. Auch bleibt abzuwarten, ob die zuständigen Finanzämter ihren Ermessensspielraum zur Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen auch tatsächlich ausschöpfen. So mahnt DER MITTELSTANDSVERBUND deutliche strukturelle steuerliche Entlastungen an. Dies gilt insbesondere für eine Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung, die vielen Unternehmen gerade jetzt helfen würde. Für eine Ausweitung des Verlustvor- bzw. -Rücktrags ist jetzt der Gesetzgeber dringend gefordert. Denn hier hat die Politik einen entscheidenden Hebel für die Entlastung des Mittelstandes in der Hand.

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