Rat der EU plant neuen Rahmen für Mehrwertsteuersätze in den Mitgliedstaaten

Der Rat der Europäischen Union hat sich auf einen neuen Rahmen für die jeweiligen Mehrwertsteuersätze in den EU-Mitgliedstaaten geeinigt. Damit könnten und müssten bestimmte ermäßigte Steuersätze angepasst werden. Für Deutschland dürften die Auswirkungen jedoch gering sein.

Brüssel/Berlin, 25.01.2022 – Auch wenn die Steuergesetzgebung weitgehend in den Kompetenzbereich der EU-Mitgliedstaaten fällt, findet unter anderem im Bereich der Umsatzbesteuerung dennoch eine gewisse Vereinheitlichung statt. Die sogenannte Mehrwertsteuersystemrichtlinie regelt bereits seit dem Jahr 2006, welche Mindeststeuersätze für die nationale Mehrwertsteuer gelten und für welche Warengruppen ermäßigte Mindeststeuersätze festgesetzt werden dürfen. Gemäß einer Vereinbarung des Rates der Europäischen Union vom 7. Dezember 2021 soll diese Mehrwertsteuersystemrichtlinie zukünftig in mehreren Punkten geändert werden. Die Vereinbarung geht wiederum auf einen Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2018 zurück.

Neue Regeln für reguläre und ermäßigte Mehrwertsteuersätze

Nach den derzeit geltenden Vorschriften für Mehrwertsteuersätze sind zwei unterschiedliche Kategorien von Waren vorgesehen, die von ermäßigten Steuersätzen (von mindestens 5 % in jedem Land) profitieren können. Einige Mitgliedstaaten wenden allerdings auch besondere Ausnahmeregelungen mit noch geringeren Steuersätzen auf Basis historischer Präzedenzfälle an. Ziele des neuen Rahmens sind eine stärkere Rationalisierung der unterschiedlichen Steuersätze, die Erhöhung der Flexibilität bei der Anwendung ermäßigter Steuersätze sowie die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Handel. Dabei umfasst der neue Rahmen gemäß der Vereinbarung des Rates folgende wesentliche Punkte:

  • Die Mitgliedstaaten werden weiterhin einen Mehrwertsteuer-Normalsatz von mindestens 15 % anwenden.
  • Die Mitgliedstaaten werden jetzt auch die Möglichkeit haben, maximal zwei ermäßigte Steuersätze von mindestens 5 % auf Waren und Dienstleistungen in bis zu 24 Kategorien von Produkten anzuwenden, die in Anhang III der Mehrwertsteuersystemrichtlinie aufgeführt sind (z. B. Nahrungsmittel, Arzneimittel, medizinische Geräte, Lieferung von Büchern).
  • Das aktualisierte Verzeichnis in Anhang III umfasst nun auch: 
    • digitale Dienstleistungen, für die bislang keine ermäßigten Steuersätze infrage kamen (z. B. Internetzugangsdienste und Live-Streaming von Kultur- und Sportveranstaltungen)
    • persönliche Schutzausrüstung, Atemschutzmasken und bestimmte medizinische Geräte sowie Gegenstände, die als wesentliche Hilfsmittel für Behinderte angesehen werden
    • bestimmte Gegenstände, die eine positive Wirkung auf die Prioritäten der Klimaschutzpolitik der EU haben (z. B. Fahrräder, emissionsarme Heizanlagen, Solarpaneele, Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Recycling von Abfällen usw.)
    • verschiedene Produkte und Dienstleistungen, die aus Sicht der Mitgliedstaaten angebracht und nützlich sind, im allgemeinen Interesse sind oder öffentliche politische Ziele verfolgen.
  • Zudem können die Mitgliedstaaten (gemäß dem neuen Artikel 98 Absatz 2) nun auch einen stark ermäßigten Satz, der unter dem Mindestsatz von 5 % liegt, oder eine Steuerbefreiung bei höchstens sieben Kategorien des in Anhang III enthaltenen Verzeichnisses anwenden. Für Mitgliedstaaten, die einen stark ermäßigten Satz bei mehr als 7 Kategorien der in diesem Verzeichnis genannten Waren und Dienstleistungen angewandt haben, ist ein Übergangszeitraum vorgesehen.
  • Vorgesehen ist eine schrittweise Abschaffung für ermäßigte Steuersätze von weniger als 12 % bei Waren und Dienstleistungen, die nicht in Anhang III aufgeführt sind (z. B. historische ermäßigte Steuersätze – siehe neuer Artikel 105 Absätze 2 und 3).
  • Der Rat hat auch vereinbart, ermäßigte Mehrwertsteuersätze oder Steuerbefreiungen auf fossile Brennstoffe und andere Gegenstände mit ähnlichen Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen bis zum 1. Januar 2030 und auf chemische Düngemittel und chemische Schädlingsbekämpfungsmittel bis zum 1. Januar 2032 sukzessive abzuschaffen (neuer Artikel 105a Absatz 4).
  • In der Richtlinie ist eine neue Bestimmung für den Umgang mit außergewöhnlichen Situationen (z. B. Pandemien, humanitären Krisen, Naturkatastrophen usw.) vorgesehen, um die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, rasch auf solche Situationen zu reagieren (neuer Artikel 101a).

Nächste Schritte und Auswirkungen

In den kommenden Monaten wird im Europäischen Parlament eine Anhörung zur Einigung des Rates stattfinden, obgleich die Stellungnahme des Europäischen Parlaments nicht verbindlich ist. Die formelle Annahme der geänderten Mehrwertsteuerregeln soll bereits im ersten Halbjahr 2022 erfolgen. Anschließend würden die Mitgliedstaaten eine Frist bis Ende 2024 erhalten, um die neuen Regeln – sofern dies notwendig ist – in nationales Recht umzusetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mehrwertsteuersystemrichtlinie den Mitgliedstaaten – sowohl jetzt als auch in Zukunft – einen recht großen Spielraum zur Ausgestaltung ihrer Steuersätze lässt. In vielen Fällen dürfte daher nur geringer gesetzlicher Anpassungsbedarf bestehen.

Auch bezogen auf Deutschland sollten sich voraussichtlich keine unmittelbaren Auswirkungen der neuen Regeln ergeben. Die in Deutschland geltenden Mehrwertsteuersätze liegen mit 19 % (regulär) und 7 % (ermäßigt) jeweils über den geltenden Mindeststeuersätzen. Auch die Waren und Dienstleistungen, auf die ein ermäßigter Steuersatz zu entrichten ist, decken sich mit den Kategorien, für die gemäß der Vereinbarung zukünftig ein ermäßigter Steuersatz anwendbar ist – mit Ausnahme der Restaurant- und Verpflegungsleistungen, deren vorübergehende Ermäßigung aber ohnehin zum 31. Dezember 2022 auslaufen soll.

Auch wenn die Folgen des neuen Rahmens für Mehrwertsteuersätze für das deutsche Umsatzsteuerrecht und somit für die deutsche Wirtschaft gering sein dürften, wird DER MITTELSTANDSVERBUND das weitere Verfahren aufmerksam verfolgen. Es ist zu verhindern, dass sich etwaige negative Folgen für die Branchen ergeben, die besonders von Änderungen der Mehrwertsteuersätze betroffen wären – insbesondere den Groß- und Einzelhandel. Die letzte – zeitlich befristete – Anpassung der Mehrwertsteuersätze im Jahr 2020 ist den Unternehmen aufgrund ihres großen Umstellungsaufwands noch in negativer Erinnerung.

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