Coty-Verfahren beim EuGH: Generalanwalt hält Plattformverbot für rechtens

Nach Auffassung von Generalanwalt Wahl kann ein Anbieter von Luxuswaren seinen autorisierten Händlern verbieten, seine Waren auf Drittplattformen wie Amazon oder eBay zu verkaufen. Schließen sich die Richter des EuGH dem an?

Luxemburg, 28.07.2017 – Mit großer Spannung wird auf europäischer Ebene die Entscheidung des EuGH zu der Frage erwartet, ob ein Hersteller/Anbieter seinem Handelspartner den Verkauf seiner Produkte über Internetplattformen verbieten darf oder nicht. In der Rechtssache C -230/16 Coty Germany GmbH gegen Parfümerie Akzente GmbH hat das OLG Frankfurt am Main dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Verbot der Nutzung von Plattformen, die einer dritten Partei gehören, in einer Vereinbarung zum selektiven Vertrieb mit europäischen Kartellrecht vereinbar ist.

Hierzu hat nun der Generalanwalt Nils Wahl seine Schlussanträge gestellt. Nach seiner Auffassung kann ein Anbieter von Luxuswaren seinen autorisierten Händlern durchaus verbieten, seine Waren auf Drittplattformen wie Amazon oder eBay zu verkaufen.

Ein solches Verbot, das die Wahrung der luxuriösen Ausstrahlung der betreffenden Waren bezweckt, falle unter bestimmten Bedingungen nicht unter das Kartellverbot, da es geeignet sei, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern.

Hintergrund

Coty Germany ist einer der führenden Anbieter von Luxuskosmetik in Deutschland. Um die luxuriöse Ausstrahlung bestimmter von ihr angebotener Marken zu wahren, vertreibt sie diese im selektiven Vertrieb, d. h. über autorisierte Händler. Die Ladengeschäfte dieser Händler müssen Anforderungen hinsichtlich Umgebung, Ausstattung und Einrichtung erfüllen.

Die autorisierten Händler sind auch berechtigt, die Vertragswaren im Internet anzubieten und zu verkaufen. Hierzu sehen die Vertriebsverträge nach einer Überarbeitung im Jahr 2012 vor, dass dies nur unter der Bedingung gilt, dass das Internet-Geschäft als „elektronisches Schaufester“ des autorisierten Ladengeschäfts geführt wird und hierbei der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bleibt. Außerdem ist es dem autorisieren Händler verboten, für den Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar nicht autorisierte Drittunternehmen einzuschalten.

Die klagende Parfümerie Akzente vertreibt seit vielen Jahren als autorisierter Einzelhändler die Produkte von Coty Germany sowohl in ihren Ladengeschäften, als auch im Internet. Der Internetverkauf erfolgt zum Teil über ihren eigenen Internet-Shop und zum Teil über Amazon.

Da Parfümerie Akzente den im Jahr 2012 eingeführten Änderungen des Vertriebsvertrags nicht zustimmte, erhob Coty Germany vor deutschen Gerichten Klage, um ihr zu untersagen, die Vertragswaren über die Amazon zu vertreiben.

Luxuswaren können Selektivvertrieb erfordern

In seinen Schlussanträgen wies Generalanwalt Nils Wahl darauf hin, dass der Gerichtshof bereits anerkannt habe, dass Luxuswaren in Anbetracht ihrer Eigenschaften und ihres Wesens die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems erfordern könnten, um ihre Qualität zu wahren und ihren richtigen Gebrauch zu gewährleisten.

Nach dieser Rechtsprechung fallen selektive Vertriebssysteme, die auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines „Luxusimages“ der Waren dienen, nicht von vorneherein unter das Kartellverbot, wenn sie drei Kriterien erfüllen: Erstens muss die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Zweitens muss die Natur des fraglichen Erzeugnisses einschließlich des Prestigeimages zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs einen selektiven Vertrieb erfordern. Drittens dürfen die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.

Generalanwalt Wahl: Coty-Klausel nicht per se kartellrechtswidrig

Konkret zu der streitigen Klausel, nach der Coty Germany ihren autorisierten Händlern verbietet, für Online-Verkäufe der Vertragswaren nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, ist der Generalanwalt der Auffassung, dass auch eine solche Klausel nicht von vorneherein unter das Kartellverbot fällt, wenn sie erstens durch die Natur der Ware bedingt ist, zweitens einheitlich festgelegt und unterschiedslos angewandt wird und drittens nicht über das Erforderliche hinausgeht.

Was insbesondere die Legitimität dieser Klausel betrifft, sei das durch sie vorgesehene Verbot geeignet, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern. Dieses Verbot sei nämlich geeignet, das Luxusimage der betreffenden Waren in verschiedener Hinsicht zu wahren.

Es gewährleiste nicht nur, dass diese Waren in einer Umgebung verkauft werden, die den von der Spitze des Vertriebsnetzes gestellten Qualitätsanforderungen entspreche, sondern erlaube es auch, sich gegen Phänomene des Parasitismus zu wappnen und zu verhindern, dass die vom Anbieter und anderen zugelassenen Händlern zur Verbesserung der Qualität und des Ansehens der betreffenden Waren unternommenen Investitionen und Anstrengungen anderen Unternehmen zu Gute kommen.

Coty Germany habe auch keineswegs ein absolutes Verbot des Online-Verkaufs vorgesehen, sondern ihren autorisierten Händlern lediglich vorgeschrieben, die Vertragswaren nicht über Drittplattformen zu vermarkten, da diese nicht verpflichtet seien, die qualitativen Anforderungen zu erfüllen, die sie ihren autorisierten Händlern vorgebe. Die streitige Klausel erhalte den autorisierten Händlern in der Tat die Möglichkeit, die Vertragswaren über ihre eigenen Internetseiten zu vertreiben.

Entscheidung im Fall Coty steht noch aus

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten.

Die Richter des Gerichtshofs treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. DER MITTELSTANDSVERBUND wird darüber weiter berichten.

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