Lobbyregister des Bundestags: Verschärfung hätte auch Nachteile für Verbände und deren Mitglieder

Das seit dem vergangenen Jahr existierende Lobbyregister beim Deutschen Bundestag soll ausgeweitet werden. Ein mittlerweile in den Bundestag eingebrachter Gesetzentwurf sieht dabei strengere Regeln für viele Akteure vor. Auch Verbände – und damit die darin organisierten Unternehmen – könnten durch detailliertere Angaben zu Mitgliedsbeiträgen und der Art der Interessenvertretung betroffen sein. DER MITTELSTANDSVERBUND setzt sich deshalb dafür ein, dass es nicht zu bürokratischen und wenig zielführenden Verschärfungen kommt.

Berlin, 14.07.2023 – Zum 1. Januar 2022 trat das Lobbyregistergesetz in Kraft, das neue Transparenzpflichten für die Akteure der politischen Interessenvertretung in Deutschland vorsieht. Seit Anfang vergangenen Jahres müssen sich daher nahezu alle Organisationen sowie natürliche Personen, die gegenüber den Mitgliedern des Bundestages, Mitgliedern der Bundesregierung sowie Beamten der Bundesministerien ab Unterabteilungsleiterebene Interessenvertretung betreiben, im Lobbyregister eintragen. Der Eintrag ist bereits jetzt mit der Offenlegung umfangreicher Informationen verbunden – z.B. zu den finanziellen Aufwendungen im Rahmen der Interessenvertretung sowie zu den Personen, welche die Interessenvertretung ausüben. Die Ampel-Koalition bzw. die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP haben sich dennoch – mit Verweis auf die bisherigen Erfahrungen mit dem Lobbyregister – auf eine Nachschärfung in vielen Punkten verständigt. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde am 23. Juni 2023 in erster Lesung in den Bundestag eingebracht.

Deutscher Bundestag, BerlinNeben eher marginalen Änderungen – so ist ein Eintrag künftig schon erforderlich, wenn Interessenvertretung gegenüber der Referatsleiterebene in Ministerien erfolgt – sieht der Gesetzentwurf auch einige sehr relevante und potenziell brisante Nachschärfungen vor. So müssten nach dem Willen der Regierungsfraktionen nicht nur die – allgemein gefassten – wesentlichen Themenbereiche der Interessenvertretung angegeben werden, sondern alle konkreten Gesetzes- und Verordnungsvorhaben, zu den sich der Akteur gegenüber den politischen Adressaten einbringt. Auch sollen Stellungnahmen und Gutachten grundsätzlicher Bedeutung – die bisher oftmals schon auf den Homepages der Bundesministerien veröffentlicht werden – von den Akteuren zusätzlich im Lobbyregister eingestellt werden.

Gerade für Verbände der Wirtschaft könnte eine andere Änderung noch gravierender werden: Während Einnahmen der Verbände durch Mitgliedsbeiträge bisher nur als Gesamtsumme aus der in der Regel im Eintrag hochgeladenen Jahresrechnung hervorgehen, sollen zukünftig hohe Mitgliedsbeiträge einzelner Mitgliedergesondertausgewiesen werden. Gerade bei großen Mitgliedsunternehmen, deren Mitgliedsbeitrag in Abhängigkeit von deren wirtschaftlichem Ergebnis berechnet wird, könnte dies zu einer namentlichen Nennung führen. Zwar sind die vorgesehenen Schwellen relativ hoch – so sollen nur jährliche Mitgliedsbeiträge ab 10.000 Euro, die mehr als 10 % der Gesamtsumme der Mitgliedsbeiträge ausmachen, zu einer Nennung von Mitglied und Beitrag (in Stufen von 10.000 Euro) verpflichten. Dennoch könnte dies in vielen Wirtschaftsverbänden einzelne Mitglieder betreffen.

Hier liegt nach Auffassung des MITTELSTANDSVERBUNDES ein zentrales Problem: Zum einen dürfte eine Nennung ausschließlich sehr großer Mitglieder zu einer Scheintransparenz und einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung der Mitgliedschaft führen. Denn für Außenstehende könnte der irrige Eindruck entstehen, dass gerade diese Mitglieder die politische Arbeit des Verbandes entscheidend prägen. Insbesondere in Verbänden, die viele Unternehmen unterschiedlicher Branchen vertreten, wäre eine Nennung einzelner Mitglieder nicht repräsentativ. Zum anderen besteht auch innerhalb der Mitgliedschaft oft keine vollständige Transparenz über die Beiträge aller Mitglieder. Eine sinnvolle Vertraulichkeit über Beitragsverhandlungen wäre nicht mehr gegeben, wenn einzelne Mitgliedsbeiträge ohne Kontext öffentlich einsehbar wären.

DER MITTELSTANDSVERBUND teilt das grundsätzliche Ansinnen des Lobbyregisters weiterhin ausdrücklich: Eine Erhöhung der Transparenz politischer Interessenvertretung ist sinnvoll, um Vorbehalten und Fehlwahrnehmungen in der Öffentlichkeit vorzubeugen. Dennoch gehen die vorgeschlagenen Nachschärfungen des Lobbyregistergesetzes über ein angemessenes Maß hinaus. Sie würden nicht nur die Informationspflichten und damit den bürokratischen Aufwand – sowohl für die Akteure der Interessenvertretung als auch für die registerführende Stelle beim Bundestag – massiv erhöhen. Zudem wäre der Mehrwert sehr begrenzt, weil die Fülle der Informationen kaum mehr vernünftig auszuwerten ist und zudem einer Scheintransparenz Vorschub leistet. Deshalb hat sich DER MITTELSTANDSVERBUND gemeinsam mit einer Reihe weiterer Verbände in einem Anschreiben an die Mitglieder des zuständigen Bundestagsausschusses sowie die Spitzen der Fraktionen gewandt, um auf die drohenden Probleme hinzuweisen. Darüber hinaus wird DER MITTELSTANDSVERBUND das weitere Gesetzgebungsverfahren sehr aufmerksam verfolgen und sich zu gegebener Zeit erneut einbringen.

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