MITTELSTANDSVERBUND wendet sich mit offenem Brief an Olaf Scholz

In einem offenen Brief an den designierten Bundeskanzler Olaf Scholz warnen Präsident Eckhard Schwarzer und Hauptgeschäftsführer Dr. Ludwig Veltmann vor einer Überforderung mittelständischer Unternehmen und fordern mehr Klarheit über den Pandemieverlauf. Lesen Sie jetzt den genauen Wortlaut des Briefes.

Berlin, 02.12.2021

"Sehr geehrter Herr Scholz,

In wenigen Tagen werden Sie Regierungschef in Deutschland sein und den entscheidenden Schlüssel zur politischen Gestaltung in Ihren Händen halten. Dabei wünschen wir Ihnen viel Erfolg, Kraft und Rückenwind!

Ihr Start ins Amt des Bundeskanzlers fällt in eine denkbar schwierige Zeit, in der die bezwungen geglaubte Pandemie erneut dramatisch auflodert. Mit größter Sorge sehen die von uns vertretenen in Verbundgruppen organisierten 230.000 mittelständischen Handels-, Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen die täglich steigenden Corona- Infektionszahlen und deren medizinische und politische Folgen.

Wir glauben, dass die Politik aktuell bereits vieles richtig macht. Allerdings werden unseres Erachtens noch nicht alle Möglichkeiten genutzt, um in naher Zukunft die wirtschaftlichen Gefahren für den deutschen Mittelstand und die gesamte Volkswirtschaft wirksam abzuwenden.

Die von Ihnen angestrebte allgemeine Impfpflicht unterstützen wir grundsätzlich. Um die Impfquote schneller verbessern zu können, ist die massive Verstärkung der Impfangebote dazu eine zwingende Voraussetzung.

Dennoch: Eine kurzfristige Auswirkung auf das Infektionsgeschehen ist davon nicht zu erwarten. Dazu müssen aus unserer Sicht einige Stellschrauben nachgezogen werden. So sind wir davon überzeugt, dass die Kontaktbeschränkungen, wie sie die MPK beschlossen hat und wie verschiedene Bundesländer diese umsetzen, nur bedingt wirksam sind.

Abgesehen davon, dass die konsequente Umsetzung der 2-G-Regelung nur schwierig zu realisieren und schon gar nicht umfassend zu kontrollieren sein wird, sind auch Geimpfte nicht davon ausgenommen, Virentragende zu sein. Impfdurchbrüche, Ungewissheiten über die Wirkungsdauer von Impfungen sowie das Auftreten von Virusmutanten sind bei Politik und Fachleuten anhaltend auf der Agenda.

Aus diesem Grunde halten wir die sofortige Einführung einer umfassenden 2-G-Regelung für Geschäfte, Kinos, Hotels und gastronomische Betriebe für unbefriedigend. Sie ist ferner weder für die Geschäftsführenden, noch für die Kundinnen und Kunden vertrauensbildend. Ein nicht zu vernachlässigender Teil der Einkaufenden wird zu einem Zeitpunkt ausgeschlossen, zu dem sie sich mit einer sehr radikalen Entscheidung konfrontiert sehen, die vor dem Hintergrund des steten Beteuerns der Freiwilligkeit einer Impfung bis vor wenigen Wochen extreme Verdrossenheit auszulösen droht.

So schwer es persönlich auch fallen mag Verständnis für Menschen aufzubringen, die bislang das Impfangebot nicht angenommen haben, so muss man ihnen dennoch zunächst die Chance im Rahmen einer Übergangsfrist geben, den geänderten Bedingungen folgend, die Impfung nachzuholen. Insbesondere auch die mittelständische Wirtschaft benötigt Unterstützung bei der Befriedung und Bedienung der Bedarfe von Kundinnen und Kunden im Sinne der allgemeinen Gesundheit.

Wir schlagen aus diesem Grunde eine Übergangszeit vor, innerhalb derer zunächst flächendeckend die 3-G-Regelung in Geschäften angewendet wird. Eine sukzessive Herabstufung auf 2-G nach Fristablauf und bis zur möglichen Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ist für Handel, Handwerk und Dienstleister ein realistischer und solider Fahrplan.

Aus unserer Sicht muss das Instrumentarium zugleich dringend erweitert werden. Die Zulassung von Antigen-Schnelltests unter virtueller Aufsicht sind hierzu, insbesondere mit Blick auf die „x-G-Plus“-Regelungen, künftig ein unabdingbarer Schritt.

Wieso können infizierte Personen nicht direkt vor Nutzung des ÖPNV und Betreten der Arbeitsstätte identifiziert und das Ergebnis virtuell verifiziert werden? Ein Großteil des Lebens findet bereits in der digitalen Sphäre statt und dies ist auch der erklärte Anspruch des neuen Koalitionsvertrags – unsere Zukunft ist Digital.

So würde das Virus zu keiner Teststation, in kein Unternehmen, in keine U- oder S-Bahn getragen und die Infektionsgefahr drastisch weiter gen null reduziert. Entsprechende Technologien sind längst verfügbar. Datenschutzrechtliche Bedenken müssen gegen die Chancen der Überwindung der Pandemie abgewogen werden. Auf diesem Wege könnten nicht nur Geschäfte und Unternehmen ihren Mitarbeitenden, Geschäftspartnern sowie Kundinnen und Kunden leichter ein sicheres Umfeld bieten, sondern auch Kitas, Schulen und Universitäten mit minimalisierter Gefahr den Regelbetrieb fortsetzen.

Der größte Vorteil eines digitalen Test- und Kontrollverfahrens ist die zeitechte Verfügbarkeit von Daten über das Infektionsgeschehen und damit die Möglichkeit des punktgenau gezielten Vorgehens. Die Ergebnisse können direkt auf die Corona-Warn-App übertragen und den Gesundheitsämtern zugeleitet werden. Die telefonische Nachverfolgung der Infektionswege wäre damit weitgehend verzichtbar.

Die jetzt im Raume stehenden restriktiven Maßnahmen drohen die zarte Erholung vieler von früheren Lockdowns noch längst nicht erholten Unternehmen den Garaus zu machen.

Zur Überwindung der Pandemie muss zugleich stärkeres Gewicht auf die Entwicklung und Einführung von geeigneten Medikamenten gelegt werden. Nur so bestehen Chancen, dass ein Vergleichsstatus mit bekannten sich wiederholenden und als beherrschbar geltenden Infektionen entsteht. In der politischen Kommunikation kam dieses Thema bislang eher zu kurz.

Kurzum, sehr geehrter Herr Scholz, das Maßnahmenbündel gegen Corona muss schleunigst in einem für den Mittelstand umsetzbaren und wirklich nachvollziehbaren und wirksamen Rahmen nachgeladen werden. Wir setzen auf Sie und danken Ihnen ausdrücklich für Ihren Einsatz.

Mit den besten Grüßen

Eckhard Schwarzer, Präsident DER MITTELSTANDSVERBUND

und Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer DER MITTELSTANDSVERBUND"

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