Neues Wettbewerbsrecht: Papiertiger oder scharfes Schwert?

Die Verteuerung von Waren und Rohstoffen vor allem in der Ölindustrie beschäftigt weiterhin die Politik. Bundeswirtschaftsminister Habeck schlägt nunmehr eine Verschärfung des bestehenden Wettbewerbsrechts an. Doch welche Auswirkungen hätte eine solche Anpassung wirklich auf den Ölmarkt – und welche Folgen wären insgesamt für die Wirtschaft zu erwarten?

Brüssel, 14. Juni 2022 – Die deutsche, europäische, aber auch internationale Wirtschaft sieht sich derzeit vor der Aufgabe, die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs zu absorbieren: Steigende Rohstoffpreise, Energiekosten und stockende Logistikprozesse führen zu ungeahnten Preissteigerungen entlang der Wertschöpfungsketten. Die Frage dabei: Inwieweit werden tatsächlich ausschließlich Preissteigerungen weitergegeben? In welchen Fällen bereichern sich eventuell Anbieter, Lieferanten oder Handelsunternehmen?

Aktuell stellt sich diese Frage im Zusammenhang mit den weiter steigenden Spritpreisen. Anfang Juni sollten die Bürgerinnen und Bürger durch eine deutliche Senkung der Energiesteuer auf Diesel und Benzin deutlich entlastet werden – so jedenfalls der Plan von Finanzminister Christian Lindner. Die Wirklichkeit zeichnet hingegen ein anderes Bild: Der Verzicht des Staates auf Steuereinnahmen ist an der Zapfsäule nicht spürbar. Stattdessen können gerade Mineralölkonzerne weitere Einnahmen auf Kosten des Staates generieren – so der Vorwurf einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland.

Doch stimmt dieser Vorwurf überhaupt? Und wenn ja: Wie kann eine solche Situation zukünftig verhindert werden? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer ins Spiel gebracht. Doch Kritik kommt aus der eigenen Bundesregierung. Dies insbesondere mit Blick auf die Berechnung einer solchen zusätzlichen steuerlichen Belastung der Unternehmen. Zudem stellt sich die Frage der Notwendigkeit. Denn: Können Unternehmen derzeit aufgrund steigender Preise zusätzliche Einnahmen generieren, so erhöht sich auch die steuerliche Bemessungsgrundlage des jeweiligen Unternehmens.

Habeck hält dennoch weiter an seinem Ansatz fest und bringt nunmehr einen neuen Vorschlag in die Diskussion ein: Die Verschärfung des deutschen Wettbewerbsrechts. Konkret sollen Eingriffsbefugnisse des Bundeskartellamtes erheblich gestärkt werden. So kann das Bundeskartellamt aktuell nur in Fällen einschreiten, in denen eine marktbeherrschende Stellung – oder zumindest eine relative Marktmacht – festgestellt worden ist. Zudem muss diese Marktmacht auch noch missbraucht worden sein. Bezogen auf die steigenden Spritkosten, muss nach bestehender kartellrechtlicher Lage also nicht nur festgestellt werden, dass die jeweiligen Mineralölkonzerne marktmächtig sind, sondern diese ihre Marktmacht auch vorsätzlich und missbräuchlich ausgenutzt haben. Ein starker Vorwurf, der sich auch nach den jüngsten Untersuchungen des Bundekartellamtes nicht erhärten konnte.

Neben einem bitteren Nachgeschmack kommt die Bundesregierung hierbei zu der Erkenntnis: In vielen Märkten braucht es keine marktmächtige Stellung bzw. Kartellrechtsverstoß, um einen gewissen Druck auf die Preisbildung und den tatsächlich realisierbaren Abgabepreis auszuüben. Bundeswirtschaftsminister Habeck spricht in diesem Zusammenhang von „verfestigten Märkten“, also unterhalb der Marktmacht-Schwelle agierenden Marktakteuren.

Genau hier setzt nunmehr das Bundeswirtschaftsministerium für Wirtschaft und Klimaschutz an. So soll ein missbrauchsunabhängiges Entflechtungsinstrument geschaffen werden, mithilfe dessen Marktstrukturen aufgebrochen werden können. "Gerade dort, wo es nur wenige Anbieter im Markt mit hohen Gewinnmargen gibt, Märkte sich zum Nachteil der Endkunden verfestigen und hohe Preise oder schlechte Qualität die Folgen sind, kann die missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit sinnvoll Abhilfe schaffen.", so das Kalkül des Bundeswirtschaftsministeriums. Zukünftig soll daher eine missbrauchsunabhängige Eingriffsbefugnis etabliert werden. Im Zweifel könnte so allein die Feststellung eines verfestigen Marktes ausreichen, um kartellrechtliche Maßnahmen daraus abzuleiten.

Und es geht noch weiter

Doch nicht genug: Auch eine Gewinnabschöpfung soll nach den Vorstellungen Habecks in Zukunft einfacherer möglich sein. Aktuell ist auch dieses Instrument nur im Falle des erfolgreichen Nachweises eines wettbewerbswidrigen Verhaltens eines Unternehmens möglich. Auch hier muss daher der Beweis durch das Bundeskartellamt erbracht werden, dass eine marktbeherrschende Stellung besteht, diese vorsätzlich ausgenutzt wurde und die Ausnutzung zu unrechtmäßigen Gewinnen geführt hat. Die erlangten Vorteile können dann durch das Bundeskartellamt abgeschöpft werden. Sie kommen der Staatskasse zugute. Noch ist unklar, welche Änderungen konkret das Bundesministerium in diesem Zusammenhang vorschlagen wird. Habeck sprach in diesem Zusammenhang jüngst von einer Beweislastumkehr – zulasten der vermeintlich unrechtmäßig handelnden Unternehmen. In der Konsequenz müssten sich dann also die Unternehmen dahingehend entlasten, dass kein Wettbewerbsverstoß vorliegt.

Auch Sektoruntersuchungen sollen – anders als nach aktueller Rechtslage – „schärfer“ ausgestaltet sein. Sie dienen vor allem der Analyse von Märkten. In der Vergangenheit wurden jedoch auch konkrete kartellrechtliche Maßnahmen im Anschluss zu den Untersuchungen und auf deren Grundlage eingeleitet. Habeck schlägt nunmehr vor, dass Sektoruntersuchungen und daraus abgeleitete Maßnahmen enger verzahnt werden sollen – Details bislang noch ausstehend.

Fazit

Die Bundesregierung zeigt mit den jüngst vorgestellten Vorschlägen klare Kante – zumindest vordergründig. Denn ob die Bewältigung externer Faktoren (Ukraine-Krieg sowie die damit verbundenen Folgen entlang der Wertschöpfungsstufen) tatsächlich durch neue nationale Regeln – steuerrechtlicher oder wettbewerbsrechtlicher oder gar finanzpolitischer Natur – tatsächlich zu bewältigen sind, bleibt abzuwarten. Die neuen Ansätze aus dem Hause Habeck scheinen zudem einen Paradigmenwechsel einzuleiten: Anstatt auf die Heilungskraft des Marktes zu setzen und nur in Missbrauchsfällen einzugreifen, soll nunmehr die Bekämpfung von Machtkonzentration oberste Maxime sein.

Unabhängig von möglichen – positiven oder negativen – Effekten für den Markt der Mineralöle muss klar sein, dass ein neues Wettbewerbsrecht für alle Sektoren gelten würde. Wenn zukünftig bereits unterhalb der Marktmacht-Schwelle kartellrechtlich eingegriffen werden könnte, weckt das Begehrlichkeiten. Die daraus entstehende Unruhe könnte sich im Ergebnis kontraproduktiv vor dem Hintergrund der aktuellen Beziehungen in den Wertschöpfungsketten auswirken.

Auch die sich abzeichnende Beweislastumkehr zulasten der betroffenen Unternehmen ist rechtspolitisch fragwürdig. Zwar verhindern langwierige Kartellrechtsprozesse bereits aktuell eine effektive Durchsetzung legitimer Anliegen. Ob eine völlige Abkehr bestehender prozessrechtlicher Grundsätze tatsächlich gerechtfertigt ist, scheint hingegen fraglich. Auch die Effizienz eines solchen Ansatzes verfängt nur vordergründig. Denn ganz ohne Substantiierung eines vermeintlichen Abschöpfungsanspruches wird auch ein Bundeskartellamt 2.0 nicht auskommen. Im Ergebnis könnte bereits eine Verbesserung der kartellrechtlichen Durchsetzung helfen, Missstände schnell und effizient zu beheben.

Seite drucken

Ansprechpartner

Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht